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Interview: Ex-Nationalkeeper Pielmeier über sein Ende in Ingolstadt: Ging um die Art und Weise!

Interview

Ex-Nationalkeeper Pielmeier über sein Ende in Ingolstadt: Ging um die Art und Weise!

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    Der ERC Ingolstadt hatte Timo Pielmeier aus dem Kader gestrichen.
    Der ERC Ingolstadt hatte Timo Pielmeier aus dem Kader gestrichen. Foto: Nordphoto

    Als der ERC Ingolstadt am 16. Juli 2020 mittels einer Pressemitteilung verkündete, dass man gezwungen sei, Torhüter Timo Pielmeier aus dem Spielerkader zu nehmen, war dem interessierten Beobachter bereits klar: Die einstige "Traumehe" Pielmeier/ERCI dürfte trotz eines noch bis 2022 laufenden Vertrags ab sofort der Vergangenheit angehören.

    Der der 32-Jährige hatte sich bis dahin nicht durchringen können, den von der Liga vorgeschriebenen 25-prozentigen Gehaltsverzicht zu akzeptieren – was Geschäftsführer Claus Liedy mit deutlichen Worten in der offiziellen Mitteilung des Klubs garnierte: "Alle übrigen Spieler haben die Tragweite dieser Maßnahme verstanden und sich solidarisch mit dem Club gezeigt. Lediglich unser dienstältester Spieler steht in dieser existenzbedrohten Krise nicht Schulter an Schulter mit seinem Arbeitsgeber und seinen Kameraden. Wir sind darüber sehr enttäuscht und sehen auf dieser Basis keine Möglichkeit, ihn als Teil unseres Teams wieder aufs Eis zu schicken."

    Der ERC Ingolstadt und Pielmeier haben sich nun "einvernehmlich" geeinigt

    Heute, rund acht Monate später, haben sich die beiden Parteien nach zahlreichen Gerichtsverhandlungen und Verfahren nun "einvernehmlich" geeinigt und das gemeinsame Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung für Timo Pielmeier beendet.

    Herr Pielmeier, Sie haben sich seit der Pressemitteilung des ERC Ingolstadt am 16. Juli 2020 nicht öffentlich zu Ihrer Situation geäußert. Aus welchem Grund?

    Timo Pielmeier: Nun, das hatte letztlich mehrere Gründe. Zum einen hat es sich um ein laufendes Gerichtsverfahren gehandelt. Zum anderen war ich durch meinen Arbeitsvertrag auch verpflichtet, keinen Internas nach außen zu tragen. Im Eishockey-Geschäft ist es ja ohnehin Gang und Gäbe, dass man als Spieler nicht schlecht über seinen Arbeitgeber spricht. Und genau diesem Grundsatz bin ich treu geblieben. Darüber hinaus darf man nicht vergessen, dass ich schließlich seit 2013 beim ERC Ingolstadt gespielt habe. Um so wichtiger war es daher für mich, diese Sache mit Respekt und Anstand zu beenden.

    Die Reaktionen auf den ERC-Rausschmiss waren für Pielmeier "ein Schock"

    Als der ERC Ingolstadt diese Pressemitteilung publik gemacht hat, fielen in den sozialen Netzwerken die Reaktionen der Anhänger zumeist deutlich aus. Begriffe wie "Geldgeil", "Unsolidarisch" oder "Egoistisch" machten hier die Runde. Haben Sie diese Wucht an Unmutsäußerungen erwartet beziehungsweise können Sie diese sogar nachvollziehen?

    Pielmeier: Zunächst war es für mich natürlich schon ein gewisser Schock. Aber wer diese Pressemitteilung gelesen hat, in der ich ja nicht wirklich in einem guten Licht dargestellt wurde, gelesen hat, musste natürlich unweigerlich auf den Gedanken kommen, dass mit dem Pielmeier irgendwas nicht stimmen kann. Daher konnte ich diese Reaktionen sicherlich in gewisser Weise auch nachvollziehen. Mir war eigentlich sofort bewusst, dass ich in nächster Zeit ein sehr dickes Fell brauchen würde beziehungsweise dreimal darüber nachdenken muss, bevor ich etwas sage. Auch gab es plötzlich Medien-Anfragen aus ganz Deutschland. Ehrlicherweise war ich sehr überrascht, wie viele Leute auf einmal meine Handynummer hatten.

