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FC Augsburg: Was die Corona-Pause für die Fußballkneipe "11er" bedeutet

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Was die Corona-Pause für die Fußballkneipe "11er" bedeutet

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    Markus Krapf in seinem leeren „11er“. Er hat zwei Probleme. Die Sportkneipe ist aufgrund der Beschränkungen geschlossen und es gibt derzeit keine Sportübertragungen.
    Markus Krapf in seinem leeren „11er“. Er hat zwei Probleme. Die Sportkneipe ist aufgrund der Beschränkungen geschlossen und es gibt derzeit keine Sportübertragungen. Foto: Ulrich Wagner

    Markus Krapf entschuldigt sich, dass es an diesem April-Vormittag im "11er" etwas kalt sei. Die Heizung ist schon länger abgedreht. Nur das Herzstück der Fußballkneipe in der Augsburger Innenstadt hat er extra eingeschaltet. Es sind drei große Flachbildschirme, auf denen jetzt das "11er"-Logo zu sehen ist. Wie er mit der unfreiwilligen Corona-Pause des Sports allgemein und des Fußballs im Speziellen umgeht, hat Krapf unserer Redaktion erzählt.

    Normalerweise läuft auf den Bildschirmen von Krapfs Kneipe Fußball oder Eishockey. Krapf sieht seinen „11er“ als Unikat in Augsburg. "In vielen anderen läuft auch ein Fernseher, aber hier ist der Sport die Geschäftsidee, ausschließlich darum dreht sich alles", sagt der Inhaber. Im vergangenen Jahr hat er die Kneipe gekauft.

    Geisterspiele in der Bundesliga sieht Krapf kritisch

    Doch seit Mitte März ist seine Geschäftsidee abgeschaltet. Die DEL mit den Augsburger Panthern hat die Eishockey-Saison abgebrochen. Die Bundesliga, mit ihm auch der FC Augsburg, hofft, die Saison mit Geisterspielen zu Ende zu bringen. "Als Unternehmer wünsche ich mir natürlich, dass die Spiele morgen wieder beginnen und alle Kneipen aufmachen dürfen", sagt Krapf mit einem leicht sarkastischen Lächeln, um gleich fortzufahren: "Als Mensch mit sozialer Verantwortung sehe ich es aber durchaus auch kritisch, dass man nun unter Ausschluss der Öffentlichkeit spielen möchte, um die Bundesliga retten. Denn eigentlich geht es aktuell nur um das große Ganze. Aber offenbar ist es sonst nicht möglich, den Großteil der Klubs zu retten."

    So ist das in diesen Tagen der Coronaepidemie, der Ausgangsbeschränkungen. Auf der einen Seite steht als oberste Prämisse, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, auf der anderen das Verlangen vieler gerade kleiner Geschäftsleute, so schnell wie möglich zum Alltag zurückzukehren, um auch wieder Geld verdienen zu können. Krapf würde das auch gerne. "Den Ausgaben stehen derzeit keine Einnahmen entgegen." Auch seine fünf Mini-Jobber, alles Studenten, müssen im Moment zuhause bleiben.

    Wo sich sonst Gäste tummeln, ist es nun leer: Markus Krapf, Wirt des "11er", in seiner Sportkneipe.
    Wo sich sonst Gäste tummeln, ist es nun leer: Markus Krapf, Wirt des "11er", in seiner Sportkneipe. Foto: Ulrich Wagner

    Krapf war einer der ersten, der sofort mit dabei war, mit dem "11er" auf der digitalen Spendenplattform für Restaurants, Kneipen, Kioske, aber auch für den Einzelhandel und inhabergeführte Unternehmen zu gehen, die der FC Augsburg zusammen mit Augsburg Marketing entwickelt hat.

    "Unser Kosmos ist der Fußball und wenn der FCA so eine tolle Aktion auf die Beine stellt, war klar, dass wir da auch mitmachen", sagt Krapf. "Wir wollen damit auch alle anderen Gastronomen animieren, sich einzutragen. Bei der 11er-Kampagne haben wir gesehen, dass diese Plattform super funktioniert, dass in dieser Stadt Solidarität herrscht." Mittlerweile können dort Dutzende von Augsburger Geschäften unterstützt werden.

