Internationale Spiele hat Andy Möller schon viele absolviert: Mit der deutschen Nationalmannschaft ist Möller Welt- und Europameister geworden. Mit Borussia Dortmund hat er die Champions League gewonnen, mit Juventus Turin den Uefa-Cup. Wie sich deutsche Mannschaften international schlagen, beobachtet der ehemalige Fußballprofi inzwischen als Experte für das Fernsehen. Beim Spiel zwischen Augsburg und Liverpool wird Möller für Sport1 im Einsatz sein. Wir haben mit ihm im Vorfeld darüber gesprochen, wie es für einen Profi ist, auf internationaler Ebene anzutreten. Und welche Chancen der FC Augsburg gegen Liverpool hat.
Herr Möller, Sie haben in Ihrer Karriere gegen zahlreiche englische Mannschaften gespielt. Was braucht es, um gegen einen englischen Verein zu bestehen?
Andreas Möller: Es braucht viel Mut. Gerade gegen englische Mannschaften weiß man, dass es körperbetonter zur Sache geht. Man braucht zudem taktische Disziplin. Der Fußball in England hat sich allerdings ein wenig verändert, weil mittlerweile sehr viele ausländische Spieler in England aktiv sind. In den 1980er-, 1990er-Jahren war der Fußball noch ein bisschen anders. Damals wurde "englische"“ gespielt, mehr raumgewinnende lange Bälle. Heute wird mehr kombiniert. Der englische Fußball, den wir von früher kennen, ist das heute nicht mehr.
Sie haben Mut, körperbetontes Spiel und taktische Disziplin angesprochen. Glauben Sie, der FC Augsburg bringt diese Eigenschaften mit?
Möller: Ja, das denke ich schon. Ich glaube, dass das ein sehr interessantes Spiel geben wird. Natürlich ist der FC Augsburg Außenseiter. Nach den Anfangsschwierigkeiten – die ersten zwei Spielen in der Europa League gingen verloren – hätte man nicht gedacht, dass der Verein noch zurückkommt. Der FC Augsburg muss dieses Spiel genießen. Es ist ein Höhepunkt in der Vereinshistorie, gegen Liverpool zu spielen. Deswegen sehe ich die Augsburger zwar als Außenseiter, aber nicht chancenlos.
Möller über FCA: Augsburg kann Achtungsergebnis erzielen
Erwarten Sie ein umkämpftes oder ein einseitiges Spiel?
Möller: Ich glaube, dass die Augsburger alles probieren werden. Sie werden den Gegner gut analysieren. Natürlich ist Liverpool eine europäische Spitzenmannschaft, die durch ihren neuen Trainer Jürgen Klopp neue Wege gehen will. Wenn der FC Augsburg aber einen Tag erwischt, an dem alles funktioniert, kann er ein Achtungsergebnis erzielen. Es ist etwas schwierig, weil ein wichtiger Spieler fehlt. Das hat man auch in den letzten FCA-Spielen gesehen.
Sie meinen Daniel Baier.
Möller: Daniel Baier, ja. Dass er fehlt, fällt schwer ins Gewicht. Trotzdem glaube ich schon, dass die Augsburger die Liverpooler Mannschaft ärgern können.
Sie haben den Trainer von Liverpool, Jürgen Klopp, angesprochen. Er trainiert den Klub nun seit einigen Monaten. Wie schlägt sich Liverpool Ihrer Meinung nach unter Jürgen Klopp?
Möller: Der ganz große Durchbruch ist dem FC Liverpool bisher verwehrt geblieben. Durchbruch soll heißen: Man hat gedacht, jetzt geht alles wieder in die richtige Richtung, jetzt kommt man wieder auf die Sonnenseite. Unter anderem durch die vielen Verletzten, die der Verein zu beklagen hat, ist dem noch nicht so. Zudem setzt Jürgen Klopp andere Maßstäbe im Spiel, gerade was das Pressing angeht. Ich denke, die Mannschaft musste sich da erst zurechtfinden. Es wird ein bisschen Zeit brauchen, bis man den FC Liverpool in der Tabelle wieder weiter vorne findet. Gerade in England ist es sehr schwierig, eine Mannschaft zu übernehmen und auf Knopfdruck wieder um die Champions-League-Plätze zu spielen. Ich glaube, man hat in Liverpool sehr nüchtern erkannt, dass vielleicht doch an mehreren Stellschrauben gedreht werden muss, um wieder in die Champions League zu kommen. Mission #jedesau: Der News-Blog zum FCA-Spiel gegen Liverpool
Aber langfristig trauen Sie Liverpool zu, wieder oben mitzuspielen?
Möller: Ich denke schon. Liverpool hat auch die finanziellen Möglichkeiten. Man wird weiter am Kader basteln und gerade im Hinblick auf die nächste Saison den Kader noch einmal aufrüsten.
Liverpools Coutinho macht den Unterschied
Zurück zum Spiel vom Donnerstag: Auf welchen Liverpooler Spieler muss der FCA besonders achtgeben?
