Wie lange es nun gedauert hat, bis Alfred Finnbogason das schnellste Tor in der Bundesligageschichte des FC Augsburg erzielt hat, wird sich wohl nicht ganz genau klären lassen. 32, 34, 35 oder 36 Sekunden? Das war dem Isländer am Samstag auch völlig egal. „Das ist eine schöne Geschichte. Aber Tor bleibt Tor, ob in der ersten oder 90. Minute.“ Viel wichtiger war ihm, dass nach seiner Blitz-1:0-Führung am Ende durch das erste Bundesliga-Tor von Sergio Córdova noch ein 2:2 (1:2) und damit ein Punkt gegen Borussia Mönchengladbach hängen blieb (hier der Spielbericht).
„Der Punkt ist wichtig, denn wenn du nach dem dritten oder vierten Spieltag keinen Punkt hast, dann bekommst du Druck und willst vielleicht etwas ändern“, sagte Finnbogason. Er kennt die Mechanismen der Branche zur Genüge. Doch ändern will er derzeit gar nichts. Die Abläufe stimmen beim FCA. Das zeigte auch das 1:0. Ein weiter Ball von Jeffrey Gouweleeuw, der legte auf Michael Gregoritsch ab und der bediente Finnbogason wieder. Eine kurze Körpertäuschung und ein Schuss mit links, schon hieß es 1:0. Und das Thema Torkrise war abgehakt. Der überfallartige Start war aber keineswegs Zufall. „Das üben wir im Training“, verriet Finnbogason später.
Seit Februar 2016 spielt Finnbogason nun für den FCA und er wird immer wertvoller. Nicht nur, weil er der Spezialist für die schnellen Treffer ist (gegen Wolfsburg traf er im April 2016 nach 46 Sekunden), sondern auch für die wichtigen. Acht Mal traf er schon zum 1:0. Das sind die Türöffner, die den Charakter eines Spieles oft total verändern. Wie auch am Samstag.
FCA: Finnbogason trägt nun mehr Verantwortung
Von der ersten Minute an war das Augsburger Publikum da, unterstützte das Team in der schwierigen ersten Hälfte gegen starke Gladbacher und peitschte es in der zweiten Hälfte zu einer tollen Leistung nach vorne. „Wir haben überragend gespielt in der zweiten Halbzeit“, analysierte Finnbogason später.
Er könnte in Zeiten des Umbruchs neben Kapitän Daniel Baier das Gesicht des „neuen“ FCA werden. Als dessen Stellvertreter trägt der 28-Jährige nun mehr Verantwortung. Finnbogason, der im März zum ersten Mal Vater wurde, seine Tochter heißt Victoria, ist sich dessen bewusst. „Ich habe schon in vielen Ländern und Vereinen gespielt. Ich will den jungen Spielern helfen“, erklärte er schon vor ein paar Wochen. Finnbogason trägt das Abenteuer-Gen der Isländer tief in sich. In sieben Ländern hat er schon gespielt. Er spricht neben Isländisch auch Englisch, Niederländisch, Schwedisch, Deutsch, Italienisch und Spanisch.
Und genau diese Fähigkeit könnte noch ganz wichtig werden – bei der Integration von Sergio Córdova. Der dunkelhäutige 20-jährige Venezolaner sieht zwar komplett anders aus als Finnbogason, doch von der Mentalität ähneln sich beide. Auch Córdova hat keine Angst vor Neuem, auch er versucht schnell, die Sprache seines Arbeitgebers zu lernen.
Córdova ist der Anti-Bobadilla
Finnbogason unterstützt ihn dabei. Er hat in San Sebastian Spanisch, die Muttersprache Córdovas, gelernt. Zudem hat der FCA Scout Matthias Kipke abgestellt. Der Halb-Chilene ist bei jedem Training dabei, übersetzt die Anweisungen von Trainer Manuel Baum, hilft Córdova bei den Interviews.
Córdova könnte Raúl Bobadilla, 30, bald vergessen machen. Den gebürtigen Argentinier hatte Gladbach vor wenigen Tagen für 2,5 Millionen Euro vom FCA geholt. Als Ersatz holte der FCA Córdova für eine Million Euro vom FC Caracas.
Der 20-Jährige ist zwar auch Südamerikaner, doch eigentlich ist er der Anti-Bobadilla. Während der nach fast zehn Jahren in der Schweiz und Deutschland nur leidlich Deutsch spricht, ist Córdova immer mit dem Wörterbuch unterwegs. Während es Bobadilla mit der Disziplin nie so genau nahm, zeichnet das Córdova schon vom ersten Tag an aus, sagt Trainer Baum: „Bei einem Südamerikaner denkt man ja, dass er ein Laissez-faire-Typ ist, aber das ist er gar nicht.“
Und auch auf dem Platz ist er wohl anpassungsfähiger. Ein Duo Finnbogason-Bobadilla war kaum möglich. Zwar hatte Ex-Trainer Weinzierl Bobadilla kurzzeitig die Position auf der rechten Außenbahn schmackhaft gemacht, doch eigentlich hieß es immer: Finnbogason oder Bobadilla.
Córdova: Nach der Einwechslung sofort im Sturmzentrum
Dies scheint bei Córdova nicht so zu sein. Als er eingewechselt wurde, rückte er sofort in das Sturmzentrum und Finnbogason auf die Position gleich dahinter. „Das war so abgesprochen, dass Sergio mit Caiuby auf die Kopfbälle gehen sollte und ich auf die zweiten Bälle“, erklärte Finnbogason die Umbauten, die auch griffen. Es könnte durchaus eine dauerhafte Arbeitsteilung sein.
Der Feinschliff muss aber warten. Finnbogason spielt mit Island in der WM-Qualifikation gegen Finnland und die Ukraine. Córdova erstmals mit der A-Nationalmannschaft gegen Kolumbien und Argentinien.
Als Córdova und Finnbogason sich am Samstag den Journalistenfragen stellten, marschierte Bobadilla unbehelligt Richtung Ausgang. Es war eine symbolhafte Szene. Bobadilla steht für die FCA-Vergangenheit, Córdova für die Zukunft.
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