Dass der Neustart der Bundesliga unter außergewöhnlichen Umständen stattfindet, zeigt sich auch bei der Spieltagspressekonferenz des FC Augsburg vor dem Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg am Samstag (15.30 Uhr). Erstmals findet sie virtuell statt. Die Journalisten sind per Livestream zugeschaltet. In dem kleinen PK-Raum, der vor genau zwei Monaten, als Heiko Herrlich als Nachfolger von Martin Schmidt vorgestellt wurde, überfüllt war, sitzen nur der neue Trainer und FCA-Pressesprecher Dominik Schmitz. Mit genügend Sicherheitsabstand und durch eine Plexiglasscheibe getrennt.
Das gehört genauso zu dem ausgeklügelten Hygienekonzept, mit dem die DFL die Politik überzeugt hat, trotz Corona den Spielbetrieb wieder aufnehmen zu dürfen, wie die Spiele ohne Zuschauer und wie die einwöchige Quarantäne der Mannschaften vor der Wiederaufnahme des Spielbetriebs. Der FCA hat sich dazu in seinem Mannschaftshotel in Bobingen (Landkreis Augsburg) nur wenige Autominuten südlich der WWK-Arena einquartiert und soll sich nach DFL-Vorgaben so weit wie möglich von der Außenwelt abschotten.
FCA-Trainer Heiko Herrlich und der Corona-Einkauf
Doch so einfach ist das mit der Isolation in der Praxis nicht, wie Herrlich am Donnerstag freimütig erzählte, dass er das Hotel verlassen hatte, um sich Hautcreme und Zahnpasta zu kaufen. "Wir sind im Hotel in Quarantäne und sollen da eigentlich auch nicht rausgehen, aber es gibt halt Situationen, die es einfach erfordern." Und dann beschrieb er detailliert seine Schwierigkeiten mit den Corona-Regeln beim Einkauf mit Maske und Einkaufswagen. Dass er seinen Mundschutz auf dem Zimmer vergessen hatte und umkehren musste.
Dass er zuerst glaubte, dass er nicht unbedingt einen Einkaufwagen brauchte und von der Verkäuferin wieder aus dem Laden geschickt wurde. Dass er erst seinen 20-Euro-Schein für das nötige Ein-Euro-Stück wechseln lassen musste. Dass er dann aber noch einmal gedankenverloren ohne Wagen ins Geschäft ging. Und dass er am Ende froh war, dass ihn die Verkäuferin trotz FCA-Trainingsanzug hinter seiner Gesichtsmaske nicht erkannt hatte. Herrlich: "Die hätte sich auch gedacht, was haben wir da für einen Trainer geholt."
Auf jeden Fall einen, der wohl nicht daran gedacht hat, dass es besser gewesen wäre, sich die Besorgung von jemand anders erledigen zu lassen. Doch Herrlich ist nach Wochen der Abstinenz nur noch auf Fußball fixiert.
Am Abend zieht Herrlich dann die Konsequenzen aus seinem Fehlverhalten. In einer Pressemitteilung gibt der FCA bekannt, dass Herrlich gegen Wolfsburg nicht auf der Bank sitzen wird. "Ich habe einen Fehler gemacht, indem ich das Hotel verlassen habe. Auch wenn ich mich sowohl beim Verlassen des Hotels als auch sonst immer an alle Hygienemaßnahmen gehalten habe, kann ich dies nicht ungeschehen machen. Ich bin in dieser Situation meiner Vorbildfunktion gegenüber meiner Mannschaft und der Öffentlichkeit nicht gerecht geworden", wird Herrlich zitiert. "Ich werde daher konsequent sein und zu meinem Fehler stehen. Ich werde aufgrund dieses Fehlverhaltens das Training morgen nicht leiten und die Mannschaft auch nicht am Samstag im Spiel gegen Wolfsburg betreuen." Damit verpasst er zum zweiten Mal sein Debut. Anscheinend ist man damit auch einer Intervention der DFL zuvor gekommen. Weitere Konsequenzen scheint es aber nicht zu geben. Der FCA teilte mit, dass in den nächsten Tagen weitere Corona-Tests durchgeführt werden und dass Herrlich nach zwei negativen Testergebnissen seine Trainingsarbeit wieder aufnehmen wird. Wer am Samstag das Kommando auf der Bank führen wird, ließ der FCA noch offen. In Frage kommen die beiden Co-Trainer Jonas Scheuermann und Tobias Zellner.
Dass Herrlich selbst so lax mit den Vorschriften umgegangen ist, verwundert. Schließlich hat er als Trainer eine besondere Vorbildfunktion und er gehört selbst zur Risikogruppe. Sein Immunsystem ist vorbelastet, seit er 2000 als Stürmer von Borussia Dortmund an einem Gehirntumor erkrankte. Eine Woche vor der Diagnose trifft er noch gegen die Bayern. Aber in der zweiten Halbzeit sieht er alles doppelt, kann die Bälle nicht mehr richtig einschätzen. Er muss zum Kernspin. Die Diagnose: Er hat einen bösartigen Tumor. Er findet Halt in seinem Glauben. Und hat Glück. Der Tumor reagiert auf die Bestrahlung und verschwindet.
2004 beendet der fünffache Nationalspieler, der mit Dortmund zweimal deutscher Meister wurde, die Champion League und den Weltpokal gewann, seine Karriere. Als Trainer arbeitet in Bochum, Unterhaching, steigt mit Regensburg in die 2. Liga auf, geht nach Leverkusen, wo er 2018 zwei Tage vor Weihnachten entlassen wird.
Herrlich will den VfL Wolfsburg überraschen - jetzt muss er zusehen
Bei Bayer ließ er oft im 4-2-3-1-System dominanten Fußball spielen. Den will er auch beim FCA im Rahmen der personellen Möglichkeiten einführen. Seine Startelf hatte er schon im Kopf. Darüber sprechen wollte er noch nicht. Er wollte Wolfsburg im Unklaren lassen, ob Tomas Koubek oder Andreas Luthe im Tor stehen wird, ob Alfred Finnbogason am Knie verletzt ist und eventuell gar nicht spielen kann. Er wollte mit einem Sieg seine Mission Klassenerhalt beginnen. Jetzt kann er nur zuschauen und hoffen, dass seine Spieler seine Ideen umsetzen können.
Am Donnerstag hatte er noch um Nachsicht gebeten, wenn die Spieler es am Samstag mit den Hygieneregeln beim Torjubel nicht so genau nehmen: "Falls es aus der Emotion heraus, der Leidenschaft und Freude doch passiert, dann darf man das dem Spieler nicht vorwerfen. Wenn wir dann anfangen, das zu kontrollieren und in den Medien zu zeigen und das denunzieren, dann sind wir in einer Sackgasse." Er selbst zog jetzt seine Konsequenzen.
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