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FCA: Als die Europa League für Callsen-Bracker im Golf-Cart endete

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Als die Europa League für Callsen-Bracker im Golf-Cart endete

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    Der linke Knöchel von Jan-Ingwer Callsen-Bracker musste dick bandagiert werden. Ein Partizan-Spieler hatte ihn gefoult. Seine sportliche Karriere beim FCA war damit beendet.
    Der linke Knöchel von Jan-Ingwer Callsen-Bracker musste dick bandagiert werden. Ein Partizan-Spieler hatte ihn gefoult. Seine sportliche Karriere beim FCA war damit beendet. Foto: Siegfried Kerpf

    Hallo Herr Callsen-Bracker, wo erreiche ich Sie denn gerade?

    Callsen-Bracker: In unserem Haus in Göggingen im Homeoffice.

    Seit Oktober 2019 sind Sie in der DFB-Akademie innerhalb der Abteilung Performance, Technologie und Innovation angestellt und betreuen den Bereich neurozentriertes Training.

    Callsen-Bracker: Ich bin in der Akademie und bei den Nationalmannschaften der Experte für das neurozentrierte Training und als ehemaliger Fußball-Profi bringe ich den Blickwinkel aus der Praxis mit. Wenn kein Corona ist, habe ich mein Büro in Frankfurt und pendle. Derzeit bin ich im Homeoffice. Aber die Entwicklung dieses neuen Bereichs, meine Projekte sowie Workshops kann ich auch digital von zu Hause vorantreiben. Die Jugend-Nationalmannschaften haben derzeit keine Maßnahmen, aber dafür bin ich bei der A-Nationalmannschaft der Frauen als Spezialtrainer dabei. Am 21. und 24. Februar ist ein Mini-Turnier mit Belgien und den Niederlanden in Aachen und Venlo, an dem ich auch teilnehmen werde.

    Ex-FCA-Spieler Callsen-Bracker will über das Gehirn den Fußballer verbessern

    Was bedeutet denn neurozentriertes Training?

    Callsen-Bracker: Unser Gehirn ist das entscheidende Steuerungsorgan für unsere sportlichen Fähigkeiten. Es nimmt Informationen wahr, verarbeitet diese und erzeugt eine Handlung. Wenn wir die fußballerische Handlung verbessern wollen, dann können wir direkt daran arbeiten, oder, und das finde ich auch wichtig, ganz gezielt an der sensorischen Wahrnehmung und Verarbeitung. Da komme ich ins Spiel. Jeder Spieler kann sich neuronal ganz gezielt verbessern.

    Ex-FCA-Profi Jan-Ingwer Callsen-Bracker.
    Ex-FCA-Profi Jan-Ingwer Callsen-Bracker. Foto: Ulrich Wagner

    Geben Sie uns doch bitte ein konkretes Beispiel.

    Callsen-Bracker: Für ein sauberes Passspiel brauche ich einen exakten Treffmoment des Fußes mit dem Ball. Dafür muss ich ihn mit beiden Augen verfolgen und fokussieren können. Darüber hinaus muss ich auch genau fühlen, wo mein Fuß ist. Wenn ein Auge leicht abweicht, werde ich den Ball nicht so sauber treffen. Oder andersherum, wenn ich ihn klar sehe, aber nicht genau fühle, wo mein Fuß ist, bin ich auch wieder unsauber. Diese Wahrnehmungsdefizite können durch Training verbessert werden.

    Callsen-Bracker: "Unter Markus Weinzierl war der FCA schon abgeschrieben"

    Damit haben Sie sich ja schon während Ihrer Zeit als Fußball-Profi beim FCA beschäftigt. Der größte Erfolg war sicher die Teilnahme an der Europa League in der Saison 15/16. Hatten Sie damit gerechnet?

    Callsen-Bracker: Als wir in der ersten Saison unter Markus Weinzierl in der Winterpause nur neun Punkte hatten, hatten uns alle schon abgeschrieben. Aber wir schlossen die Rückrunde als Sechster mit 24 Punkten ab und blieben in der Bundesliga. Ich weiß noch ganz genau: Als Daniel Baier und ich nach dem letzten Spiel gegen Fürth im Entmüdungsbecken saßen, haben wir uns angeschaut und geschworen: Wenn wir so weitermachen, dann können wir das Gleiche schaffen wie Gladbach oder Hannover. Die Borussia blieb in der Saison 10/11 nur über die Relegation gegen Bochum in der Bundesliga und schaffte eine Saison später den Sprung ins internationale Geschäft. Hannover hat es 2011 ähnlich gemacht. Wir haben es nie öffentlich gesagt, aber für uns war klar: Wenn wir jeden Tag 100 Prozent geben, können wir das irgendwann mal schaffen. Und nur zweieinhalb Jahre später spielten wir bei Atletico Bilbao – das erste internationale Spiel des FCA in der Vereinsgeschichte.

