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FC Augsburg: FCA-Finanz-Geschäftsführer: "Das System Profifußball muss sich definitiv ändern"

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FCA-Finanz-Geschäftsführer: "Das System Profifußball muss sich definitiv ändern"

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    Michael Ströll ist Finanz-Geschäftsführer beim FC Augsburg.
    Michael Ströll ist Finanz-Geschäftsführer beim FC Augsburg. Foto: Ulrich Wagner

    Der FC Augsburg war neben Stuttgart, Mainz und Bielefeld einer von vier Bundesligisten, die ein Impulspapier zur gerechteren Verteilung der TV-Gelder erarbeitet hatten und dies dem zuständigen DFL-Präsidium zukommen ließen. Das gefiel vor allem von Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge gar nicht. Die Kritik fiel sehr heftig aus. Warum haben Sie sich das gefallen lassen und geschwiegen?

    Michael Ströll: Unser Ziel war es, Ideen intern anzuregen, diese an das Präsidium zu kommunizieren und nicht irgendwelche Forderungen nach außen zu transportieren. Das haben wir durch unsere öffentliche Zurückhaltung auch nochmals untermauert. Es ging uns ausschließlich um die Sache und nicht um mediale Ränkespiele. Wir bevorzugen eine offene mitunter auch kontroverse, aber immer zielgerichtete Diskussion innerhalb der DFL.

    Muss sich an eine veränderte Verteilung der TV-Gelder gewöhnen: Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge.
    Muss sich an eine veränderte Verteilung der TV-Gelder gewöhnen: Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge. Foto: dpa

    Wie groß ist denn die Solidarität der 36 Erst- und Zweitligisten in der DFL? Man hat den Eindruck, die DFL ist in zwei Lager gespalten.

    Ströll: Dieses Gefühl habe ich nicht. Es gibt natürlich unterschiedliche Interessenslagen, Ideen und Wünsche. Das liegt in der Natur der Sache. Aber es haben sich nicht 14 kleine Vereine zusammengetan, die nur darauf geschaut haben, dass sie vorankommen. Wir haben uns bewusst von den Einzelinteressen gelöst und uns Gedanken gemacht, was für den gesamten deutschen Profifußball Sinn machen kann. Deswegen gibt es ja zum Beispiel die neue Säule „Interesse“ bei der TV-Geld-Verteilung, an der die Vereine mit größerem Bekanntheitsgrad mehr partizipieren. Wenn wir als FCA nur unsere Vereinsbrille aufgehabt hätten, dann hätten wir dies nicht unterstützen dürfen, weil wir da sicher nicht zu den Gewinnern zählen. Eine solche Säule ist jedoch nachvollziehbar und auch fair.

    Aber die Komponente „Effektivität“, die den finanziellen Einsatz in Relation zum sportlichen Erfolg setzt, fehlt im Verteilerschlüssel. Die großen Klubs haben das wohl mit einer erfolgreichen Lobbyarbeit verhindert.

    Ströll: Wir sind überzeugt, dass es ein sehr schlüssiges und wichtiges Kriterium hätte sein können. Wir sind Verfechter davon, dass sportliche Leistung, die überproportional gut zum finanziellen Einsatz erbracht wird, neben dem absoluten Tabellenplatz ebenfalls Berücksichtigung finden sollte. Ein Argument gegen dieses Kriterium war wohl die Vergleichbarkeit. Wenn dem so ist, dann müssen Lösungen gefunden werden, die diese Vergleichbarkeit herstellen.

    Wie bewerten Sie das Gesamtergebnis?

    Ströll: Es ist ein Ergebnis, das nach einem gewissen Kompromiss aussieht. Wenn man es aber näher betrachtet, stellt man schnell fest, dass es nur kleine Schritte sind, die in die richtige Richtung zielen. Letztlich ist der Ansatz einer ausgewogeneren Verteilung nicht wirklich umgesetzt worden. Dadurch hat man im deutschen Profifußball eine große Chance vertan.

