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FCA Trainingslager in Südafrika: Sport trifft Kultur

FC Augsburg

Im Trainingslager des FCA spielt Fußball eine Nebenrolle

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    Das Logo der FCA-Reise nach Südafrika. Oben links hat sich die Deutsche Fußball-Liga (DFL) ihren Platz gesichert.
    Das Logo der FCA-Reise nach Südafrika. Oben links hat sich die Deutsche Fußball-Liga (DFL) ihren Platz gesichert. Foto: Johannes Graf

    Stets liegt dieser Geruch in der Nase. Von verbranntem Gras. Die Kinder hier kennen es nicht anders. Treiben sie Sport, dann stets auf dieser Mischung aus Erde, Staub und Asche, die Schuhe, Socken und Beine mit einer rußigen Schicht überzieht. Den Rasen zu mähen, wäre zu teuer. Es ist Mittwochmorgen in der Cyril Clarke Secondary School in Mbombela. Die Sonne scheint, 28 Grad. Für die Schülerinnen und Schüler in ihren dunkelblauen Uniformen ist es kein Morgen wie jeder andere. Gäste aus Deutschland haben sich angekündigt. Als der Doppeldecker-Bus um kurz nach 10 Uhr ankommt, ist alles vorbereitet, der Spalier aus Kindern aufgebaut. Die Tür öffnet sich, es wird gejubelt und geklatscht.

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    In Südafrika bereitet sich der FC Augsburg auf die neue Saison vor. Das sind die Bilder aus dem Trainingslager in der Provinz Mpumalanga.

    Nicht zum ersten Mal werden die Fußballer des FC Augsburg dieser Tage so in Südafrika empfangen: mit einem Lachen, mit Gesängen, mit offenen Armen und ganz viel Herzlichkeit. So hat es Michael Ströll, der Geschäftsführer des FC Augsburg, erlebt, als er vor einigen Wochen erstmals in der Region Mpumalanga erschien, finale Gespräche führte, sich unter anderem auf Safari begab und letztlich seine Unterschrift unter die Verträge setzte. Und so erlebt er es auch jetzt, als er zurückkehrt - mit einem rund 60-köpfigen Tross des Fußball-Bundesligisten.

    Erstmals hält der FCA sein Trainingslager nicht in Europa ab

    In diesem Sommer betritt der FC Augsburg im Wortsinn Neuland. Erstmals hält er sein Trainingslager nicht in Europa ab, sondern Tausende Kilometer von der Heimat entfernt. Nimmermüde betonen Spieler, Trainer und Funktionäre, dass der sportliche Wert der Reise im Vordergrund stehe, andererseits macht Ströll ebenso deutlich, welchen Auftrag sein Klub im Gepäck hatte: als Markenbotschafter die Bundesliga präsentieren. „Südafrika ist ein wesentlicher Zielmarkt. Das hat die DFL so definiert“, betont Ströll. Was das bedeutet, ist gerade in den ersten Tagen zu beobachten. Fußball spielt eine Nebenrolle. Stattdessen im Zentrum des Geschehens: Bilder, Bilder, Bilder. Lob für die Gastgeber, verbreitet auf möglichst vielen innländischen Kanälen.

    FCA-Geschäftsfüher Michael Ströll (Vierter von links) und DFL-Vertreterin Joy Felicia Noppe (Vierte von rechts) mittendrin.
    FCA-Geschäftsfüher Michael Ströll (Vierter von links) und DFL-Vertreterin Joy Felicia Noppe (Vierte von rechts) mittendrin. Foto: Johannes Graf

    Als die Augsburger Profis am Flughafen Mpumalanga ankommen, richten sich TV-Kameras, Fotoapparate und Handys auf sie. Trommeln und eine traditionelle Tanzgruppe sorgt für Folklore, die Spieler tragen bunte Hüte und Oberteile mit einem eigens für die Reise entwickelten Logo auf dem Rücken. In Zusammenarbeit mit einer regionalen Künstlerin wurde die Marketingabteilung des FCA gestalterisch tätig. Berge, Meer, Sonne finden sich, aber auch der Fußball, FCA-Schriftelemente und sich reichende Hände als Zeichen der Völkerverständigung. Beim Empfang in einem Pavillon sprechen örtliche Würdenträger, sogar die südafrikanische Nationalhymne wird gesungen. Alle halten sich ans Drehbuch.

