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Interview: Stefan Reuter: "Die Einflüsse von außen werden immer größer"

Interview

Stefan Reuter: "Die Einflüsse von außen werden immer größer"

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    Stefan Reuter ist seit Ende 2012 für den sportlichen Bereich beim FC Augsburg verantwortlich. In dieser Zeit stieg der FCA nie aus der Bundesliga ab.
    Stefan Reuter ist seit Ende 2012 für den sportlichen Bereich beim FC Augsburg verantwortlich. In dieser Zeit stieg der FCA nie aus der Bundesliga ab. Foto: Ulrich Wagner

    Herr Reuter, der FCA ist mit einem Punkt aus den ersten drei Spielen in die Länderspielpause gegangen. Damit können Sie nicht zufrieden sein.

    Stefan Reuter: Natürlich ist man unzufrieden, wenn die Ergebnisse ausbleiben, weil wir mit viel Vorfreude in die Saison gestartet sind. Man sieht einfach, dass Fehler in der Bundesliga sofort und oft hart bestraft werden. Und wir haben in den ersten Spielen viel zu oft Fehler gemacht. Das hat nicht grundsätzlich etwas mit der Qualität und dem Potenzial der Spieler zu tun.

    Mit was dann?

    Reuter: Wir haben ein paar Vorgaben nicht gut umgesetzt. Wir hatten in der Vorbereitung die eine oder andere Schwierigkeit, weil der Kader nie komplett war. Da ist es schwierig, sich die Sicherheit zu holen, sich einzuspielen. Wenn Turniere im Sommer wie eine EM, Olympia oder die U21-EM stattfinden, ist mittlerweile auch der FCA betroffen. Damit müssen wir umgehen, da hilft es nicht zu jammern. Wir müssen das Beste aus der Situation machen.

    Das bedeutet?

    Reuter: Jetzt ist es wichtig, dass wir uns Sicherheit holen. Dafür ist neben einer guten Kommunikation auf dem Platz auch die Fitness wichtig. Einige unserer Spieler hatten aufgrund der Verletzungen und Abstellungen keinen guten Trainingsrhythmus. Für unser Spiel ist aber Fitness wichtig, damit wir den großen Klubs Paroli bieten können. Das ist uns gegen Hoffenheim und Leverkusen über weite Teile des Spiels gelungen. Aber die Ergebnisse sprechen eine deutliche Sprache.

    Reuter: "Wir haben in den beiden Heimspielen die Geduld verloren"

    Und was erzählen die Ergebnisse?

    Reuter: Es war ja nicht so, dass wir in beiden Spielen völlig chancenlos waren. Wir waren in beiden Spielen bis zur 75. Minute im Spiel, bekommen aber dann zum Teil einfache Gegentore.

    War man da vielleicht zu übereifrig?

    Reuter: Wir haben in den beiden Heimspielen die Geduld verloren. Das zeigte sich darin, was wir für Chancen in den letzten beiden Viertelstunden zugelassen haben. Wir müssen lernen, dass man nicht einfach aufmachen darf und jeder nur noch nach vorne denkt.

    Provokant gefragt: In Frankfurt hat Ihre Mannschaft mit einer sehr defensiven Taktik ein 0:0 geholt. Kann sie vielleicht nur verteidigen?

    Reuter: Wir haben durchaus spielerisches Potenzial und mehr Qualität im Kader als in den vergangenen Jahren. Aber man muss die Reihenfolge beachten: Eine gute Ordnung, wenig zulassen, kompakt stehen und aus einer guten Kompaktheit schnell umschalten – das muss unser Anspruch sein. Wir müssen aber auch versuchen, uns über Phasen mit Ballbesitz wieder etwas zu erholen. Denn man kann keine 90 Minuten Pressing spielen. Aber es wäre falsch zu glauben, dass wir in anderen Bereichen nachlassen dürfen, nur weil wir mehr Qualität im Kader haben.

    An welchen Namen machen Sie das spielerische Potenzial fest?

    Reuter: An gar keinen, denn das betrifft die ganze Mannschaft. Wenn man die Qualität von vor ein paar Jahren vergleicht mit der von heute, haben wir uns definitiv verbessert.