    Die Spreizung wird sich ja langfristig gar nicht verkleinern. Denn die Säule „Gleichverteilung“ wird ja nach zwei Jahren wieder von 53 auf 50 Prozent zurückgefahren. Zudem werden Klubs wie Leipzig, Leverkusen oder Wolfsburg weiter von ihren Konzernen unterstützt. Auch die Geldströme aus der Champions League und der Europa League fließen ja weiter.

    Ströll: Genauso ist es. Diese Gelder stehen zusätzlich zu den TV-Geldern aus dem Topf der DFL zur Verfügung und werden weiter dafür sorgen, dass eine zu große Spreizung vorhanden ist. Deswegen wäre eine gerechtere Verteilung eine gute Möglichkeit gewesen, Dinge in die richtige Richtung zu verändern. Das ist aber nur minimal passiert.

    Können Sie schon sagen, wie sich die neue Verteilung auf die TV-Geld-Einnahmen des FCA auswirkt?

    Ströll: Das kann man derzeit noch nicht konkret und seriös sagen. Wir werden weder ein großer Verlierer noch ein großer Gewinner sein. Darum geht es aber auch gar nicht. Es geht um mehr als die Einzelinteressen der Vereine, sondern um die zukünftige Ausrichtung des deutschen Profifußballs. Da wäre die TV-Geld-Verteilung eine wichtige Stellschraube gewesen.

    Einige Protagonisten im deutschen Profifußball, so hat man den Eindruck, ignorieren das Glaubwürdigkeitsproblem, das sich außerhalb der Fußball-Blase aufgetan hat. Die Organe der aktiven Fans fällen zum Beispiel ein vernichtendes Urteil über den neuen Verteilschlüssel.

    Ströll: Jeder, der nicht das Gefühl hat, dass der Profi-Fußball ein Glaubwürdigkeitsproblem hat, verkennt die Realitäten. In Deutschland ist das auch zum Teil hausgemacht. Es kann doch nicht sein, dass Vereine, wenn Zahlungsströme der TV-Partner ausbleiben, sofort kurz vor dem Kollaps stehen, wie im März geschehen. Auch jetzt wird wieder betont, dass Vereine massivste wirtschaftliche Probleme haben. Es waren Zeit und Möglichkeiten vorhanden, Dinge neu zu justieren, da wir uns bereits neun Monate nach Ausbruch von Corona befinden, bereits eine Transferperiode absolviert wurde und die nächste vor der Tür steht. Natürlich geht das vielleicht zulasten der sportlichen Qualität des jeweiligen Vereins. Aber dann muss man eben auch zugeben, dass man zuvor wohl ein Stück weit über seinen Verhältnissen gelebt hat. Wir geben auch nur das aus, was in der Kasse ist.

    Wie soll es jetzt weiter gehen?

    Ströll: Wir werden das als Gesellschafter innerhalb der DFL weiter thematisieren, auch wenn wir nur einer von 36 sind. Es sollte eigentlich jeder kapiert haben, dass es so nicht weitergehen kann. Es ist alles wie vorher, es hat sich bisher nichts großartig verändert. Das führt logischerweise dazu, dass Glaubwürdigkeit verloren geht.

    Fühlen Sie sich da vom DFL-Chef Christian Seifert im Stich gelassen?

    Ströll: Das ist ja keine One-Man-Show. Wir sind diesbezüglich alle in der Pflicht. Es gibt 36 Gesellschafter, ein Präsidium und weitere Gremien. Es ist schade, dass bis jetzt keine Veränderungen zu Ende diskutiert und umgesetzt worden sind. Aber das muss unmittelbar jetzt passieren, nachdem die TV-Geld-Verteilung beschlossen ist. Darunter sind auch Themen zu diskutieren, wie das Lizenzierungsverfahren gestaltet werden kann, um solche Situationen, wie wir sie im Frühjahr hatten, zu vermeiden.

    Christian Seifert, Sprecher des Präsidiums der DFL Deutsche Fußball Liga e.V., spricht im Anschluss an die DFL-Mitgliederversammlung auf einer Pressekonferenz.
    Christian Seifert, Sprecher des Präsidiums der DFL Deutsche Fußball Liga e.V., spricht im Anschluss an die DFL-Mitgliederversammlung auf einer Pressekonferenz. Foto: Arne Dedert, dpa

    Was müsste man da einbauen?