    Natürlich hat der FCA in Südafrika nicht die ganz große Strahlkraft

    Vieles hat der FCA organisiert, anderes das örtliche Tourismusbüro und TS Galaxy, der Erstligist aus Südafrika, der den FCA ursprünglich eingeladen hatte. Dessen Besitzer ist Tim Sukazi. Er weiß, wie man Geschäfte macht. Wohlhabend wurde der Macher mit Glatze und Bart mithilfe einer Anwaltskanzlei, sein Markenzeichen ist ein Hut mit Streifen in den Farben der Landesflagge. Sukazi, dessen Initialen sich im Klubnamen finden (TS), wollte einen Bundesligisten in sein Revier holen, mit dem FC Augsburg hat er diesen bekommen. Ströll hat sich vor der Reise keine Illusionen gemacht. Natürlich habe der FCA in Südafrika nicht die ganz große Strahlkraft, meinte er. „Aber die Menschen kennen die Bundesliga und den FC Augsburg und freuen sich auf uns. Dadurch wird die Reise wertvoll.“ 

    Fortune, 14, steht mit anderen Kindern auf dem Platz, der bereits beim Betreten Gefahr fürs Sprunggelenk ausstrahlt. Seine Krawatte ist verrutscht, seine Hose schmutzig. Über den Ball in der Hand freut sich der Junge mit den kurzen Haaren aber riesig. Ein Geschenk des FCA. Natürlich sei er ein Fußballfan, meint er mit einem breiten Grinsen. Dann zählt er auf: Manchester United, Manchester City, Arsenal London, Newcastle United. Und aus Deutschland? Nein, da kenne er keinen Klub. Nicht einmal den FC Bayern München. Genau das soll sich ändern. Ströll sitzt am Rande des Trainingsplatzes des Ressorts Anew in White River. Hier hat der FCA sein Quartier bezogen. Rund um das gepflegte Grün prangt das bunte Logo. Unten übt Trainer Jess Thorup mit den Spielern, etwas erhöht, unter einem Baum, bearbeitet Ströll an einem Gartentisch aus Holz und Metall E-Mails. Pauschal verteilt er ein Lob an sein Organisationsteam. Sehr viel sei sehr gut gelaufen, bekräftigt er. Aber nicht alles.

    Sichtliche Freude hatten die Spieler des FC Augsburg, als sie die Kinder in der Schule glücklich machten.
    Sichtliche Freude hatten die Spieler des FC Augsburg, als sie die Kinder in der Schule glücklich machten. Foto: Johannes Graf

    Denn während in den südafrikanischen Medien die positive Berichterstattung keine Grenzen kennt, interessiert in Deutschland ein anderes Thema. Den Spielern Kristijan Jakic und Nediljko Labrovic, die als kroatische Staatsbürger Visa benötigten, war in Südafrika die Einreise verweigert worden. Die FCA-Version sieht so aus: In Deutschland waren die Papiere in Ordnung, beim Scan in Johannesburg hingegen spuckte das System nigerianische Namen aus. Laut Erzählungen Strölls lief manches wie im Film ab: kleiner Raum, ohne Handy und Pass, kein Kontakt zur Außenwelt.

    Problem mit der Einwandererbehörde: Spieler müssen wieder nach Hause fliegen

    Seine grundsätzliche Haltung zu Südafrika habe nicht gelitten, betont der FCA-Chef, weiterhin sei er begeistert von Land und Leuten sowie deren Gastfreundschaft. Eine andere Meinung hat er zur Einwanderbehörde. „Diese fünf, sechs Stunden waren nicht einfach“, sagt er. Er habe Verständnis für die Arbeit. „Aber jemanden abzustempeln, komplett wegzuschieben, nicht mehr mit ihm zu sprechen - das ist das Thema. Mit der Art und Weise, wie damit umgegangen wurde. Weil wir faktisch nichts dafür können.“ Alle Hebel setzte der FCA in Bewegung, kontaktierte die DFL, den Deutschen Fußball-Bund (DFB) und den afrikanischen Verband CAF. Letztlich vergebens. Die Spieler flogen nach Hause, trainieren in Augsburg individuell, erst in der nächsten Woche werden sie ihre Mitspieler wiedersehen.

    FCA-Geschäftsführer Michael Ströll (Mitte) überreicht Gastgeschenke. Hier freut sich ein Schüler über ein Trikot für den Sportunterricht.
    FCA-Geschäftsführer Michael Ströll (Mitte) überreicht Gastgeschenke. Hier freut sich ein Schüler über ein Trikot für den Sportunterricht. Foto: Johannes Graf

    Kritiker sehen sich bestätigt, in Österreich wäre das nicht passiert, merken sie an. Außerdem: eine Flugreise über Dubai nach Johannesburg und weiter nach Mbombela. Der Umweltaspekt. Muss das sein? Aus Sicht der DFL und der Klubs: ja, muss es. Christoph Breuer doziert im Institut für Sportökonomie und Sportmanagement an der Sporthochschule Köln. Er erklärt, warum der FC Bayern München, Borussia Dortmund und der VfB Stuttgart in diesem Sommer nach Asien oder Eintracht Frankfurt und RB Leipzig in die USA reisen. Die Auslandsvermarktung der Bundesliga sei in kommerzieller Hinsicht vergleichsweise schwach, so Breuer. Vor allem die englische Premier League, aber auch La Liga in Spanien und die Serie A in Italien sei der Bundesliga voraus. „Die DFL verspricht sich Umsatzwachstum im Ausland, braucht dazu aber mehr Relevanz der Liga und ihrer Klubs im Ausland. Dies wird unter anderem über Auslandsreisen angestrebt.“

