Andreas Luthe, 29, ist anders. Verkörpert nicht den schablonenhaften Profi, der nur im Hier und Jetzt lebt. Der jedwedem Angebot erliegt, der ein luxuriöses Leben führt und flugs vom einen zum nächsten Klub zieht. Luthe wirkt geerdet und aufgeräumt. Schon jetzt denkt er an das, was auf die Sportlerkarriere folgt, fährt zweigleisig. Er verfolgt einen Plan, der über sein Fußballerdasein hinausgeht.
Vielleicht auch deshalb, weil er das Fußballgeschäft als Quereinsteiger kennengelernt hat. Er studierte, ehe er mit 22 Jahren noch ins Profilager wechselte. Student ist Luthe weiterhin, im Fußball lief es jedoch besser als erwartet.
Nachdem er 15 Jahre für den VfL Bochum nach Bällen hechtete und die Zweitligamannschaft als Kapitän auf den Rasen führte, hat sich Luthe genau überlegt, wo er seine Torhüterkarriere fortsetzen will. „Ich habe nie gelernt und möchte es auch nicht, jedes Jahr für einen anderen Klub zu spielen. Da bin ich eigen. Kontinuität bedeutet mir viel.“ Ihm gefiel das familiäre Umfeld seines VfL, von der Putzfrau bis zum Vorstandsvorsitzenden kannte er jeden.
FCA für Luthe nicht nur Durchgangsstation
Der Abschied aus Bochum sei ihm nicht leicht gefallen, erzählt Luthe. Viele Jahre war er Stammkeeper, im Verlauf der Vorrunde verstärkte sich bei ihm dennoch der Wunsch, sich zu verändern. Reibungslos verlief der Abschied nicht, dafür sorgte Luthe selbst. Als Trainer Gertjan Verbeek ihn gegen Ende der Hinrunde auf die Bank setzte, verbreitete der netzaktive Luthe dies vor dem Spiel via Facebook und äußerte sein Unverständnis. Daraufhin beurlaubte der Verein Luthe, später durfte er zumindest wieder mittrainieren. Für Luthe ist das Thema abgehakt. „Ich kann jedem unter die Augen treten und konnte mich gut verabschieden“, beteuert er.
Dass er sich treu bleiben will und und den FC Augsburg nicht nur als Durchgangsstation sieht, verdeutlicht der Vierjahresvertrag. Im schnelllebigen Fußball eine lange Zeit. Nicht nur der Kontrakt zeigt: Luthe will länger bleiben. In Augsburgs Stadtmitte hat er schon vor ein paar Tagen eine Wohnung bezogen, er macht sich mit seinem Umfeld vertraut, findet schon problemlos den Weg zu Augsburgs Arena.
Luthe möchte eine ähnliche Bindung aufbauen wie zu seinem Ex-Verein, freut sich, neue Leute kennenzulernen, und zieht Vergleiche. „Ich schätze den FCA ähnlich familiär ein wie den VfL.“ Wenn er sich an einen Klub binde, müsse das Binnenklima passen, meint er. „Mir ist wichtig, mit Freude zur Arbeit zu fahren“, fügt Luthe hinzu. Die Gespräche mit den FCA-Verantwortlichen überzeugten ihn.
So sieht der neue Torwart des FC Augsburg seine Rolle
Schlagkräftigstes Argument dürfte jedoch ein anderes gewesen sein: die erste Liga. Mit Bochum erlebte Luthe Bundesligafußball, nach dem Abstieg 2010 versuchte er vergeblich, in die Eliteklasse zurückzukehren. Das Angebot des FCA kam zur rechten Zeit. Er sei froh, den Schritt nochmals geschafft zu haben.
Der Frage nach den persönlichen Perspektiven weicht der redegewandte 1,95-Meter-Riese aus. Der Schweizer Nationaltorwart Marwin Hitz besitzt beim FCA Nummer-eins-Status, Luthe wird sich vorerst mit der Rolle des Ersatzmannes anfreunden müssen. Der Neuling wählt überlegte Worte, die den FCA-Verantwortlichen gefallen dürften. Er wolle sich im Training anbieten, außerdem hebt er den Teamgedanken hervor. Die Torhüter betrachtet er als eigene Einheit. „Wir werden dafür sorgen, dass der, der spielt, die bestmögliche Leistung auf den Platz bringt. So sehe ich meine Rolle.“
Luthe übt sich bei seinem neuen Verein vorerst in Zurückhaltung, meint, er wolle keine großen Töne spucken. Als er seine Rückennummer wählen sollte, erkundigte er sich bei Hitz. Weil der seit jeher die 35 bevorzugt, bekam Luthe seine Wunschnummer: die Eins. Luthe betont, zu wissen, was von ihm erwartet werde, er konzentriere sich auf seinen Job. In 15 Jahren VfL sei das nicht anders gewesen.
FCA-Towart Luthe hilft Flüchtlingskindern
Luthes Leben besteht jedoch nicht nur aus Fußball. Er engagiert sich sozial, hat ein integratives Projekt ins Leben gerufen, bei dem Flüchtlingskinder und deutsche Kinder gemeinsam Torwarttraining betreiben. In Augsburg hofft er, das Projekt „In safe hands“ fortsetzen zu können.
Außerdem will er sein BWL-Studium erfolgreich abschließen. Luthe steht kurz vor der Bachelorarbeit, danach soll der Master folgen. Er habe sich vorgenommen, seine akademische Ausbildung in seiner aktiven Fußballerzeit abzuschließen. Als Stress empfinde er dies nicht. „Für mich ist das keine Last, ich mache das mit Spaß."