    Zufrieden mit der Vertragsauflösung: Timo Pielmeier (2. von links) und seine Rechtsanwälte Alexander Bachmeier (links), Dr. Anselm Groda (2. von rechts) sowie Christoph Hartl (rechts).
    Zufrieden mit der Vertragsauflösung: Timo Pielmeier (2. von links) und seine Rechtsanwälte Alexander Bachmeier (links), Dr. Anselm Groda (2. von rechts) sowie Christoph Hartl (rechts). Foto: Dirk Sing

    Wie haben Sie darauf reagiert?

    Pielmeier: Ich bin ruhig geblieben und habe alles mit meiner Familie, meiner Freundin und schließlich meinen Rechtsanwälten Alexander Bachmeier und Dr. Groda besprochen.

    2019 hatte Pielmeier dem ERC Ingolstadt angeboten, den Vertrag aufzulösen

    Stichwort Wahrheit: Können Sie uns erklären, warum Sie dem von der Liga vorgegebenen 25-prozentigen Gehaltsverzicht bis Mitte Juli nicht zugestimmt haben? Bis auf eine Handvoll Spieler haben das schließlich alle DEL-Profis getan...

    Pielmeier: Nach dem Play-off-Aus im Jahr 2019 gegen die Kölner Haie habe ich dem Verein angeboten, meinen Vertrag aufzulösen und die Zusammenarbeit zu beenden. Das wurde vonseiten des ERC Ingolstadt jedoch abgelehnt. Für mich war dieses Thema danach jedoch erledigt und ich war – was ich ja auch in Interviews betont habe – fest entschlossen, meinen Vertrag beim ERC zu 100 Prozent zu erfüllen und weiterhin alles zu geben, auch wenn ich bereits zu diesem Zeitpunkt kein richtiges Vertrauen mehr gespürt habe. 2020 sollte ich dann auf einen Teil meines Gehalts verzichten.

    Wie hat sich dieser Prozess hinsichtlich des eingeforderten Gehaltsverzichts aus Ihrer Sicht gestaltet?

    Pielmeier: Für mich ging es dabei ausschließlich um die Art und Weise der Gespräche. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

    War Ihnen unmittelbar mit der offiziellen Bekanntgabe des Vereins am 16. Juli 2020, dass er Sie aus den bereits beschriebenen Gründen aus dem Profikader nehmen und nicht lizenzieren wird, sofort bewusst, welche Konsequenzen – Suspendierung, fristlose Kündigung, endgültiges Ende beim ERC Ingolstadt sowie eine einjährige Eishockey-Pause – das für Sie zur Folge haben würde?

    Pielmeier: Nein, das war mir zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst.

    Hatten Sie in den zurückliegenden Monaten trotz der für Sie unsicheren Situation die Hoffnung, bereits in dieser Saison bei einem anderen Verein wieder einzusteigen?

    Pielmeier: Ganz ehrlich: Hinsichtlich dieser Saison hatte ich eigentlich keine Hoffnung mehr, da aufgrund der Corona-Pandemie keiner wusste, wie es im deutschen Eishockey weitergeht.

    In den vergangenen Monaten hatten Sie sicherlich auch Kontakt zu ehemaligen Teamkollegen beziehungsweise Spielern aus der Deutschen Eishockey-Liga. Wie sind deren Reaktionen Ihnen gegenüber ausgefallen?

    Pielmeier: Ich habe mich in der Tat mit sehr vielen Spielern ausgetauscht. Aber jeder hat am Ende nach seiner persönlichen Situation entschieden.