    Ströll: Wenn Vereine schon nach kleineren Zahlungsverzügen Probleme bekommen, muss man beispielsweise das Liquiditätsthema aufgreifen. Wenn Vereine mehr ausgeben, als sie sich leisten können, dann müssen wir uns Gedanken machen, ob es prozentuale Restriktionen auf der Ausgabeseite geben muss. Wir müssen diskutieren, ob eine Rücklagenbildung nicht verpflichtend sein sollte. Wir beim FCA haben es immer so praktiziert. Deswegen stehen wir auch nicht vor so enormen Problemen wie andere, wenngleich auch wir die Auswirkungen massiv spüren.

    Herr Seifert hat ja gesagt, was bisher an finanziellen Herausforderungen aufgetreten sind, war ein laues Lüftchen. Jetzt kommt erst der Sturm. Ist der FCA wetterfest?

    Ströll: Selbstverständlich müssen auch wir uns Gedanken machen, wie wir die Ausgabenseite anpassen können und wie wir die Einnahmesituation verbessern und stabilisieren können. Es muss jeder seine Hausaufgaben machen, auch wir.

    Der FCA hat bisher auf Kurzarbeit verzichten können. Wird es die in Zukunft geben?

    Ströll: Stand heute: Nein. Wir haben schon im März intern gegenüber unseren Mitarbeitern geäußert, dass uns die Stabilität der Arbeitsplätze wichtig ist. Wir wissen es zu schätzen, dass es die Möglichkeit der Kurzarbeit gibt, aber wir wollen, sofern es möglich ist, ohne staatliche Unterstützung beim Personal durch die Krise kommen.

    Ein Instrument wäre ja auch der freiwillige Gehaltsverzicht bei den Profis. Die FCA-Spieler hatten ja von April bis Juni auf einen Teil ihrer Gehälter verzichtet.

    Ströll: Natürlich ist das weiter ein Thema. Aber wir wollen seriös damit umgehen. Erst wenn wir Klarheit haben, wie die nächsten Monate aussehen, ob wir weiter ohne Zuschauer auskommen müssen, werden wir dieses Thema intern diskutieren.

    Wenn man weiter ohne Zuschauer spielen muss…

    Ströll: … dann wird sich die Wahrscheinlichkeit erhöhen.

    Die beiden Geschäftsführer des FCA könnten ja mit gutem Beispiel vorangehen.

    Natürlich. Wir haben auch im Frühjahr zusammen mit unserem Cheftrainer unmittelbar verzichtet und wollen in solchen Zeiten mit gutem Beispiel vorangehen.

    Die bestehenden Gehaltsverträge sind bindend. Aber wie werden sich die Gehälter, die Beraterhonorare und die Transfersummen entwickeln?

    Ströll: Ich glaube, die Spirale wird und muss sich zurückdrehen. Wenn man das TV-Geld vor der Corona-Pandemie und jetzt vergleicht, dann fällt die erste und zweite Liga zusammen von ca. 1,6 Milliarden auf ungefähr 1,2 Milliarden. Da kann sich jeder ausrechnen, was das für Konsequenzen für jeden einzelnen Klub nach sich zieht.

    Aber wie soll die Spirale zurückgedreht werden? Wenn der FCA zu einem Spieler sagt, tut uns leid, dieses Gehalt können wir nicht zahlen, dann steht doch der nächste Verein auf der Türschwelle.

    Ströll: Das obliegt der freien Markwirtschaft. Als Einzelner kann man das nur bedingt nachhaltig verändern. Aber man kann sich Gedanken machen, wie man das regulieren kann.

    Das klingt alles sehr düster.

    Ströll: Das System Profifußball muss sich definitiv ändern, wenn es weiter auch diese herausragende gesellschaftliche Rolle spielen will wie in der Vergangenheit. Ich habe nur leider das Gefühl, dass diese Zeichen der Zeit noch nicht jeder erkannt hat.

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