    Reuter über Dorsch: "Gegen Leverkusen hatte er bis auf eine Ausnahme viele richtig gute Aktionen"

    Wie sind Sie bislang mit Niklas Dorsch zufrieden? Für seinen Transfer gab es viel Lob, so richtig überzeugt hat er aber bislang noch nicht.

    Galt als Königstransfer: Niklas Dorsch.
    Galt als Königstransfer: Niklas Dorsch. Foto: kolbert-press

    Reuter: Gegen Leverkusen hatte er bis auf eine Ausnahme viele richtig gute Aktionen. Er kommt immer besser in Schwung. Die Anlaufschwierigkeiten sind ganz normal. Er wurde im Sommer U21-Europameister, das ist ein emotionaler Höhepunkt, aber auch eine zusätzliche Belastung in der letzten Saison. Das ist er noch nicht gewohnt. Ich hätte Sorgen, wenn er nicht intensiv arbeiten würde oder nicht mehr von seiner Spielweise überzeugt ist. Bei Niklas bin ich vollkommen ruhig, er wird Akzente setzen. Bei Arne Maier ist es ähnlich. Er spielte die U21-EM und Olympia, und jetzt zwickt mal die Muskulatur. Wir müssen ihn da hinbringen, dass er den Trainingsrhythmus hat, dass er aus einem kleinen, kräftemäßigen Loch wieder rauskommt.

    Dennoch haben Sie versucht, sich in diesem Mannschaftsteil mit Kevin Vogt zu verstärken.

    Reuter: Wenn es eine Chance gibt, dass wir im Rahmen unserer Möglichkeiten die Mannschaft verstärken können, versuchen wir das.

    Auch bei Ritsu Doan?

    Reuter: Wir beschäftigen uns mit vielen Spielern. Aber es klappt eben nicht immer. Wir brauchen auch eine gewisse finanzielle Hygiene in der Kabine. Nur so kann ein Gemeinschaftsgefühl entstehen.

    War diese Hygiene in der vergangenen Saison gegeben nach den Zugängen von Gikiewicz, Caligiuri oder Strobl?

    Reuter: Ja, absolut. Es muss immer eine gewisse Nachvollziehbarkeit vorhanden sein, und diese sehen wir gegeben.

    Spieler haben während Corona auch auf Teile des Gehalts verzichtet, während der Verein Topverdiener holt.

    Reuter: Das ist die eine Sichtweise. Die andere, die auch aus der Mannschaft kam, ist, dass wir versuchen müssen, immer wieder Qualität zu holen. Davon profitiert jeder Spieler. Zudem war der Gehaltsverzicht damals eine wichtige Geste, ein Zeichen aus der Mannschaft zu senden.

    Reuter: "Wir wollten in der Transferperiode keine Qualität abgeben"

    Waren Sie in der jetzigen Transferphase versucht, einen Spieler abzugeben. Felix Uduokhai zum Beispiel?

    Reuter: Wir wollten in der Transferperiode keine Qualität abgeben. Wenn ein Angebot gekommen wäre, das viel Geld versprochen hätte, muss man schauen, dass man Win-win-Situationen herstellt. Aber so ein Angebot lag nicht vor. Wir haben aber Marco Richter abgegeben, bei dem es ja auch eine Vorgeschichte gab. Es war klar, wenn eine gewisse Größenordnung erreicht wird, ermöglichen wir dem Spieler den nächsten Schritt. Auch wenn wir ihn gerne hierbehalten hätten.

    Welche Vorgeschichte meinen Sie?

    Reuter: Die, dass ein Jahr zuvor schon mal ein Angebot aus Köln vorlag, das aber relativ spät in der Transferperiode kam und nicht unseren Vorstellungen entsprach. Jetzt glauben wir, dass es innerhalb des Kaders vertretbar war, auch weil wir Arne Maier ausleihen konnten. Hut ab aber vor Marco, wie er damals damit umgegangen ist, dass es mit Köln nicht geklappt hat. Er hat sich weiter für den FCA reingehauen.

    Anders als Kevin Danso.