    In der Vorrunde der Europa League lief es gut. Das letzte Spiel bei Partizan Belgrad am 10. Dezember 2015 war ein K.-o.-Spiel. Für Sie kam in der 40. Minute das jähe Aus. Nach einem Foul von Nikola Ninkovic mussten Sie mit einer schweren Sprunggelenksverletzung mit dem Golfwagen vom Platz gefahren werden.

    Callsen-Bracker: Das war damals eine schlimme Geschichte, aber das spielt für mich jetzt keine Rolle mehr. Das ist Vergangenheit.

    Callsen-Brackers Totalschaden: Wadenbeinbruch, Knorpelabscherung, Nerv durchtrennt

    Die Diagnose war niederschmetternd: Wadenbeinbruch, alle Innenbänder im Sprunggelenk durch, Knorpelabscherung, Knochenmarködem, Sehnenaufhängung gerissen und ein Nerv durchtrennt. Eigentlich bedeutete das das Karriere-Ende. Woher nahmen Sie die Energie, um sich zurückzukämpfen?

    Callsen-Bracker: Ich hatte zu dem Zeitpunkt schon sehr viel Wissen darüber, wie das Nervensystem und das Gehirn funktionieren. Ich wusste, dass man die motorische Ansteuerung trainieren kann, dass das Schmerzempfinden beeinflussbar ist und dass unser Gehirn und Nervensystem veränderbar sind. In der Fachsprache nennt sich das neuronale Plastizität. Hinzu kam, wir hatten damals eine richtige gute Phase und das gab mir so viel Motivation, um hart für ein Comeback zu arbeiten.

    Dem FCA gelang damals mit dem 3:1-Sieg in Belgrad der Sprung in die Zwischenrunde. Dort scheiterten Ihre Kollegen dann in zwei knappen Spielen gegen Liverpool. Waren Sie an der Anfield Road dabei?

    Callsen-Bracker: Nein. An weite Reisen war da noch überhaupt nicht zu denken. Ich durfte den Fuß noch nicht belasten. Natürlich habe ich zu Hause am Fernseher das Spiel voller Spannung verfolgt.

    Es hat über eineinhalb Jahre gedauert, bis Sie auf den Platz zurückkamen.

    Callsen-Bracker: Ja, ich wurde im April 2017 gegen den HSV für ein paar Minuten eingewechselt, wir haben 4:0 gewonnen. Das war schon ein tolles Gefühl.

    Zum Klassenerhalt mit Kaiserslautern hat es für Callsen-Bracker nicht gereicht

    Im Januar 2018 zum Rückrundenstart ließen Sie sich noch ein halbes Jahr zum Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern ausleihen. Warum?

    Callsen-Bracker: Ich musste mir einfach beweisen, dass ich die Wettkampfhärte noch habe. Ich hatte lange auf höchstem Niveau trainiert, aber nicht gespielt. Ich wollte Spielpraxis sammeln und auch einfach für die Leute wieder sichtbar sein. Wir haben eine gute Rückrunde gespielt, aber leider hat es zum Klassenerhalt in Kaiserslautern wegen der schlechten Hinrunde nicht gereicht. Nach meiner Rückkehr wurde ich im Januar 2019 noch einmal gegen Düsseldorf eingewechselt, ehe ich im Sommer 2019 meine Profikarriere beendet habe.

    Ein paar Monate später, am 1. Dezember 2019, wurden Sie als ehrenamtliches Mitglied in den Aufsichtsrat der FCA GmbH & Co KGaA berufen. Dorthin sind die ganzen Profiaktivitäten ausgelagert. Was sind denn dort genau Ihre Aufgaben?

    Callsen-Bracker: Als langjähriger Spieler des FCA soll ich mein fußballerisches Wissen und meine Erfahrung in das Gremium einbringen. Das ist eine spannende Aufgabe.

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