    Wenn man die Situation bei den DEL-Vereinen in dieser zweifelsohne außergewöhnlichen Saison betrachtet: Neben dem bereits mehrfach angesprochenen 25-prozentigen "variablen" Gehaltsverzicht, haben die Profis an den meisten DEL-Standorten zusätzlich noch auf weitere Teile ihres Geldes verzichtet, um ihren Klubs zu helfen. Gleichzeitig wurden die Kader jedoch im weiteren Verlauf der Saison teilweise bis zur elften Import-Stelle "aufgepumpt". Glauben Sie, dass sich die Klubs damit hinsichtlich der kommenden Spielzeit – gerade wenn es um erneute Gehaltsverzichte geht – möglicherweise ins eigene Knie geschossen haben?

    Pielmeier: In meinen Augen wäre es eine perfekte Voraussetzung für die deutsche Talentförderung gewesen. Eine weitere Beurteilung dieser Situation steht mir allerdings nicht zu.

    Speziell in derartig gelagerten Fällen gibt es zum einen sicherlich die rechtliche, zum anderen aber auch – und das wird von einigen Seiten immer wieder betont – eine moralische Ebene. Sprich: Man könne ja nicht den Ast (Arbeitgeber) absägen, auf dem man (Arbeitnehmer) sitzt. Können Sie diesen Einwand nachvollziehen?

    Pielmeier: Ich möchte nochmals ganz deutlich betonen, dass es mir zu keinem Zeitpunkt auch nur annähernd darum ging, den ERC Ingolstadt finanziellen derart zu gefährden, dass er am Ende möglicherweise in eine finanzielle Schieflage gerät. Das war niemals meine Absicht.

    Was für ein Premieren-Jahr: Gleich in seiner ersten Saison holte Timo Pielmeier mit dem ERC Ingolstadt 2014 die deutsche Meisterschaft.
    Was für ein Premieren-Jahr: Gleich in seiner ersten Saison holte Timo Pielmeier mit dem ERC Ingolstadt 2014 die deutsche Meisterschaft. Foto: imago-sport

    2014 holte Pielmeier mit dem ERC Ingolstadt die deutsche Meisterschaft

    Sie waren seit 2013 beim ERC Ingolstadt: Wie schmerzhaft ist es für Sie persönlich, dass diese einstige Erfolgsgeschichte nun auf diese Art und Weise zu Ende gegangen ist?

    Pielmeier: Wenn man derart lange bei einem Verein ist, mit dem man sehr erfolgreich war beziehungsweise in einer Stadt lebt, in der man auch außerhalb der Eisfläche viele neue Freundschaften geschlossen hat, dann ist das schon hart. Wenn ich sportlich zurückblicke: 2013 bin ich im Alter von 24 Jahren von Landshut nach Ingolstadt gekommen und stand gleich in meinen ersten beiden Spielzeiten mit den Panthern im Finale um die deutsche Meisterschaft, wobei wir ja 2014 sogar den Titel sensationell nach Ingolstadt holen konnten. Von dem her würde ich schon sagen, dass diese ganze Geschichte für mich ziemlich emotional abgelaufen ist. Letztlich gehört es aber zum Sport wohl dazu, dass es nicht immer nur bergauf geht.

    Was bleibt bei Ihnen aus den sieben Jahren beim ERC Ingolstadt hängen?

    Pielmeier: Ich habe dem Verein sicherlich einiges zu verdanken. Der damalige Sportdirektor Jim Boni hat mich 2013 aus der zweiten Liga in die DEL geholt und mir die Chance gegeben, dort Fuß zu fassen. Hinzu kam, dass unser damaliger Trainer Niklas Sundblad von Anfang an voll auf mich gebaut und mir sein uneingeschränktes Vertrauen entgegengebracht hat. Unvergesslich bleibt natürlich vor allem unsere "Cinderella-Story" in der Saison 2013/2014, als wir nach Platz neun in der Hauptrunde am Ende die Meisterschaft feiern konnten. Aber auch die anschließende Vizemeisterschaft, mein Aufstieg zum Nationalspieler mit drei Weltmeisterschaften sowie der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen 2018 sind Ereignisse, die man nicht vergisst. Was mir persönlich immer sehr gut gefallen hat, war die familiäre Atmosphäre in und um den Verein. Im Laufe der Jahre hat man beispielsweise auch die Fans immer näher kennengelernt, was gerade bei Stammtischen oder Autogrammstunden riesigen Spaß gemacht hat.