    Die DFL steht wegen eines geplatzten Investorendeals unter Druck

    Die DFL ist unter Druck. Erst recht, seitdem im Februar der Investorendeal geplatzt ist. Nach wochenlangen Protesten, die sich unter anderem in Form fliegender Tennisbälle zeigten, knickte die DFL ein. Für eine prozentuale Beteiligung an den TV-Erlösen wollte sie von einem Finanzinvestor eine Milliarde Euro kassieren. Mit dem Geld wollte die Dachorganisation unter anderem ihre Auslandsvermarktung vorantreiben und neue Märkte erschließen. Der FCA hatte sich beim Abstimmungsprozess enthalten - was einer Ablehnung gleichkam. Ströll hat im Vorfeld der Reise erklärt, man könne nicht dem Thema Investoren in der DFL negativ gegenüberstehen, ohne sich bei alternativen Lösungen zu engagieren. Jetzt verneint er aber, dass man seine Pflicht erfülle. „So fühlt es sich nicht an“, betont er.

    Doch wenn der FCA unterwegs ist, ist die DFL dabei. Joy Felicia Noppe, 31, arbeitete sechs Jahre für die europäische Handballföderation, seit eineinhalb Jahren ist sie bei der DFL als Manager Experiential Marketing & International Club Activities tätig. Ende Juni sollte sie schon mit dem Drittligisten Wehen Wiesbaden nach Südafrika reisen. Doch nach viereinhalb Stunden Flugzeit drehte der Flieger über der Sahara wieder um und kehrte zum Startflughafen Frankfurt zurück. Grund dafür: Triebwerkprobleme am Flugzeug. Im zweiten Anlauf hat es geklappt. Joy wirkt zufrieden. Ströll präsentierte sich im Sender SABC während der Morning-Show einem breiten TV-Publikum, der FCA engagierte sich vor Ort fürs Wasserprojekt „Football4WASH“ der deutschen Organisation Viva con Agua und bot Interviews mit Spielern an, die afrikanische Wurzeln haben. „In jedem Klub und jedem Land ist die Kultur eine andere. Uns war klar, dass wir in diesem Markt teils spontan reagieren müssen. Der familiäre Charakter des FCA und die kurzen Entscheidungswege passen da sehr gut dazu.“

    Für den FCA wird sich das Abenteuer auf jeden Fall lohnen

    Wer durch die Straßen Mbombelas fährt, der wundert sich. Mütter, die am Straßenrand Essen verkaufen, um ihre Kinder zu ernähren. Männer, die im Müll Verwertbares suchen oder Holz anbieten, mit dem die arme Bevölkerung in den Townships den Ofen ihrer Hütte beheizt. Aus DFL-Sicht schließt das eine das andere nicht aus. „Wir haben es mit einer Zielgruppe zu tun, deren Einkommen schwächer ist, die digital aber sehr gut zu erreichen ist“, sagt Noppe.

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    Zehn Spieler hat der FC Augsburg in diesem Sommer verpflichtet. Darunter sind mehrere Nationalspieler, die ab der Saison 24/25 das FCA-Trikot tragen werden.

    Für den FCA wird sich das Abenteuer auf jeden Fall lohnen. Ein Trainingslager in Österreich kostet den Klub rund 150.000 Euro. Die rund 450.000 Euro teure Reise nach Südafrika wird nicht nur über Förderprogramme der DFL gegenfinanziert, es springt sogar ein Gewinn heraus. Ob sich für die DFL die Investition lohnt, wird sich mittelfristig zeigen. Ermittelt werden fürs Ausland etwa die Einnahmen für Medienrechte und Sponsoren, die Mitgliederzahl bei deutschen Klubs, die Reichweite in den sozialen Medien oder die Merchandisingverkäufe. Uni-Professor Breuer gibt zu bedenken: „Es wäre an der Zeit zu prüfen, welche Auslandsengagements tatsächlich auf einen höheren Ligawert einzahlen, sich also tatsächlich lohnen.“

    Und die Spieler? Die fühlen sich bestens unterhalten. Statt des 20. Trainingslagers in Österreich bekommen sie ein abwechslungsreiches Programm serviert. Trainiert wurde in den ersten fünf Tagen kaum, stattdessen machten sie Kinder glücklich und befanden sich eineinhalb Tage auf Safari im Kruger-Nationalpark. Nicht nur die Profis sind begeistert von Giraffen, Löwen, Zebras und Krokodilen, die sie mit eigenen Augen sehen. Auch das Kamerateam, das sie dabei filmt.

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