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Europameisterschaft: Ausgerechnet Torhüterin Merle Frohms bleibt auf dem Boden

Europameisterschaft

Ausgerechnet Torhüterin Merle Frohms bleibt auf dem Boden

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    Merle Frohms hat bei der EM bislang noch keinen einzigen Treffer kassiert. Geht es nach der 27-Jährigen, wird das auch noch nach der Partie gegen Österreich so sein.
    Merle Frohms hat bei der EM bislang noch keinen einzigen Treffer kassiert. Geht es nach der 27-Jährigen, wird das auch noch nach der Partie gegen Österreich so sein. Foto: Sebastian Gollnow, dpa

    Auch über den Großraum London hat sich die Sommerhitze wie eine riesige Dunstglocke gelegt. Vor dem EM-Viertelfinale zwischen den Fußballerinnen aus Deutschland und Österreich in Brentford (Donnerstag 21 Uhr/ARD) sind zwar die gewässerten Trainingsplätze sattgrün, auf dem sich auch die Torhüterinnen Merle Frohms und Manuela Zinsberger vorbereiten, aber die meisten Grünflächen drumherum sind längst verdorrt. Einen Vorteil hat die eine gegenüber der anderen: Im vom Austria-Team bezogenen Pennyhill Park nahe der Ortschaft Bagshot weit weg vom Stadtzentrum stehen im Gegensatz zu dem vom DFB-Team genutzten Gelände des Grashoppers Rugby Football Club nahe Brentford viele Schatten spendende Bäume. Und gleich am Platzrand zwei Eisbäder.

    Österreichs Nummer eins ist nach der Vormittagseinheit als Erste hineingestiegen. Mit einem breiten Grinsen. Sodann nahm sie seelenruhig ihr Handy in die Hand und tippte fast eine halbe Stunde drauf herum. Auch so kann Spielvorbereitung aussehen. Die 26-Jährige hat einen besonderen Bezug zum Nachbarschaftsduell, schließlich hat sie vor ihrem Wechsel 2019 zu Arsenal WFC fünf Jahre für den FC Bayern gespielt: "Deutschland hat eine unglaubliche Performance abgeliefert in den Gruppenspielen, das hat mich gefreut – nichtsdestotrotz werde ich mich im Viertelfinale nicht für sie freuen."

    Merle Frohms hat nicht mit diesem Verlauf gerechnet

    Deutschlands Nummer eins hatte am freien Tag auf der DFB-Homepage ein Interview gegeben, in dem sie ihrer Freude über ein aus ihrer Sicht fast perfektes Turnier ohne Gegentor Ausdruck verlieh. "Das hatte ich mir vorher nicht so schön ausgemalt, aber das ist ein gutes Gefühl", sagt die 27-Jährige. So ähnlich die Grundhaltung zweier der bislang besten EM-Torhüterinnen, so grundverschieden die Typen. Die Kontraste im Kasten könnten größer kaum sein.

    Hier die eher stämmige, aber sehr präsente Zinsberger, die schon 82 Einsätze im ÖFB-Dress vorweisen kann. Seit langem Führungsfigur. Dort die feingliedrige, extrem sprungstarke Frohms, die erst 30 Länderspiele absolviert hat. Endlich Stammkraft. DFB-Kapitänin Alexandra Popp spricht bei ihr von einer "brutalen Entwicklung" im vergangenen Jahrzehnt, schließlich kennt sie Frohms aus deren Anfangszeiten beim VfL Wolfsburg, wohin sie jetzt zurückkehrt: "Sie hatte es immer echt schwer, weil sie eine Almuth Schult vor sich hatte. Aber mit dem Fuß war sie schon immer extrem stark."

    Michael Fuchs, der seit 2007 mit kurzer Unterbrechung die deutschen Torhüterinnen trainiert, sieht nach einem "tollen Einstieg ins Turnier" den Beleg erbracht, dass jede auch mit 24, 25 noch besser werden kann. "Merle hat sich technisch, taktisch und persönlich deutlich weiterentwickelt." Das war nicht immer so, weiß der 52-Jährige: "Sie hatte Probleme im Positionsmanagement, war bei hohen Bällen nicht so sicher." Der entscheidende Schub erfolgte vor zwei Jahren mit dem Wechsel von Freiburg nach Frankfurt, wo Frohms fast täglich mit Torwartcoach Marcel Schulz an Details feilte. "Heute hat sie viel mehr Werkzeuge, ist viel mutiger bei Flanken, sicherer im Raum." Über Zinsbergers Stärken will der im Juni zu den Nations-League-Spielen bei der Männer-Nationalmannschaft arbeitende Torwartexperte gar nicht so viel sagen, nur so viel: "Sie ist eine charismatische Persönlichkeit, die über ihre Emotionen kommt." Ganze zwei Gegentore in acht EM-Spielen 2017 und 2022 sprechen für sich.

    Genau wie die aus Niedersachsen (Celle) stammende Frohms vermittelt auch die aus Niederösterreich (Stockerau) kommende Zinsberger ihren Vorderleuten viel Sicherheit. Jede auf ihre Art. Frohms ist zwar lauter geworden, tritt aber abseits des Platzes bis heute zurückhaltend auf, auch wenn sie vor der Kamera längst nicht mehr so schüchtern rüberkommt wie früher. Aber sie kontrolliert, wie sie kommuniziert; lieber einen Satz zu wenig als einen zu viel.

    Manuela Zinsberger gibt sich selbstbewusst

    Zinsberger hingegen steht nach einem Match voll unter Adrenalin. Sie ist die Erste, die mit Musikbox durch die Katakomben tanzt. "Das sind wir. Mir ist komplett egal, was andere über uns denken. Das ist aber nix gegen eine andere Nation!" Sie sagt, was sie denkt. Die extrovertierte Ader gehört zu ihrer Person.

    Weder Frohms gegen Finnland (3:0) noch Zinsberger gegen Norwegen (1:0) sind zuletzt voll gefordert worden. Die Deutsche betont nun: "Ich versuche, mir nicht bewusst zu machen, dass es quasi um alles oder nichts geht. Ich habe gezeigt, dass ich unter diesem besonderen Druck bestehen kann." Die Österreicherin beteuert derweil: "Wenn ich sage, ich bekomme gegen Deutschland nichts zu tun, wäre das niveaulos. Wenn wir so eine Performance abliefern, wird es definitiv nicht einfach für Deutschland." Denn auch die rot-weiß-roten Feierbiester hätten nach dem Halbfinaleinzug bei der EM vor fünf Jahren noch Fortschritte gemacht: "Wir haben in der Breite dazugewonnen, wir haben Erfahrung, etwas Frisches und viel Freches." Das Eisbad hätte sie ruhig auch noch aufzählen können.

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