    Hat den FCA verlassen: Kevin Danso.
    Hat den FCA verlassen: Kevin Danso. Foto: Stefan Puchner, dpa

    Reuter: Das stimmt. Viel mehr will ich dazu nicht sagen. Ich denke, er hätte eine gute Chance gehabt zu spielen, seine Seite sah das anders. Wir haben eine Lösung gefunden, die für alle in Ordnung ist. Keiner kann uns vorwerfen, dass wir uns nicht an unser Wort halten. Gegen solche Vorwürfe wehren wir uns entschieden.

    Mit Andi Zeqiri haben Sie noch auf den letzten Drücker einen Neuzugang für den Sturm bekommen.

    Reuter: Das Schöne ist, dass wir ihn schon sehr lange verfolgen. Als er nach Brighton gewechselt ist, hatten wir keine Chance, ihn zu verpflichten. Solche Kontakte reißen aber nicht ab. Jetzt sind wir zum Zug gekommen, was uns sehr freut. Uns hat vorne die Durchschlagskraft gefehlt, das lag auch an Verletzungen. Bei fünf möglichen Wechseln ist es für den Trainer wichtig, dass er offensiv nachlegen kann. Gerade bei unserer intensiven Spielweise. Dieser Transfer heißt aber nicht, dass wir mit den Spielern, die hier sind, nicht zufrieden sind. Wir glauben, dass Andi uns auf alle Fälle weiterhilft.

    Warum war das bei Maurice Malone nicht der Fall? Er wurde nach Heidenheim verliehen.

    Reuter: Maurice wollte regelmäßig auf höchstmöglichem Niveau spielen. Wir haben dann gemeinsam eine Lösung gesucht und denken, dass Heidenheim und die 2. Liga ein guter Schritt für ihn sind, noch weiter zu reifen.

    Wäre es nicht besser, wenn die U23 in der dritten Liga spielen würde?

    Reuter: Das brauchen wir nicht zwingend. Die dritte Liga ist ein riesiger Kostenapparat. Es bringt auch nichts, wenn man in der dritten Liga nur gegen den Abstieg spielt. Das hilft in der Entwicklung nicht. Da können Ausleihen sinnvoller sein.

    Muss die Ausbildung im Nachwuchsleistungszentrum noch besser werden?

    Reuter: Das versuchen wir. Das ist auch ein Grund, warum wir mit Claus Schromm den Posten des sportlichen Leiters besetzt haben. Für jeden Nachwuchstrainer ist es wichtig, dass er einen Ansprechpartner hat. Seine Erfahrungen sind sehr wertvoll für unser NLZ.

    Von dem Ziel, vier, fünf Spieler aus dem eigenen Nachwuchs in der Startelf zu stehen, hat sich der FC Augsburg entfernt.

    Reuter: Das ist klar, weil wir mit Richter und Danso zwei Nachwuchsspieler abgegeben haben, die in der Startelf stehen könnten. Wenn man aber mit eigenen Spielern gute Transfererlöse erzielt, kann auch jeder Mitarbeiter im Nachwuchsbereich stolz sein.

    Was macht Ihnen Mut für die kommenden Wochen und Aufgaben? Sie müssen jetzt dann zu Union Berlin, dann kommt Gladbach.

    Reuter: Wir wissen um unser Potenzial und sehen, dass konzentriert gearbeitet wird. Wir sind von der Qualität des Kaders absolut überzeugt.

    Sie haben gesagt, man muss lernen aus Fehlern. Aus denen von Hoffenheim wurde offenbar nicht gelernt, zumindest deutet die Schlussphase gegen Leverkusen darauf hin.

    Reuter: Das geht oft nicht von einem Spiel zum anderen. Zudem muss man sich den Spielverlauf gegen Leverkusen anschauen. Wir hatten früh eine gute Chance und später die Aktion gegen André Hahn, in der es Elfmeter geben kann.

    Vielleicht sogar muss.

    Reuter: Es ist sicherlich eher ein Elfmeter als keiner. Aber es ist wohl keine Aktion für den Videoassistenten, zumindest wurde uns gegenüber so argumentiert.

    Warum schaut sich der Schiedsrichter nicht solche Szenen noch einmal selbst an? Das könnte für Beruhigung aller sorgen.

    Reuter: Man müsste vielleicht dem Schiedsrichter auf dem Platz die Möglichkeit einräumen – ohne Hinweis –, seinen Eindruck durch Ansicht der Bilder zu verfestigen. Der Videoassistent darf nur einschreiten, wenn es eine 100-prozentige Fehlentscheidung ist.

