Dass Florian Niederlechner, 30, unter den Anhängern des FC Augsburg so hoch im Kurs steht, das hat Gründe. Sportliche natürlich. Wer auf dem Rasen den Eindruck erweckt, alles für Mannschaft und Verein zu geben, wer keinem Zweikampf aus dem Weg geht und obendrein Treffer erzielt, erfüllt Anforderungen für einen hohen Rang in der Beliebtheitsskala. Tore und Engagement allein dienen jedoch nicht als Maßstab, damit sich Fans mit Spielern identifizieren. Bayerns Robert Lewandowksi ist zweifelsohne einer der außergewöhnlichsten Fußballer auf dem Erdball. Würde man aber deshalb zwingend mit ihm ein Bier trinken wollen?
Mit Niederlechner hingegen kann man sich gut ausmalen, gesellige Stunden zu verbringen. Umgänglich, sympathisch, meist gut gelaunt, dazu noch offen und ehrlich. Beste Voraussetzungen also für ein angeregtes Gespräch. Während die heutige Generation angehender Berufskicker in Nachwuchsleistungszentren geschult wird, wie sie sich in Interviews verhalten soll, was sie sagen, vor allem aber, was sie nicht sagen soll, hat sich Niederlechner in einem Jahrzehnt Profifußball seine erfrischende Unbekümmertheit bewahrt. Sein Herz trägt er auf der Zunge – auch vor laufender Kamera. Einen weiteren Beweis dafür lieferte der Augsburger Angreifer nach der Begegnung mit dem VfB Stuttgart.
Florian Niederlechner: "Habe es null Komma null verstanden"
Der Freitagabend hatte für Niederlechner kein schönes Ende genommen. Zwischenzeitlich schien der FC Augsburg auf dem richtigen Weg. Niederlechner hatte nach einer knappen Stunde mit seinem vierten Saisontreffer den verdienten Ausgleich erzielt, er und seine Mannschaft drängten auf den zweiten Treffer. Doch just in diese Phase hinein erzielte der Gastgeber durch Sasa Kalajdzic das 2:1, das letztlich den Endstand bedeutete. „Es ist absolut bitter. Wir hängen unten drin. Und dann verlierst du so ein Spiel, dass du eigentlich nicht verlieren darfst“, sagte Niederlechner im Nachgang.
Frust hatte sich in ihm aufgestaut. Über vergebene Torchancen. Über mangelhaftes Abwehrverhalten. Und letztlich über die 1:2 (0:1)-Niederlage, die den FCA im Abstiegskampf in eine bedrohliche Lage gebracht hat. Gewinnt der FC Augsburg nicht im „Endspiel“ gegen Werder Bremen (Samstag, 15.30 Uhr), könnte die Spielzeit mit dem Abstieg in die Zweite Liga enden.
Frust hatte Niederlechner aber schon in den Wochen vor der Partie verspürt, wie er auf Nachfrage erklärte. Grund dafür: der ehemalige Trainer Heiko Herrlich. Niederlechner nutzte das Interview am Spielfeldrand der leeren Stuttgarter Arena für eine Abrechnung. Einst hatte Herrlich Niederlechner bei der SpVgg Unterhaching zum Profi gemacht, eine besondere Verbindung bestand deshalb zwischen beiden aber nicht. So lassen sich Niederlechners Ausführungen deuten.
Bei der Frage nach seinem Befinden unter Herrlich stockte der Spieler zunächst. Sagte dann, jetzt müsse er aufpassen. Als er sich gesammelt hatte, erklärte der 30-Jährige: „Das war keine leichte Zeit für mich in den letzten Wochen. Ich habe es null Komma null verstanden, weil ich in der Rückrunde wieder richtig gut drauf war.“ Dennoch beorderte Herrlich den Angreifer selten in die Startformation, oft gab er André Hahn dort den Vorzug.
Florian Niederlecher: "Habe einmal zu viel meine Meinung geäußert"
Niederlechner mutmaßte, dass seine Versetzung auf die Ersatzbank nicht unbedingt sportliche Gründe hatte. Er wurde noch deutlicher: „Ich habe leider einmal zu viel etwas gesagt und meine Meinung geäußert. Danach bin ich in den letzten Wochen draußen gehockt. Was ich leider nicht verstehen konnte, weil wir mitten im Abstiegskampf sind. Das war die Entscheidung vom Ex-Trainer, das muss man akzeptieren.“
Während Niederlechner das Verhalten seines ehemaligen Trainers kritisierte, lobte er den Umgang mit Markus Weinzierl. „Er hat mir sofort das Vertrauen geschenkt und mir gesagt, was ich machen soll.“ Der Trainer zeigte sich mit dem Auftritt seines Angreifers dann auch zufrieden. In der ersten Hälfte hatte dessen Kopfball das Ziel knapp verfehlt, in der zweiten Hälfte traf Niederlechner. „Ich habe mich für ihn gefreut“, kommentierte Weinzierl den Treffer. „Wir brauchen diese Stürmertore.“
Der Trainer und sein Spieler waren sich aber darin einig, dass sich die Freude über das Tor in Grenzen halte. Niederlechner betonte: „Ich hätte lieber einen Punkt geholt oder gewonnen.“
Hören Sie sich dazu auch unseren Podcast mit Florian Niederlechner von September 2020 an:
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