Seine Inspiration für den Gala-Auftritt gegen Borussia Dortmund hatte sich Dong-Won Ji vor dem Fernseher geholt. Bei der 0:3-Niederlage der Dortmunder in der Champions League gegen Tottenham Hotspur. „Mein Freund Heung-Min Son hat dort das erste Tor gemacht. Das hat mir Selbstvertrauen gegen, dass ich das auch kann“, erzählte der 27-jährige Südkoreaner nach dem Überraschungs-Coup des FC Augsburg am 24. Spieltag. Mit seinem Doppelpack in der 24. und 68. Minute war Ji neben Torhüter Gregor Kobel der Garant für den unerwarteten 2:1 (1:0)-Erfolg gegen seinen früheren Arbeitgeber. Für Teamkamerad Rani Khedira reichte ein Wort, um die Leistung des Offensivspielers zu beschreiben: „Sensationell.“ (Zur Einzelkritik: Ji und Kobel sind die Helden des Spiels)
Dass Weltklasse-Stürmer Son, der am Donnerstag zum Londoner Spieler des Jahres in der Premier League gekürt wurde, dem BVB Kopfzerbrechen bereiten würde, war voraussehbar, doch das Nationalmannschafts-Kollege Ji das Dortmunder Südkorea-Trauma noch verstärken würde, dachte wohl niemand. Nicht nur, weil es dem abstiegsbedrohten FCA nach dem desolaten 1:5 in Freiburg kaum einer zugetraut hatte, gerade gegen den Tabellenführer die Schussfahrt Richtung Abstiegszone abzubremsen, sondern auch weil Ji im fünften Jahr beim FCA eher als Auslaufmodell gehandelt wurde.
Ende 2012 hatte ihn Ex-Bundesliga-Torhüter und Kurzzeit-FCA-Manager Jürgen Rollmann beim AFC Sunderland entdeckt, doch die Leihe Anfang Januar 2013 machte dann schon Rollmann-Nachfolger Stefan Reuter fest. Ji, der in Jeju-si, der Hauptstadt (260.000 Einwohner) der Ferien-Insel Jeju geboren ist, entpuppte sich als Glücksgriff und war mit fünf Toren maßgeblich am Klassenerhalt beteiligt.
In Dortmund kam Ji nie richtig in Fahrt
Es entwickelte sich eine On-Off-Beziehung. Nach der Saison holte ihn Sunderland zurück. Im Januar 2014 ging er wieder nach Augsburg. Zuvor hatte er zwar einen Vierjahresvertrag ab Sommer beim BVB unterschrieben. Aber in Dortmund kam Ji nie richtig in Fahrt und blieb ohne Bundesliga-Einsatz. Im Januar 2015 kehrte er zum dritten Mal nach Augsburg zurück, doch Ji konnte an seine erste Zeit in Augsburg nicht anknüpfen. Im Januar 2018 lieh man ihn nach Darmstadt zu Ex-Coach Dirk Schuster aus. Der Abstiegskampf in der 2. Liga stählte Ji. „Ich habe jedes Spiel gespielt, man hat mir vertraut, das war gut für mich.“
Ji schien nach dieser Rosskur auf einem guten Weg, doch bei der 1:2-Niederlage in Mainz Mitte September verletzte er sich beim Torjubel am Knie, nachdem er das zwischenzeitliche 1:0 für den FCA erzielt hatte. Zwei Monate fiel er aus, und als er dann mit Koo noch für Südkorea beim Asiencup spielen musste, schien er weit weg von einem Stammplatz. Doch es kam anders. „Die Nationalmannschaft ist immer eine Herzenssache und ich hatte den Kopf dann frei, auch weil ich nicht viel gespielt habe“, sagt Ji. Und da Jis Ehefrau und sein sieben Monate altes Kind mit ihm in Augsburg leben, machte es ihm auch nichts aus, ohne Heimaturlaub direkt in die Rückrunde zu starten.
Ji gibt sich bescheiden
Er nützte die Verletzung von Alfred Finnbogason und die Suspendierung von Caiuby, um sich in den Vordergrund zu spielen. Wie ausgewechselt legte er los, traf gegen die Bayern, jetzt zwei Mal gegen Dortmund. „Ich spüre jetzt viel Vertrauen, das hilft mir“, sagt Ji bescheiden.
Zu viel Lob für seine Person ist ihn unangenehm. Er legt Wert auf das Wir: „Es war ein großartiges Spiel. Es war sehr wichtig, weil wir in Freiburg schlecht gespielt haben. Wir haben alle gekämpft und gefightet. Wir haben es gut gemacht.“Die asiatische Mentalität gefällt FCA-Geschäftsführer Sport, Stefan Reuter: „Sie sind unglaublich pflichtbewusst, haben eine wahnsinnige Einstellung und können einstecken. Ja-Cheol hat mal mit einem dreifachen Bänderriss gespielt“, schwärmt er. Der FCA bedient sich gerne in Südkorea, Stephan Schwarz, der Technische Direktor, hat dorthin einen guten Draht. Neben Koo und Ji holte er auch Innenverteidiger Jeong-Ho Hong (2013 bis 2016). Und mit Tae-Ho Kim (17, B-Junioren) und Seong-Hoon Cheon (18, A-Junioren) will der FCA zwei weitere asiatische Talente an den Profibereich heranführen.
In der Gegenwart baut Reuter auf die Vorbildfunktion von Koo und Ji im Abstiegskampf. „Sie konzentrieren sich auf ihre Aufgabe und lassen sich überhaupt nicht aus der Ruhe bringen. Das ist positiv für die Mannschaft.“ Darum würde Reuter mit Ji und Koo die Verträge, die am Ende der Saison auslaufen, gerne verlängern. Ji hätte nichts dagegen. „Augsburg ist meine zweite Heimat. Ich hoffe, noch lange hier zu sein. Meiner Familie gefällt es hier auch.“ Noch ist aber nicht sicher, dass der FCA in der Bundesliga bleibt. Das macht die laufenden Gespräche kompliziert. Reuter sagt: „Wir werden alles daran setzen, sie zu halten. Aber es wird nicht einfach.“
Gegen Leipzig wird Ji die Bühne noch einmal alleine gehören. Dann wird Finnbogason wohl in die Elf zurückkehren. Am Samstag trainierte der Isländer erstmals seit Wochen wieder mit dem Ball.