Mit Vorurteilen und Klischees zu hantieren, verbietet sich eigentlich. Sie wissen schon: Italiener sind unpünktlich, Engländer haben keine Esskultur, Deutsche halten sich beamtengleich an Recht und Ordnung und Schweizer, genau, das sind die Geruhsamen mit den Uhren.
Im Sommer des vergangenen Jahres hat Stephan Lichtsteiner seine Karriere als Profifußballer beendet, als letzte Station einer langen und erfolgreichen Laufbahn diente ihm der FC Augsburg. Lichtsteiner ist Schweizer, in Adligenswil nahe Luzern ist er geboren.
Was macht er also, nachdem er seine Fußballschuhe endgültig ausgezogen hat? Sie ahnen es. Er schult um zum, richtig, Uhrmacher. In einer Luxusuhren-Manufaktur in Zürich taucht Lichtsteiner im Rahmen eines viermonatigen Praktikums in die Welt der Zeiger und Zahnrädchen ein. Man könnte sagen: Lichtsteiner tickt jetzt anders.
Ex-FCA-Spieler Stephan Lichtsteiner will langfristig auch als Trainer arbeiten
"Es gefällt mir, keinen Druck zu haben – und dass ich hier bei Maurice de Mauriac die Chance bekomme, tiefer in eine für mich ganz neue Branche hineinzuschauen", sagte der 37-Jährige der Schweizer Boulevardzeitung Blick. Zwar bildet sich der ehemalige Nationalspieler derzeit als Trainer aus, wolle sich aber auch breit aufstellen. Erfahrungen in einer anderen Branche gehören für ihn wohl dazu. Und so sitzt Lichtsteiner auf einem Foto höchst konzentriert über eine Uhr gebeugt und friemelt mit einer Pinzette Federchen und andere Kleinstteile aus Uhrengehäusen. Wer Uhren aus diesem Atelier kauft, der bewegt sich ziemlich schnell im fünfstelligen Euro-Bereich.
Schon immer hätte dieses typisch schweizerische Handwerk ihn fasziniert, meint der ehemalige Profi. Bodenständigkeit, Zuverlässigkeit, Genauigkeit – all das passe zu seinem Charakter, ergänzt er und stellt Parallelen zwischen den Zeitmessgeräten und einer Fußballmannschaft her. Greift ein Rädchen nicht in das andere, funktioniere das Zusammenspiel nicht. Lichtsteiner: "Wenn in einer Mannschaft ein Spieler nicht funktioniert, ist der Erfolg des Teams gefährdet.“
Wer dem Schweizer Böses will, würde behaupten, mitunter hat Lichtsteiner selbst dazu beigetragen, dass der Erfolg gefährdet war.
Die ganz großen Bühnen des Fußballs hat er bespielt, hat unter anderem die Trikots von Lazio Rom, Juventus Turin und Arsenal London getragen. Hat Titel und Triumphe gefeiert.
Die Zeit beim FC Augsburg verlief für Stephan Lichtsteiner enttäuschend
Aber womöglich hätte ein früherer Zeitpunkt seines Karriereendes ihm weit besser zu Gesicht gestanden. Als der FC Augsburg im Sommer 2019 händeringend nach einem erfahrenen Spieler auf der Rechtsverteidigerposition suchte, setzte sich der damalige Trainer Martin Schmidt für seinen eidgenössischen Landsmann ein.
Das finale Profijahr Lichtsteiners in Augsburg verlief aber enttäuschend. Zwar spielte der Routinier zu Beginn regelmäßig, in der Rückrunde kam Lichtsteiner aber nur selten zum Einsatz. Für Unmut bei den FCA-Fans sorgte neben seinen mäßigen Leistungen, dass er mehr mit Schiedsrichtern diskutierte, denn sich mit seinem eigenen Wirken zu beschäftigen. Am Ende fanden es beide Parteien besser, den Ein-Jahres-Vertrag einfach auslaufen zu lassen.
Aber vom Sport kann er weiterhin nicht ganz lassen. Jetzt wird er Verwaltungsratsmitglied beim HC Lugano, einer der besten Adressen im Schweizer Eishockey, wie Maurice de Mauriac eben auch.
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