Die Frage nach seinem Bruder Mario ließ auch am späten Dienstagabend in den Katakomben der Allianz-Arena nicht auf sich warten. Doch diesmal ging es nicht darum, was Felix Götze zu der derzeit schwierigen Lage des WM-Final-Torschützen bei Borussia Dortmund meint, sondern diesmal stand der junge Profi des FC Augsburg selbst im Mittelpunkt. Schließlich hatte er mit seinem späten Tor zum 1:1 (87.) einen unerwarteten Punktgewinn beim FC Bayern beschert.
Ob sich denn Mario und sein ältester Bruder Fabian, 28, schon gemeldet hätten, wurde Felix also gefragt. "Ich habe jetzt noch nicht genau auf mein Handy gekuckt, weil da einige Nachrichten kamen, aber ich habe gesehen, dass die beiden mir auf jeden Fall schon geschrieben haben." Wenige Minuten zuvor, am Beginn des Interview-Marathons, hatte Götze bei Sport 1 erzählt, dass er sein erstes Bundesliga-Tor Mario widmen werde: "Der erste Anruf geht an ihn. Ich wäre nicht hier ohne ihn - ohne seine Tipps. Das Tor ist für ihn."
Wenn Felix Götze weiter so spielt wie am Dienstagabend, wird es bald keine Fragen mehr nach seinem berühmten Bruder geben. Dann wird er alleine im Mittelpunkt stehen (hier geht's zu den Spielernoten). Nach einer Stunde hatte ihn FCA-Trainer Manuel Baum für den entkräfteten Jan Moravek eingewechselt und krönte seine Leistung mit dem Ausgleich. Nach einer Ecke hatte Bayern-Torhüter Manuel Neuer den Ball nicht greifen können, Jeffrey Gouweleeuw brachte ihn zurück zur Mitte und Felix Götze drückte ihn mit der Brust ins Tor. "Es ging so schnell, der Ball kam von links rein und ich habe versucht alle Körperteile hinzuwerfen. Es war nur ein Traum so etwas, so Geschichten schreibt der Fußball, ich könnte nicht glücklicher sein."
Felix Götze: "Ein kleines Dilemma"
Doch so richtig jubeln wollte und konnte er nicht. Dabei hatte er sich für seine erstes Bundesliga-Tor so viel vorgenommen. "Es war ein kleines Dilemma. Beim ersten Tor wollte ich natürlich ausrasten und mich riesig freuen. Aber ich haben den Bayern so viel zu verdanken. Ich war vier Jahre hier, jeder hat mich gut behandelt, mir viel mit auf dem Weg geben. Ich wäre nicht der, der ich bin, ohne den FC Bayern."
Mit 16 war der gebürtige Dortmunder, seine Brüder sind in Memmingen auf die Welt gekommen, 2015 von Borussia Dortmund ins Internat des FC Bayern gewechselt. Schon im April 2016 hatte ihn dann der damalige Bayern-Trainer Pep Guardiola erstmals zum Training der Profis geholt, und auch unter Carlo Ancelotti und Jupp Heynckes war er immer mit dabei. Als die Bayern im Mai ihren 28. Meistertitel auf dem Rathausbalkon feierten, durfte Götze die Schale auch in die Höhe strecken, dreimal war er im Bundesliga-Kader gestanden, gespielt hatte er aber nie.
Dies wäre im Münchner Starensemble auch in dieser Saison schwierig geworden. Darum wollte er im Sommer trotz Vertrages bis 2019 wechseln. Und der FCA ließ sich diese Chance nicht entgehen, warb erfolgreich um Götze. Schon als Cheftrainer des Nachwuchsleistungszentrums war dieser Manuel Baum aufgefallen. Der Kontakt war seitdem nie ganz abgerissen. "Wir kennen Felix ja schon relativ lange", hatte Geschäftsführer Sport Stefan Reuter nach dem Schnäppchen-Transfer verraten. Es könnte ein Glücksgriff gewesen sein. Götze kam ablösefrei und unterschrieb bis 2022 ohne eine festgesetzte Rückkaufssumme im Vertrag. "Er ist absolut unser Spieler", sagte Reuter damals. Dass die Bayern sich aber nicht doch irgendwelche Rechte an einer möglichen Wertschöpfung haben festschreiben lassen, etwa mit einem generellen Rückkaufsrecht oder einer Beteiligung an einem möglichen Weiterkauf, ist eher unwahrscheinlich. Doch das ist alles Zukunftsmusik.
Götze agierte unaufgeregt und abgeklärt
Die Gegenwart ist schon aufregend genug. Götze wird seinen Weg machen, auch wenn er sich bescheiden gibt: "Ich muss jetzt weiter Gas geben. Das Tor war jetzt nur ein I-Tüpfelchen." Eine bestimmte Vorgabe an Spielen hat er sich nicht gegeben. "Ich will einfach so viele Minuten wie es geht einsammeln." Wahrscheinlich wird Götze beim Heimspiel gegen den SC Freiburg am Sonntag (18 Uhr) wieder auf der Bank sitzen. Ja-Cheol Koo wird wohl wieder fit sein und Jan Moravek hat in München nicht enttäuscht. Er würde es akzeptieren: "Ich muss noch viel lernen."
Dennoch ist es gut möglich, dass er dann vielleicht einmal Daniel Baier im defensiven Mittelfeld beerben wird. Das Potenzial dazu hat er, das hat er in 44 Minuten Bundesliga schon gezeigt: Auch in München agierte er nach seiner Abwechslung unaufgeregt und abgeklärt. "Ich war schon überrascht, dass er schon so weit ist. Aber vom ersten Training an hat er überzeugt. Er strahlt Ruhe aus mit seinen jungen Jahren, bringt spielerische Qualität mit und ist clever", lobte Martin Hinteregger seinen jungen Kollegen.
Für Trainer Manuel Baum war das keine Überraschung. "Er ist gut ausgebildet worden hier bei den Bayern. Er hat unter Top-Bedingungen hier mit den besten Spielern der Welt trainieren dürfen, da merkt man schon, dass er sehr weit ist."
Götze und der rote Kopf: "Damit muss man leben"
So sehr Baum am vergangenen Wochenende mit seinem Torhüter Fabian Giefer litt, so sehr freute er sich am Dienstag für seinen Youngster. "Es ist unglaublich, welche Geschichten der Fußball da wieder schreibt. Ich habe zuerst eine komische Bewegung des Schiedsrichters gesehen. Um Gotteswillen, jetzt gibt er uns das Tor auch nicht, habe ich gedacht und dann hab ich so einen hochroten Kopf in der Traube gesehen. Da habe ich gewusst, der Felix hat es geschossen. Den hochroten Kopf hat er bis nach dem Spiel mit sich rumgetragen."
Felix Götze ist das ein wenig peinlich: "Es ist leider schon immer so gewesen, dass, sobald ich eine körperliche Anstrengung mache, ganz rot anlaufe. Da hab ich früher schon ein paar Sprüche abbekommen: Ampel, Tomate. Da gab es ganz viele Sachen und es geht leider nicht weg. Aber damit muss man leben. Ich nehme den roten Kopf gerne, wenn ich ein Tor schieße."
Er könnte ja auch sein Markenzeichen werden. Wie bei seinem Ex-Trainer Jupp Heynckes. Dessen Spitzname war "Osram".
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