    Nimmt man dem Schiedsrichter nicht Autorität, wenn er plötzlich ständig rausrennt und sich vergewissert?

    Reuter: Die Gefahr besteht, dass sich der Schiedsrichter nahezu jede Standardsituation anschaut, bei der es eng ist im Strafraum.

    In anderen Sportarten können die Mannschaften Situationen überprüfen lassen, wie im Tennis oder Hockey. Dort hat jede Mannschaft pro Halbzeit eine Challenge. Es können auch mehr werden, und zwar immer wieder, solange sie richtig liegt. Andernfalls ist das Recht verfallen.

    Reuter: Das wäre eine Möglichkeit. Die Szene gegen André hätten wir damit auf jeden Fall anschauen lassen. Wenn der Einspruch berechtigt ist, hat man weiterhin alle Möglichkeiten. Wenn es nicht stimmt, hat man eine verwirkt.

    Werden solchen Ideen auch mal in der Bundesliga diskutiert?

    Reuter: Das wird immer mal wieder angesprochen, weil es das in anderen Sportarten auch gibt. Wir diskutieren in der Bundesliga öfter über so etwas. Ob etwas in diese Richtung irgendwann kommt, kann ich nicht sagen. Das sind Prozesse, die länger dauern.

    Von der großen Bescheidenheit ist im internationalen Fußball nicht viel übrig geblieben.

    Reuter: Wenn man sieht, was da teilweise ausgegeben wird, ist das Wahnsinn. Wenn Paris angeblich 200 Millionen Euro Ablöse für Mbappé für ein Jahr Restvertrag ablehnt, kostet der Spieler insgesamt für diese Saison 250 Millionen Euro. Das gibt einem zu denken. In der Bundesliga hat man dagegen gemerkt, dass es Corona gibt. International müssen sich die großen Vereine die Gelder oft nicht erarbeiten.

    Reuter: "Es ist kein leichtes Geschäft"

    Wenn plötzlich ein Lionel Messi ablösefrei auf dem Markt ist, wird er nie mit einem Klub in der Bundesliga in Verbindung gebracht. Warum?

    Reuter: Weil die großen Vereine in Deutschland ähnlich wie wir eine gewisse Hierarchie und Hygiene innerhalb des Kaders brauchen. Wenn man einem Spieler das Doppelte zahlt als dem jetzigen Topverdiener, der auch Weltfußballer ist, kann man darauf warten, dass die Top Fünf im Kader kommen und sagen, jetzt will ich mehr. Für die Hygiene wäre das nötig, aber irgendwann kann sich auch ein deutscher Top-Klub so etwas nicht mehr leisten.

    Es scheint auch eine neue Art des Verhandelns zu geben. Zumindest wollen sich immer mehr Spieler aus ihren Verträgen streiken.

    Reuter: Es ist kein leichtes Geschäft. Es geht um Spiel, Sport und Spaß, es ist aber auch ein Business. Ich finde es bedenklich, wenn ein Spieler, der mit voller Überzeugung einen Vertrag unterschrieben hat, plötzlich sagt, dass er sich nicht mehr im Stande fühlt zu spielen. Nur weil er eine bessere Offerte hat. Es ist wichtig, dass man als Klub eine klare Vorstellung hat. Wenn die erfüllt wird, ist es eine gute Lösung. Dann ist es die klassische Win-win-Situation. Wenn die Forderung nicht erfüllt wird, muss er eben bleiben und wäre gut beraten, wieder Gas zu geben.

    Vergiftet so etwas die Hygiene?

    Reuter: Optimal ist das nicht fürs Mannschaftsgefüge. Die Einflüsse von außen werden immer größer. Selbst zu meiner Zeit war ich einer der wenigen Spieler, die keinen Berater hatten. Wenn ich jemandem gegenübersitze, kann ich meine Position aber selbst vertreten. Man muss vielleicht nicht immer das Letzte rauspressen. Es geht auch um die persönliche Entwicklung und das Wohlfühlen. Das spürt nur der Spieler, der Berater schaut oftmals nur auf die Zahlen.

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