Möller: Coutinho ist ein Spieler, der den Unterschied ausmachen kann. Er fühlt sich im Offensivbereich sehr wohl und erzielt Tore nicht nur selbst, sondern bereitet sie auch vor. Auf ihn muss Augsburg aufpassen. Liverpool ist außerdem bei Standardsituationen gefährlich und hat Tempo. Auf dem Papier sieht Liverpool wegen des großen Kaders überlegen aus. Auf dem Platz kann das jedoch durch mannschaftliche Geschlossenheit, durch Zusammenhalt und taktische Disziplin ausgeglichen werden. Die Erfahrung zeigt, dass sich englische Mannschaften, wenn sie von der Insel herunterkommen, auf dem europäischen Festland immer schwertun. Deshalb denke ich, dass der FC Augsburg gerade zuhause ein gutes Ergebnis erreichen wird.
Sie haben in Ihrer Karriere selbst viele internationale Spiele absolviert. Inwiefern ist es ein Unterschied, ob man in der Liga oder auf internationaler Ebene antritt?
Möller: Man hat in Augsburg von Anfang an gesagt, dass man die Europa League frisch und frei angeht und versucht, sich international mit Traditionsvereinen aus Europa zu messen. Ich glaube, das ist dem FC Augsburg gelungen. Es war ein Kraftakt, in der Europa League zu überwintern. Von daher ist es jetzt schon eine fantastische Leistung. Alles, was jetzt noch dazu kommt, ist für mich eine kleine Sensation. Gerade mit dem Los FC Liverpool hat die Mannschaft überhaupt nichts zu verlieren. Sie kann nur gewinnen. Wichtig ist – und das ist schwierig: Das Tagesgeschäft bleibt die Bundesliga. Und da ist Augsburg noch nicht gesichert. Das Team von Markus Weinzierl muss versuchen, nicht in einen Abstiegsstrudel hineinzukommen.
Denken Sie, eine Extrabelastung wie die Europa League könnte dazu führen, dass Augsburg letztlich stärker in den Abstiegsstrudel gerät?
Möller: Es war eine super Leistung von Augsburg, dass sie nach schlechtem Start nun wieder so dastehen. Jetzt heißt es, den nächsten Schritt zu machen und sich das nächste Ziel zu setzen. Natürlich muss Augsburg versuchen, in der Bundesliga nicht ernsthaft in Gefahr zu kommen, abzusteigen. Die internationalen Spiele muss Augsburg dagegen genießen. Aus diesen kann der Verein auch sehr viel mitnehmen: viel Erfahrung, viel Raffinesse. Die Spieler wachsen an solchen Spielen. Das bringt auf jeden Fall nur Vorteile.
Also droht durch die zusätzlichen Spiele in der Europa League keine erhöhte Abstiegsgefahr?
Möller: Nein. Ich glaube, wenn man in diesen Spielen gute Leistungen zeigt, wenn die Spieler sich durchsetzen, dann kann das auch für die Liga einen Schwung geben. Das kann dazu führen, dass Augsburg noch selbstbewusster auftritt.
Möller: Liverpool gehört zum Favoritenkreis
Wie ist es für einen Spieler, der bisher nur in der Bundesliga gespielt hat, plötzlich auf internationaler Ebene anzutreten?
Möller: Die Spieler sehen Liverpool normalerweise nur im Fernsehen. Deswegen ist das eine Herausforderung. Das setzt Kräfte frei. Es gibt nichts Schöneres, als gegen solch renommierte Mannschaften zu spielen und sich mit ihnen zu messen. Für jeden Spieler ist das, ein Höhepunkt in seiner Fußballerkarriere. Ich denke heute auch gerne an Spiele gegen Arsenal London oder Real Madrid zurück. Von der Historie und vom Namen her ist Liverpool eine Mannschaft, an die man sich auch noch nach Jahren zurückerinnert. An der Anfield Road in Liverpool ein Europapokalspiel zu bestreiten, ist etwas, wofür ein Fußballprofi trainiert und auch lebt.
Sie haben in Ihrer Karriere neben der Champions League auch den Vorgänger der Europa League, den UEFA-Cup, gewonnen. Trauen Sie das auch einer der beiden Mannschaften zu?
Möller: Ich glaube, dass Liverpool in der Tat zum Favoritenkreis gehört. Für Augsburg ist das Erreichen der Zwischenrunde schon ein großer Erfolg. Ich möchte jetzt nicht sagen, dass Augsburg nicht die Chance hätte. Aber es wäre natürlich mehr als eine Sensation. Ich finde, soweit sollte man nicht denken. Beatles-Vergleich: FCA-Fanclub sorgt mit Bild für Furore
Eine letzte Frage noch zum FC Augsburg: Ihr ehemaliger Mitspieler Christian Wörns trainiert inzwischen die zweite Mannschaft des FCA. Könnten Sie sich vorstellen, dass er eines Tages ein möglicher Nachfolger für Markus Weinzierl wird?
Möller: Das kann ich schwer sagen. Als Spieler war Christian Wörns ein absoluter Vorzeigeprofi. Auf ihn war immer Verlass. Er war ein sehr angenehmer Mannschaftskollege – wir haben ja auch in der Nationalmannschaft zusammengespielt. Ich traue ihm sicherlich zu, einmal Trainer einer Profimannschaft zu werden. Die Erfahrung als Spieler hat er und als Trainer ist er jetzt auch seit einigen Jahren mit von der Partie. Vorstellbar ist es also. Ich würde es ihm wünschen.
Interview: Niklas Molter