Herr Richter, Sie reisen ins Trainingslager mit der U21-Nationalmannschaft nach Südtirol, um sich für den endgültigen EM-Kader zu empfehlen...
Marco Richter: Das Gefühl ist unglaublich, das kann ich gar nicht beschreiben. Ich habe noch nie so ein Turnier gespielt, darum will ich unbedingt dabei sein. Jetzt gilt es, alles rauszuhauen.
Wie wollen Sie DFB-Trainer Stefan Kuntz überzeugen?
Richter: Ich werde einfach zeigen, was ich kann. Die letzten Wochen beim FCA mit meinen vier Toren gegen Frankfurt und Stuttgart haben mir sehr gutgetan. Deswegen gehe ich die Woche mit Selbstbewusstsein an, auch wenn ich weiß, dass die Konkurrenz groß ist.
Wie fühlt es sich an, das Trikot mit dem Bundesadler zu tragen?
Richter: Es ist eine Riesenehre. Es ist nicht selbstverständlich. Bisher hat es ja mit den U-Nationalmannschaften nicht so geklappt, aber dafür freut es mich jetzt umso mehr.
Es ist der aufregende Abschluss eines aufregenden Fußball-Jahres. Mit 25 Bundesligaspielen und vier Toren haben Sie den Durchbruch geschafft.
Richter: Wir sind als Team gut gestartet, hatten dann leider einen Durchhänger, und zum Ende hin wurde es wieder besser, auch wenn das Saisonende den guten Eindruck wieder etwas getrübt hat. Aber wir haben den Klassenerhalt geschafft, was beim FCA oberstes Ziel ist. Nach gefühlt 120 Versuchen hat es dann auch mit den Toren bei mir geklappt. Mir sind auch sechs Assists gelungen. Deswegen war es für mich im Großen und Ganzen eine gute Saison.
Es war auch eine Saison mit vielen Turbulenzen. Im Januar wurden mit Caiuby und Martin Hinteregger zwei erfahrene Spieler suspendiert. Wie haben Sie das als junger Spieler erlebt?
Richter: Es war das erste Mal, dass ich so etwas miterlebt habe. Es war extrem hart für uns als Team, sportlich waren "Kai-Uwe" und "Hinti" wichtige Stützen für uns. Aber so viel habe ich mich dann doch nicht damit beschäftigt. Wir mussten die Situation einfach so annehmen, wie sie war. Auf jeden Fall blieb kein Platz neben mir in der Kabine frei, denn ich sitze zwischen Jozo Stanic und Alfred Finnbogason.
Im April wurde auch Trainer Manuel Baum freigestellt. Er war Ihr Förderer seit der Jugend, hat Sie dann auch im Profikader immer wieder unterstützt. Und plötzlich ist er weg.
Richter: Im Profibereich kannte ich wirklich nur Herrn Baum. Er war ein extrem wichtiger Trainer für mich, er hat mich mit nach oben genommen. Er hatte auch keine Zweifel, mich in der Bundesliga reinzuwerfen. Das war mein Glück. Dass ich das Vertrauen mit Leistung zurückgezahlt habe, konnte man dann ja auch sehen. Dass es so endete, ist natürlich sehr schade.
Beschäftigte Sie das Aus Ihres Mentors länger?
Richter: Ich habe mir schon Gedanken gemacht, was hätte man als Team besser machen können. Aber letztendlich war es eine Entscheidung des Vereins. Es war für mich eine geile Zeit unter Herrn Baum, aber jetzt ist Herr Schmidt da.
Hat Martin Schmidt mit Ihnen nach seinem Dienstantritt gesprochen?
Richter: Er hat, glaube ich, wohl mit allen Spielern persönlich gesprochen. Er hat zu mir gesagt, dass ich bei ihm wahrscheinlich mehr links in der Offensive spielen werde. Dass ich in der Offensive einfach das machen soll, auf das ich Bock habe. In der Defensive gibt es natürlich Vorgaben, aber ich soll einfach frei heraus spielen. Das hat mir viel Mut gemacht. Und ich habe es in den Spielen gegen Frankfurt und Stuttgart auch gleich gezeigt.