    Ein Bild, das es so nicht mehr geben wird: Torhüter Timo Pielmeier.
    Ein Bild, das es so nicht mehr geben wird: Torhüter Timo Pielmeier. Foto: Johannes Traub

    Nachdem Sie in Ihren ersten vier Saisons als klare "Nummer eins" stets viele Partien abgerissen hatten (43, 51, 52, 44 Hauptrunden-Begegnungen), ändert sich dies in den darauffolgenden drei Spielzeiten (35, 25, 23). Wie haben Sie diese neue Situation und Konstellation mit zwei möglichst "gleichstarken" Torhütern wahrgenommen?

    Pielmeier: Das war die Entscheidung der Trainer – und dies habe ich respektiert, auch wenn ich natürlich gerne mehr gespielt hätte.

    Zurück zur Gegenwart: Wie intensiv verfolgen Sie denn das aktuelle Eishockey- beziehungsweise DEL-Geschehen in dieser Saison?

    Pielmeier: Ich verfolge das Geschehen in den jeweiligen Ligen schon aufmerksam und weiß daher, wer gerade wo oben steht.

    Denken oder befürchten Sie, dass Ihnen diese "Geschichte" hinsichtlich Ihrer sportlichen Zukunft – sprich bei der Suche nach einem neuen Verein – geschadet hat?

    Pielmeier: Das befürchte ich nicht. Ich bin in einem sehr guten Torhüter-Alter, mental frisch und auch körperlich topfit. In den zurückliegenden Monaten bin ich beispielsweise viel gelaufen oder habe Krafttraining gemacht. Nachdem die Fitnessstudios aufgrund der beiden Lockdowns ja die meiste Zeit geschlossen waren, hat mich mein Fitnesscoach Armin Egginger, dem ich dafür wirklich sehr dankbar bin, mit Trainingsgeräten entsprechend ausgestattet.

    Pielmeier will weiterspielen: "Solange es mein Körper mitmacht"

    Demnach steht für Sie auch fest, dass Sie Ihre Profi-Karriere definitiv fortsetzen wollen?

    Pielmeier: Für mich stand eigentlich die ganze Zeit fest, dass ich weiterspielen möchte. Ansonsten hätte ich mit Sicherheit auch nicht – wie gerade beschrieben – so hart außerhalb der Eisfläche trainiert. Ich bin jetzt 32 Jahre und will nach Möglichkeit so lange dabei bleiben, wie es mein Körper mitmacht. Von dem her gibt es auch schon die eine oder andere Option, wo ich künftig gerne spielen würde.

    Was ist Ihr Wunsch, wie die Anhänger des ERC Ingolstadt den Spieler und Menschen Timo Pielmeier in Erinnerung behalten sollten?

    Pielmeier: Ich glaube, dass mich ein Großteil der Fans kennt und weiß, wer und wie ich wirklich bin.

    Gibt es abschließend noch einige Worte, die Sie an die Öffentlichkeit richten wollen?

    Pielmeier: Ich möchte mich einfach nochmals bei allen für die tolle Zeit in Ingolstadt herzlich bedanken. Sei es bei den Fans, Sponsoren, den Mitarbeitern in und um die Saturn-Arena, den Leuten in der ERC-Geschäftsstelle oder auch den Betreuern und der medizinischen Abteilung. So etwas vergisst man in seinem Leben einfach nicht. Darüber hinaus möchte ich mich aber auch beim ERC Ingolstadt bedanken, dass wir dieses mehrmonatige Verfahren schließlich zu einem guten Ende beziehungsweise meiner vollen Zufriedenheit abgeschlossen haben.

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