    Das Spendenziel hatte der 11er innerhalb von 36 Stunden erreicht

    Das Spendenziel, 1907 Euro, das sich der 11er selbst gesetzt hat, war innerhalb von 36 Stunden erreicht. "Das war mehr ein symbolischer Wert." 1907 - das ist das Gründungsdatum des Vorgängervereins des FC Augsburg und kaum eine andere Familie in Augsburg lebt so sehr mit und auch vom FC Augsburg wie die Krapfs. Irene, die Frau des "11er-Sportdirektors", betreibt die Rosenaugaststätte und ist hier auch für das Catering der U23-Spiele des FCA zuständig.

    Und Markus Krapf ist wohl in Fußball-Deutschland der Fußball-Kneipenwirt mit dem größten Insiderwissen. Von 2002 bis 2007 arbeitete er nämlich als Geschäftsführer beim FC Augsburg.

    Als Mensch mit sozialer Verantwortung sehe ich es aber durchaus auch kritisch, dass man nun unter Ausschluss der Öffentlichkeit spielen möchte, um die Bundesliga retten.
    Als Mensch mit sozialer Verantwortung sehe ich es aber durchaus auch kritisch, dass man nun unter Ausschluss der Öffentlichkeit spielen möchte, um die Bundesliga retten. Foto: Ulrich Wagner

    Es war der Aufstieg vom Fan zum Fußball-Manager. Nach dem Zwangsabstieg 2000, als der damalige Drittligist in die Bayernliga abstürzte, inszenierten die übrig gebliebenen FCA-Fans diverse Hilfsaktionen. Darunter war auch eine Band mit dem Namen "FC Allstars". Sänger war - Markus Krapf. Ein Song hieß "So was Großes". Es wurde in diesen tristen Tagen zur Vereinshymne, die noch heute vor jedem Heimspiel läuft. Es ist ein Lied, das von den Träumen der FCA-Fans nach Erfolg erzählt, von Leidensfähigkeit und ihrer Treue zum Verein - auch in schlechten Zeiten.

    Auch durch diese Aktion wurde Walther Seinsch, der mit seinem Geld den FCA vor der Pleite gerettet hatte, auf den Journalisten und seine Freunde aufmerksam. Und als der FCA-Präsident 2002 seinen damaligen Manager Frank Aehlig feuerte, holte er Krapf als Geschäftsführer an Bord. Es war eine wilde Fahrt mit dem ehemaligen Gründer der Kik- und Takko-Modemärkte.

    Fußball FCA Geschäftsführer - Neuer Geschäftsführer und Manager des 1. FC Augsburg ist Markus Krapf (rechts). Unser Bild zeigt ihn mit dem Vorstandsvorsitzenden Walter Seinsch.
    Fußball FCA Geschäftsführer - Neuer Geschäftsführer und Manager des 1. FC Augsburg ist Markus Krapf (rechts). Unser Bild zeigt ihn mit dem Vorstandsvorsitzenden Walter Seinsch.

    Seinschs Pläne von einer reinen Fußball-Arena sorgten damals für Kopfschütteln, seit 2009 spielt der FCA in der Arena an der B17. Der Weg aus der Drittklassigkeit schien nicht enden zu wollen. Heute ist der FCA in seiner neunten Bundesliga-Saison. Krapf bediente fünf Jahre die Schalthebel. Keine einfach Aufgabe besonders mit einem schwierigen Chef wie Walther Seinsch, der seiner Idee vom Bundesliga-Standort Augsburg alles unterordnete.

    Für Krapf war nach zwei Aufstiegen in der 2. Liga Schluss

    Viele Spieler und Trainer kamen und nach zwei Aufstiegen war für Krapf 2007 in der 2. Liga Schluss. Es war ein Jahr nachdem sein Sohn Max zur Welt kam. Nur wenige Stunden nach seiner Geburt hatte Krapf für seinen Sohn den Mitgliedsantrag beim FCA unterschrieben. Trotzdem kündigte Krapf seinen Job: "Ich habe oft 16, 17 Stunden am Tag gearbeitet, Urlaub gab es so gut wie keinen. Das Thema Fußball als Arbeit war damals für mich einfach durch." Er verwirklichte seinen langjährigen Traum von einer eigenen Sportbar und machte 2007 aus der alten Domino-Pilsbar in der Dominikanergasse innerhalb von drei Wochen den "11er". 13 Jahre ist das jetzt her.