Sie sind jetzt im zweiten Jahr Bundesliga richtig angekommen. Leben Sie Ihren Traum?
Richter: Absolut. Es ging alles sehr schnell. Aber ich muss mich nicht zwicken, denn ich habe seit der Jugend hart darauf hingearbeitet.
Sie fahren ein cooles Auto, verdienen wahrscheinlich besser als die meisten Ihrer Freunde. Wie bleiben Sie auf dem Boden?
Richter: Ich bin nicht der Typ, der dick aufträgt, 100 Mal mit einem dicken Auto durch die Maxstraße fahren muss. So kennen mich meine Familie und meine Freunde auch nicht. Das ist kein Thema für mich.
Reflektieren Sie manchmal, was für einem privilegierten Beruf Sie nachgehen?
Richter: Meine Freunde erinnern mich schon manchmal daran. Ich genieße das Ganze schon, aber dass ich da abhebe. Nein, das mache ich nicht.
Können Sie noch unerkannt zum Shoppen oder Essen gehen?
Richter: Mich freut es einfach riesig, wenn ich erkannt werde. Am Vatertag war ich zum Beispiel bei einem F- und E-Jugendturnier des TSV Dasing, weil mich gute Freunde, die dort spielen, gefragt haben, ob ich da die Pokale verteilen könnte. Ich habe das gerne gemacht. Und es war toll, wenn sich die Jungs da richtig freuen, wenn Sie mich sehen. Viele meiner Kumpels spielen noch beim SV Mering oder beim Kissinger SC. Da bin ich einfach oft auf dem Fußballplatz.
Was haben Sie sich für die neue Saison vorgenommen?
Richter: Ich hoffe, dass ich bei der EM dabei bin. Danach will ich fit aus meinem Urlaub kommen und beim ersten Spiel voll da sein. Natürlich will ich Stammspieler werden.
Junge, deutsche Stürmer, die auch noch treffen, sind begehrt. Gab oder gibt es Angebote von anderen Klubs?
Richter: Damit beschäftige ich mich nicht allzu viel. Jetzt steht die U21-EM vor der Tür. Und dann schauen wir mal.
Persönlich hat sich für Sie auch etwas Einschneidendes verändert. Sie haben mit Ihrer Freundin Annalena im März die erste gemeinsame Wohnung bezogen. Zuvor haben Sie noch zu Hause im Kinderzimmer gewohnt.
Richter: Ja, der neue Alltag war am Anfang nicht so einfach (lacht).
Warum, erzählen Sie?
Richter: Alles einfach (lacht). Die Wäsche macht meine Freundin. Wir kochen zusammen. Das habe ich lernen müssen. Denn jetzt ist natürlich auch eine sportlergerechte Ernährung ganz wichtig. Ich kann einkaufen, was ich brauche, und ich sitze nicht mehr mit meinen zwei Schwestern und meinen Eltern am Tisch, die einfach alles essen konnten (lacht).
Sie haben selbst in einem Interview erzählt, dass Sie da früher kein Musterschüler waren. Regelmäßiges Frühstück gab es für Sie zu Beginn ihrer Karriere nicht...
Richter: Stimmt. Ich arbeite jetzt seit ungefähr einem halben Jahr mit einem Ernährungsberater zusammen. Frühstück, habe ich jetzt gelernt, ist extrem wichtig.
Ist eigentlich was aus Ihrem Kinderzimmer mit umgezogen?
Richter: Ja, schon. Die Bilderalben und die getauschten Trikots von früher, auch die aus meiner Bayern-Zeit. Das Trikot von meinem Bundesliga-Debüt hängt weiter bei meiner Mama, das hat sie nicht rausgerückt.