Da stand er nun etwas einsam und verlassen, direkt am Anspielkreis im Bremer Weserstadion. Während sich die Spieler von Werder Bremen nach dem 2:0-Halbfinalsieg gegen den FC Augsburg ihre Endspiel-T-Shirts überzogen und ausgelassen tanzten, wirkte Michael Thurk in Gedanken versunken.
Als er dann eine Stunde später, frisch geduscht, in der Mixed Zone nach dieser Szene gefragt wurde, antwortete er: "Ich hab mich geärgert und bin enttäuscht gewesen, dass ich einen von den Bällen nicht reingemacht habe." Drei dicke Chancen hatte der Torjäger des FCA in der besten Phase des Underdogs. Und hätte er da seinen Torriecher aktiviert, vielleicht hätte es eine Pokalüberraschung gegeben.
Sehr viele Konjunktive, aber sie zeigen auch, dass der FCA nicht weit von einer Sensation entfernt war. Eigentlich nur ein paar Zentimeter. Thurk ließ seine vergebenen Matchbälle Revue passieren: "Beim ersten konnte ich es nicht besser machen, da ging der Ball an den Pfosten. Aber in der zweiten Hälfte komm ich nach einer Flanke von Marcel (Ndjeng) nicht mit dem Kopf ran, da hab ich etwas spät reagiert. Und dann hab ich noch die Riesenchance. Ich bin natürlich enttäuscht, dass ich die nicht reinmache. Aber als Stürmer ist es halt so - wenn du ihn reinmachst, bist du der Größte, wenn nicht, bist du der Depp. Heute bin ich der Depp."
Es war kurz vor und kurz nach der Halbzeit, als der FCA seinen großen Respekt vor dem haushohen Favoriten ablegte und munter mitspielte. Thurk, mit 33 Jahren und 81 Bundesliga-Spielen und sogar Europacup-Erfahrung in den Beinen, hätte nach rund 50 Minuten dem Pokalfight eine Wende geben können.
Marcel Ndjeng hatte nach einem Flankenlauf auf der rechten Seite (aus Abseitsposition oder nicht, darüber waren sich Schiedsrichter Gräfe und sein Assistent nicht einig) nach innen geflankt und Thurk drosch den Ball aus fünf Metern über das Bremer Tor.
Sonst so abgezockt, stellte sich Thurk ungeschickt an wie ein Amateurspieler aus der A-Klasse. "Ich dachte, es ist Abseits, weil der Linienrichter mit der Fahne gewedelt hat. Und dann war ich unkonzentriert. Ich hätte den Ball sogar annehmen können, aber ich schieß ihn leider drüber. Ich denke, da wäre der Ausgleich hochverdient gewesen. Wenn wir das 1:1 machen, dann hätten wir die Möglichkeit gehabt, in 90 Minuten gewinnen zu können."
Doch das war eben der Unterschied zwischen einem Bundesliga-Spitzenteam und einem Zweitliga-Spitzenteam. Die Bremer blieben auch im dritten Spiel innerhalb weniger Tage in den entscheidenden Szenen cool und clever. Am Ende zogen sie verdient zum zehnten Mal in das Pokalfinale ein, der Traum der FCA-Spieler war geplatzt, auch wenn sie sich wahrlich nicht schlecht verkauft hatten.
Doch von den Lobeshymnen, die ein Verlierer an solch einem Abend oft bekommt, wollte Thurk nichts hören: "Nicht schlecht ist nicht gut, nicht schlecht ist nix." Im Pokal ist das so. Von Robert Götz