Es lief die 87. Minute an diesem kalten 11. Dezember 2010 im Stadion am Bornheimer Hang, der Heimat des FSV Frankfurt. 1:1 stand es zwischen dem FSV und dem FC Augsburg. Sascha Mölders, genau der Sascha Mölders, hatte damals die Gastgeber im Spitzenspiel der 2. Liga in der 49. Minute in Führung gebracht, Stephan Hain (58.) ausgeglichen. Mit einem Sieg hätte der FCA die Tabellenführung von der punktgleichen Hertha BSC übernommen. Danach sah es nicht mehr aus, als es noch eine Ecke für den FCA gab.
Linksfuß Sören Bertram schoss den Ball mit Effet von rechts in den Frankfurter Strafraum, Nando Rafael sorgte für Unruhe und Torsten Oehrl schritt zur Tat. Zuerst legte er sich mit dem Rücken zum FSV-Tor den Ball mit rechts zurecht, drehte sich dann blitzschnell und ließ Michael Klandt im Frankfurter Tor mit einem Seitfallzieher keine Chance. Der FCA gewann mit 2:1. Wenige Wochen später wurde Oehrls Treffer zum „Tor des Monats“ gewählt. Nach Valdimir Manislavic (2002) war Oehrl der zweite Profi, der diese Auszeichnung erhielt.
FCA steigt zusammen mit Hertha BSC auf
Für den FCA, so stellte sich am Saisonende heraus, war das Tor vielleicht eines der wichtigsten der Vereinsgeschichte. Denn am Ende der Saison stieg der FCA als Tabellenzweiter zusammen mit Meister Hertha BSC zum ersten Mal in die Bundesliga auf. Mit 65 Zählern punktgleich mit dem Dritten VfL Bochum, doch mit dem weitaus besseren Torverhältnis. „Der Aufstieg mit dem FCA war schon mit einer der Höhepunkte in meiner Karriere“, sagt Torsten Oehrl zehn Jahre später. Dass er daran mit einem „Tor des Monats“ einen gehörigen Anteil hatte, freut den gebürtigen Oberfranken umso mehr. „Die Medaille steht bei uns im Haus im Wohnzimmer, gut sichtbar.“
Damals setzte sich Oehrl gegen so namhafte Konkurrenten wie Andreas Ottl und Hamit Altintop, beide spielten damals beim FC Bayern München, durch. „Als wir später zusammen beim FCA gespielt haben, hat mir Andi Ottl im Spaß öfter vorgehalten, dass ich ihm die Auszeichnung weggeschnappt habe.“
Seit rund drei Jahren wohnt der inzwischen 35-jährige Oehrl mit seiner Frau und seinen zwei Kindern (9 und 6) im Forchheimer Stadtteil Reuth. Der gelernte Industriekaufmann kehrte nach dem Ende seiner Fußball-Karriere in seine fränkische Heimat zurück. Dort arbeitet er im Vertrieb für den mittelständischen Kabelschutz-Produzenten Uniwell aus Ebern (Unterfranken) in der Automobilsparte. „Derzeit im Homeoffice“, sagt er beim Telefon-Interview. Im Sommer 2010 hatte der FCA den 1,93 Meter großen Mittelstürmer vom Bundesligisten Werder Bremen geholt, zuvor war er ein halbes Jahr an den Ligakonkurrenten Fortuna Düsseldorf ausgeliehen.
Beim FC Augsburg war Oehrls coolste Zeit
Die Mission des damals 24-Jährigen in Augsburg war klar: Mithelfen beim Aufstieg in die Bundesliga. „Manager Andreas Rettig und Trainer Jos Luhukay hatten mich überzeugt. Im Nachhinein war Augsburg wohl meine coolste Zeit“, sagt Oehrl. Unter Jos Luhukay zählte er dann auch zum Stammpersonal. In der Aufstiegssaison erzielte er in 29 Punktspielen nicht nur das „Tor des Monats“, sondern noch sechs weitere Treffer. Zusammen mit Stephan Hain, Michael Thurk und Nando Rafael bildete er den zweitgefährlichsten Sturm der 2. Liga. „Die Aufstiegsfeier auf dem Rathausplatz war legendär“, erinnert sich Oehrl.
Hören Sie sich dazu auch unseren Podcast mit Florian Niederlechner von September 2020 an:
Die ersten zehn Spiele in der Bundesliga verpasste er aber mit einer Sprunggelenksverletzung, dann flog er gleich im ersten Spiel nach seiner Verletzungspause gegen Köln mit Rot vom Platz. Trotzdem baute Luhukay weiter auf Oehrl. Der FCA hielt als Aufsteiger die Klasse.
Oehrl hat noch immer Beschwerden am Sprunggelenk
Als dann aber im Sommer 2012 Markus Weinzierl das Traineramt beim FCA übernahm, wurden seine Einsatzzeiten immer weniger. An Sascha Mölders, Dong-Won Ji oder André Hahn kam Oehrl immer seltener vorbei. Ein Jahr später wechselte er zum Ligakonkurrenten Eintracht Braunschweig. Und dort nahm das Unheil seinen Lauf. Er riss sich im Wintertrainingslager im rechten Sprunggelenk eine Sehne. Er fiel fast die komplette Rückrunde aus, versuchte ein Comeback, doch die Schmerzen blieben. Es folgte eine konservative Behandlung, ehe er noch einmal operiert werden musste. „Das war ein Knackpunkt, nach der zweiten OP am Sprunggelenk war es nicht mehr so wie früher.“ Oehrl spielte dann zwar noch für Wehen Wiesbaden und dem FC Bayern München II, ehe der ehemalige Junioren-Nationalspieler im August 2017 seine Karriere nach 13 Profijahren beenden musste. Oehrl sagt im Frühjahr 2021: „Ich habe immer noch Beschwerden.“
Er hat einen hohen Preis für 55 Bundesligaspiele (1 für Werder, 43 für den FCA und 11 für Braunschweig) und einen Treffer zum „Tor des Monats“ bezahlt.
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