    Am besten ist die Zeitreise an der Wand hinter dem Tresen abzulesen. Fotos, Autogrammkarten persönliche Widmungen, alles steht für die Entwicklung des Augsburger Fußballs in den letzten 20 Jahren. Und keiner war näher dran als Krapf. Er zeigt auf ein Foto mit einer Bretterbude im Rosenaustadion. "Das war unser Souvenirstand, als ich angefangen habe. Der war aber nie auf, weil wir einfach nichts zu verkaufen hatten." Heute gibt es Dutzende von Merchandising-Artikel in einem großen Shop direkt unter der Geschäftsstelle am Stadion und einen Shop auf dem Weg vom Bahnhof in die Innenstadt. "Augsburg ist mittlerweile sicherlich eine echte Bundesliga-Stadt geworden", sagt Krapf. "Aber im Gegensatz zu Dortmund, Bremen oder Schalke ist hier alles immer noch eine Nummer kleiner. Da fehlen einfach noch einige Generationen, die mit dem FCA-Gen in der Muttermilch aufgezogen wurden."

    Als der Augsburger Armin Veh mit dem VfB Stuttgart 2007 Meister wurde, bestimmten die VfB-Fans das Bild im 11er, in der Ãra Klopp waren es manchmal mehr BVB-Fans als Augsburger. Generationen von Studenten gingen im 11er aus und ein. Doch so langsam entwickelten auch die FCA-Fans Selbstbewusstsein.

    Nach dem Aufstieg in die Bundesliga änderte sich für den FC Augsburg alles

    Im Mai 2011 erfolgte mit dem Bundesliga-Aufstieg dann die Initialzündung. An einem Montagabend stand Krapf mit den FC Allstars und mit der Aufstiegsmannschaft auf der Bühne auf dem Rathausplatz und spielte vor Tausenden FCA-Fans auch das Lied "So was Großes". Danach ging die Party im 11er weiter. "Das war der Tag, an dem ich gemerkt habe, da ändert sich was. Dass beispielsweise meine Nachfolger nicht mehr gefragt werden, ob sie von ihrem Job beim FCA überhaupt leben können", sagt Krapf mit einem Augenzwinkern. Die große Bundesliga hatte das kleine Augsburg erreicht und seine Fans wachgeküsst.

    Der 11er war auch für kurze Zeit die Stammkneipe der Ultras. "Das war keine so einfache Zeit für mich." Krapf schätzt die Ultras zwar für ihr soziales Engagement enorm, auch für ihren Support im Stadion, doch für sein Geschäft waren sie nicht so gut. "Das war ein unglaubliches Rein und Raus, eine ständige Bewegung, die Ultras haben einfach immer etwas zu organisieren. Irgendwann haben sie sich dann andere Hotspots gesucht, die "Väter" der Augsburger Ultrabewegung kommen aber immer noch gern vorbei."

    Heute hat er seine umsatzstärksten Tage nach den FCA-Heimspielen. Dann werden die Siege gefeiert oder der Frust nach Niederlagen ertränkt. Und natürlich drehen sich im "11er" die Gespräche um Taktik, Aufstellung und Erfolg und Misserfolg. Und gerade jetzt wären die Diskussionen über den Torhüter-Zweikampf Andreas Luthe gegen Tomas Koubek oder über den Sinn oder Unsinn des Trainerwechsels weg von Martin Schmidt hin zu Heiko Herrlich laut und hitzig.

    Doch es gibt sie nicht. Herrlich wartet immer noch auf sein Debüt. Wann es kommt? Keiner weiß es. Der Fußball ist abgeschaltet. Trotzdem, wenn woanders vom Herzstillstand im Fußball-Milieu gesprochen wird, sieht man es in Augsburg mit etwas mehr Gelassenheit. Örtliche Betäubung könnte man es auch nennen. "Es gibt natürlich Gäste, in deren Leben der FCA eine große Rolle spielt, doch ich kenne keinen, dessen Ach und Weh nur vom FCA abhängt", sagt Krapf. So sieht er auch seine eigene Situation. Die 1907 Euro, die für ihn gesammelt wurden, will er später seinen Gästen zu Gute kommen lassen. Irgendwann, wenn auf den Bildschirmen in seiner Kneipe wieder Bundesliga-Spiele zu sehen sind, und nicht nur das Logo des "11er".

    Unternehmer und Spendenwillige finden alle Informationen unter der Spendenplattform spenden-ahz2020.de.

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