Ermedin Demirovic ist fast ein bisschen neidisch auf die Erstklässler der Drei-Auen-Schule in Augsburg-Oberhausen. „Ich hätte mich gefreut, wenn es damals in Hamburg so eine Aktion gegeben hätte. Ich war immer happy, wenn ich einen HSV-Spieler in der Stadt gesehen habe“, erzählt der Stürmer des FC Augsburg und lacht, während er in der Turnhalle der Schule Autogramme schreibt und Turnbeutel verteilt. „Es ist cool, ihnen so eine Freude zu machen.“
FCA besucht über 50 Schulen
Seit 2013 besuchen die Bundesliga-Profis des FCA zum Schulbeginn Schulen und verteilen Autogrammkarten, Turnbeutel, Poster. Am Donnerstag waren es über 50 in der Stadt und im Landkreis. Natürlich, um für den Verein schon kleine Fans, und damit auch ihre Eltern, zu gewinnen, aber auch, um die Schulanfänger zu motivieren.
„Für unsere Kinder ist das ein toller Schulstart“, sagt Rektorin Karin Große. Der ist für viele der 80 Erstklässler nicht so einfach. Für sie ist die Schule oft der einzige Türöffner in eine Zukunft in einem fremden Land. Fast 90 Prozent haben hier im Norden Augsburgs einen Migrationshintergrund.
Für Ermedin Demirovic ist die Schule wichtig. Früher sah er das nicht so eng
So wie Ermedin Demirovic. Seine Mutter ist in Hamburg geboren, sein Vater kommt aus dem nordwestlichen Teil von Bosnien und Herzegowina. Ermedin und sein jüngerer Bruder Semir sind in Hamburg geboren, wachsen behütet auf. Seine Eltern führten eine Modeboutique. „Schule ist extrem wichtig. Sie legt die Basis“, sagt er heute. Früher hat er es nicht so eng gesehen. „Ich bin gerne zur Schule gegangen, aber hab mich immer so durchgemogelt. Ich war nicht der allerbeste Schüler, aber ich war auch nicht der allerschlechteste.“
Demirovic: "Beim Fußball spielt die Herkunft keine Rolle"
Für ihn war der Sportunterricht in der Schule immer das Highlight. In Sachen Fußball hatte er immer die Note 1. „Wenn man gut im Fußball war, hatte man immer Gesprächsthemen. Da war die Herkunft nicht wichtig. Und man musste sich für nichts schämen, weil man wusste, man kann es gut.“ Für ihn ist Sport ein wichtiger Pfeiler der Integration. „Er verbindet.“ Beim FCA stehen 20 ausländische Profis aus 14 Ländern unter Vertrag.
Demirovic schafft die Realschule, beginnt danach mit dem Fachabitur. Doch dann setzt er auf die Karte Profifußball. Ein Schritt, der mit viel Risiko verbunden war. Mehrmals schien er zu scheitern. Doch Demirovic findet schließlich den Weg in die Bundesliga über die Umwege Spanien, Frankreich, Schweiz. Zwei Jahre spielt er beim SC Freiburg, ehe er im Sommer 2022 zum FC Augsburg wechselte. In Freiburg wurde er zum A-Nationalspieler für Bosnien-Herzegowina, nachdem er die bosnischen U-Teams durchlaufen hat. „Das war ein Kindheitstraum von mir. Ich habe früher jedes Spiel der Nationalmannschaft verfolgt und darf jetzt das Trikot der Nationalmannschaft überziehen. Das ist mehr als eine Ehre für mich. Es erfüllt mich mit viel Stolz.“ Seine Familie hat ihre Wurzeln im nordwestlichen Teil in Sanski Most und Prijedor. Zu Hause fühlt er sich aber doch fast mehr in Deutschland. „Ich bin hier geboren, ich spreche die Sprache, bin hier zur Schule gegangen. Ich fühle mich hier wohl und möchte auch nie weg.“
Ermedin Demirovic will mit Bosnien-Herzegowina zur EM in Deutschland
Darum wäre es mehr als ein Traum für ihn, mit Bosnien-Herzegowina bei der EM 2024 in Deutschland zu spielen. „Es wäre das Allergrößte.“ Allerdings gehen die Chancen über die EM-Qualifikation gegen Null. Bosnien liegt in der Gruppe J (Topteams sind dort Portugal und Slowakei) als Vierter schon fast aussichtslos zurück. Allerdings kann man sich noch über die Play-offs der Nations League qualifizieren. Die starten Ende März. „Darauf bereiten wir uns vor“, sagt Demirovic.
Letzter Auswärtssieg des FCA liegt fast ein Jahr zurück
Doch das ist noch Zukunftsmusik. Im Bundesliga-Alltag wartet am Sonntag (17.30 Uhr/DAZN) das Auswärtsspiel beim SC Freiburg auf den FCA-Kapitän und seine Mannschaft. Seit dem 2. Oktober 2022 (3:2 auf Schalke) wartet der FCA auswärts auf einen Sieg.
„Wir wollen unseren Plan durchziehen und dann endlich die Auswärtsserie beenden.“, sagt Demirovic mit Bestimmtheit. Das 2:1 gegen Mainz hat ihn bestärkt. „Wir müssen Gas geben, uns durchbeißen. Das Spiel in Freiburg könnte der Brecher werden. Unser Ziel ist, vor der Länderspielpause sechs Punkte zu holen.“ Nach Freiburg wartet noch das Heimspiel gegen Darmstadt.
Verunglückter Torjubel mit Mergim Berisha in Freiburg
In Freiburg erwartet Demirovic keinen Applaus beim Empfang. Eher Pfiffe. Grund: Bei der 1:3-Niederlage im Januar feierte er ausgerechnet vor dem Freiburg-Fanblock mit Mergim Berisha das zwischenzeitliche 1:1 mit einer abgesprochenen Choreographie. „Wir haben den Jubel schon so oft vorher gemacht. Es war unglücklich, dass wir es genau vor der Kurve gemacht hatten. Es hatte mit den Fans überhaupt nichts zu tun“, beteuert er.
Die Freiburg-Fans sahen das anders. Sein Jubelpartner ist inzwischen nach Hoffenheim weitergezogen. Für Demirovic ein herber Verlust. Privat. „Er war fast wie ein Bruder für mich. Wir waren tagtäglich zusammen.“
Er geht als FCA-Kapitän voran
Aber vor allem auch sportlich. Zusammen mit seinem kongenialen Sturmpartner erzielten sie in der vergangenen Saison über ein Drittel (Berisha neun, Demirovic acht Treffer) der FCA-Tore (42). Doch Demirovic ist jetzt FCA-Kapitän und will darum nicht lamentieren. Er muss vorangehen, Mut machen.
Nicht nur mit Toren, das tut er mit bisher drei Treffern, sondern auch mit Worten „Auf dem Platz haben wir sicher Qualität auf eine Art und Weise verloren, aber wir haben jetzt mit Phillip (Tietz) und Dion (Beljo) eben andere Qualitäten dazubekommen.."
Jubelpartner hat er bisher noch keinen neuen. „Das machen wir jetzt alle zusammen.“ Aber sicher nicht direkt vor dem Freiburger Block.