Unmittelbar nach Schlusspfiff begann Markus Weinzierl, 46, mit der Aufarbeitung des Erlebten. Er ging über den Rasen des Stuttgarter Stadions, gratulierte artig den Siegern und richtete die Verlierer auf. Der Trainer des FC Augsburg hätte sich eine andere Verteilung der Rollen gewünscht, wäre sich lieber mit den Seinen in den Armen gelegen, statt am Boden Liegende aufmuntern zu müssen.
FCA-Sportchef Stefan Reuter: "Jetzt sind wir da, wo niemand hin will"
Der Trainerwechsel hatte sichtlich Wirkung gezeigt, die FCA-Spieler legten einen ansprechenden Auftritt hin. Agierten, statt wie in vielen Phasen der zurückliegenden Spiele passiv und lethargisch über das Grün zu schleichen. Es fehlte allerdings etwas wirklich Wichtiges: Der Trainertausch hatte nicht das angestrebte Ergebnis zur Folge.
Nach dem 1:2 (0:1) beim VfB Stuttgart müssen die Augsburger mehr denn je um den Ligaverbleib zittern, fünf sieglose Partien in einer entscheidenden Phase der Saison wirken sich verheerend aus. Noch können die Augsburger aus eigener Kraft den Klassenerhalt erreichen, aber nachdem über Wochen hinweg der Vorsprung zur Abstiegszone weggeschmolzen ist, entgleitet ihnen allmählich die Situation. FCA-Sportgeschäftsführer Stefan Reuter musste eingestehen, dass sich die Lage stetig verschärft hatte. Nüchtern stellte er fest: „Jetzt sind wir da, wo niemand hin will.“
Mit größtem Interesse werden Weinzierl, Reuter, Verantwortliche und Fans des FCA die restlichen Partien dieses Spieltags verfolgen. Reuter hatte gehofft, mit einem Erfolg und drei Punkten in Stuttgart, das Saisonziel praktisch zu erreichen. „Eigentlich gibt es nichts Schöneres, als am Freitagabend zu gewinnen, sich am Samstag mit einem Tässchen Kaffee vor den Fernseher zu setzen und sich in Ruhe die Spiele anzuschauen“, erzählte Reuter am späten Freitagabend im Bauch der Stuttgarter Arena.
Womöglich greift Reuter nun eher zum Beruhigungstee, während er übers Wochenende hinweg die Begegnungen der direkten Konkurrenten aus Bremen, Köln, Bielefeld und Berlin verfolgt. Der 54-Jährige hat große Titel gefeiert, hat die Champions League gewonnen, ist Europa- und Weltmeister geworden. In Augsburg musste er lernen, nach Minimalzielen zu eifern. Mit einem einfachen Satz erklärte er, worauf es jetzt ankomme. Darauf nämlich, das Beste aus der Situation zu machen. Und, fügte Reuter hinzu: „Jetzt gilt nichts anderes als Bremen.“
Nächsten "Endspiel" am kommenden Samstag gegen Werder Bremen
Die Erfolgsaussichten des FCA am letzten Spieltag scheinen eher gering. Bayern München wird am Tag der Meisterschalen-Übergabe kaum Geschenke verteilen, außerdem treibt Torjäger Robert Lewandowski der Müller-Rekord an. Die Augsburger sollten tunlichst alles daran setzen, zuhause gegen Werder Bremen (Samstag, 15.30 Uhr) den Klassenerhalt perfekt zu machen. Die Partie hat erneut "Endspiel"-Charakter.
Wie dieses Vorhaben gelingen könnte, demonstrierten die Augsburger gegen den VfB Stuttgart. Bekannte Weinzierl-Muster waren zu erkennen: das aggressive, kompakte Anlaufen, Balleroberungen und Umschaltspiel. Bei eigenem Ballbesitz initiierten die Augsburger ihre Angriffe über weit geschlagene Diagonalpässe, Außenverteidiger rückten nach und versuchten durch Flanken Druck auf des Gegners Gehäuse auszuüben.
Der FC Augsburg schoss 21 Mal aufs Stuttgarter Tor
Aus Sicht von Angreifer André Hahn hatten er und seine Mitspieler den Plan vielversprechend umgesetzt. Es fehlte allerdings eine Kleinigkeit. Und zwar die entscheidende. „Das Manko heute war, dass wir aus den Chancen viel zu wenig gemacht haben“, sagte Hahn. Am Ende der Partie hatten die Augsburger 21-mal aufs Stuttgarter Tor geschossen – ihr Bestwert in dieser Saison. Vor allem der umtriebige Marko Richter versuchte wiederholt, Stuttgarts Ersatztorwart Fabian Bredlow zu überwinden. Ein Drittel aller Torschüsse verbuchte der 23-Jährige, diesen fehlte allerdings Präzision. Seine beste Möglichkeit ließ Richter liegen, als er gänzlich frei aus zwölf Metern zu zentral schoss (26. Minute).
Als Florian Niederlechner nach einer knappen Stunde den verdienten Ausgleich erzielte, schien der FCA die Partie drehen zu können. Einmal mehr jedoch zeigte sich, wo unter anderem die Probleme in dieser Spielzeit liegen: im Verteidigen des eigenen Strafraums. Kein anderes Team kassiert so viele Treffer in unmittelbarer Nähe des Tores. Weder Philipp Förster (11.) noch Sturmriese Sasa Kalajdzic (74.) wurden entscheidend daran gehindert, aus wenigen Metern zu treffen.
Florian Niederlechner gibt Reece Oxford Schuld am zweiten Gegentor
Während Niederlechner deutlich ansprach, wen er für den zweiten Gegentreffer verantwortlich machte, nämlich konkret Reece Oxford, vermieden Hahn und Weinzierl solche Schuldzuweisungen. Ganz allgemein störten sie sich am ungenügenden Abwehrverhalten vor den Gegentreffern.
Weinzierl tat, was vor dem Endspiel gegen Bremen zu seinen Aufgaben gehört. Hob positive Dinge hervor, etwa die Leistung oder das Engagement, und sprach seinen Spielern Mut zu. Was er gesehen hatte, stimmte den Trainer zuversichtlich. „Die Spieler hätten es verdient gehabt zu punkten. Wenn wir noch zweimal eine solche Leistung abliefern, werden wir die nötigen Punkte holen.“
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