Wer zwei Spieltage vor Saisonende den Klassenerhalt bewerkstelligt hat, kann frühzeitig die kommende Spielzeit in der Bundesliga planen. Kann vorausblicken, über den künftigen Kader sprechen. Gerne hätten Augsburgs Trainer Martin Schmidt und Sportchef Stefan Reuter dies getan, doch die Spieler untergruben mit einem desolaten Auftritt derartige Vorhaben. Zum Ausklang zeigten sie ein weiteres Mal, dass ihnen in dieser Runde Zusammenhalt, womöglich auch Charakterstärke, fehlte. Mit 1:8 hatte der FC Augsburg das Spiel in Niedersachsen verloren - es war die höchste Pleite in seiner Bundesligageschichte.
Ein fassungsloser Schmidt rang nach Worten, Derartiges war ihm als Trainer nie zuvor widerfahren. Er mühte sich um Erklärungsversuche. „Ich muss mich entschuldigen, das war nicht akzeptabel. Wahrscheinlich waren einige Spieler vom Kopf her schon im Urlaub oder bei ihrem neuen Verein“, sagte der Schweizer. Ihm war fast peinlich, wie sich seine Spieler präsentiert hatten. Ein weiteres Gegentor und der FCA hätte den Wolfsburgern sogar noch zu Platz fünf verholfen. „Was wir geboten haben, war nicht konkurrenzfähig“, fügte Schmidt hinzu. In sechs Begegnungen betreute der 52-Jährige die Augsburger Mannschaft, der energiegeladene Motivator trieb sie zu zwei Erfolgen gegen Frankfurt und Stuttgart und sicherte vorzeitig den Ligaverbleib. Letztlich musste jedoch auch er erkennen, dass zum Klassenerhalt großteils die Schwäche der anderen beigetragen hatte.
FC Augsburg stellt mit nur 32 Punkten einen Minusrekord auf
32 Punkte bedeuteten die niedrigste Ausbeute in der achtjährigen Erstklassigkeit; und 71 Gegentreffer zeugten davon, wie sehr den Augsburgern die einstige Stärke abhanden gekommen ist: Nichts ist mehr übrig von einstiger defensiver Stabilität. In Bremen, in Freiburg, in Nürnberg und gegen Hoffenheim zeigte der FCA in der Rückserie Auflösungserscheinungen, den negativen Höhepunkt bildete das geschichtsträchtige Debakel in Wolfsburg. Dämme brachen. Mittel, Torfluten aufzuhalten, fehlten. Zwar verwiesen die Verantwortlichen darauf, dass sie in der abschließenden Partie auf eine Reihe von Stammkräften verzichten mussten, Schmidt sprach vom „letzten Aufgebot“, zudem musste Gouweleeuw in der Pause verletzt passen.
Mit Finnbogason, Khedira, Max, Stafylidis, Koo, Framberger, Jensen, Cordova und Götze fehlte tatsächlich nahezu eine Elf, den Mangel an Einstellung auf dem Platz rechtfertigte dies aber nicht, wie Schmidt betonte. „Trotzdem darf uns nicht passieren, was heute passiert ist. Von der FCA-Mentalität war nichts zu sehen“, sagte er. Reuter pflichtete ihm bei. „Wir wollen wieder den FCA sehen, der als kompakte Einheit mit Leidenschaft und Gier auftritt“, sagte der Funktionär.
Die Aufarbeitung der abgelaufenen Runde wird mehr Zeit beanspruchen als Reuter lieb sein dürfte. Vor einer Woche hatte er erklärt, den Kader punktuell zu verändern. Womöglich rückt er unter dem Eindruck der Wolfsburg-Klatsche ab. Zumindest deutete er dies an. „Es waren einige Spieler dabei, die mich sehr enttäuscht haben“, berichtete Reuter. Auch Trainer Schmidt hatte drei, vier Spieler gesehen, die mit der Saison, teils auch mit dem FCA, abgeschlossen hatten. Schmidt gestand eigene Fehler ein, manchen Spieler hätte er während der Trainingswoche besser gesehen als das Spiel gezeigt hätte. „Einen Teil der Schuld nehme ich auf mich.“ Zum künftigen Personal äußerte sich Reuter nicht, weil es noch nichts Neues zu berichten gäbe, meinte er. Fest stehen bisher die Abgänge von Ji (Mainz), Stafylidis (Hoffenheim), Callsen-Bracker und Janker. Ungewiss ist die Zukunft von Koo und Torwart Kobel, andere Stammkräfte wie Max, Finnbogason oder Gregoritsch könnten den Markt sondieren und sich nach Alternativen zum FCA umsehen.
Martin Schmidt: "Wir kommen ganz anders zurück, das kann ich euch garantieren"
Reuter und Schmidt kündigten eine lückenlose Analyse an, viel Arbeit hätten sie vor sich, meinten sie. Die Mannschaft soll nicht nur ein anderes Gesicht zeigen, sie soll wohl auch ein anderes bekommen. An einem Satz, den Trainer Schmidt in Wolfsburg von sich gab, wird er sich messen lassen müssen. Wörtlich sagte er mit erhobener Stimme: „Wir kommen ganz anders zurück, das kann ich euch garantieren.“
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