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ERC Ingolstadt: Larry Mitchell: „Mein bestes Team, seit ich in der Liga bin“

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Larry Mitchell: „Mein bestes Team, seit ich in der Liga bin“

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    Auch für ihn hat sich während der Corona-Pandemie viel verändert: Ingolstadts Sportdirektor Larry Mitchell verfolgt das Training sowie die Spiele seines Teams in der Saturn-Arena mit einem Mund-/Nasenschutz.
    Auch für ihn hat sich während der Corona-Pandemie viel verändert: Ingolstadts Sportdirektor Larry Mitchell verfolgt das Training sowie die Spiele seines Teams in der Saturn-Arena mit einem Mund-/Nasenschutz. Foto: Johannes Traub

    Es waren Monate des Bangens und Hoffens. Wenn der ERC Ingolstadt am Sonntag (17 Uhr) mit dem Heimspiel gegen die Schwenninger Wild Wings endgültig in die DEL-Saison 2020/2021 startet, dürfte bei den Panther-Verantwortlichen ein regelrechter Felsbrocken vom Herzen fallen. Wir haben uns im Vorfeld dieses Auftakts mit Sportdirektor Larry Mitchell unterhalten.

    Herr Mitchell, was überwiegt bei Ihnen, wenn am Sonntag das erste Bully für den ERC Ingolstadt in der DEL-Spielzeit 2020/2021 fällt: Freude, Erleichterung oder nach wie vor die Anspannung?

    Mitchell: In erster Linie ist es sicherlich Erleichterung, dass wir überhaupt spielen. Aber natürlich herrscht bei mir auch sowohl eine gewisse Vorfreude als auch Anspannung, da es immer diese offene Frage gibt: Läuft alles gut beziehungsweise können wir die komplette Saison durchspielen? Von dem her sind es sicher gemischte Emotionen.

    Der ERC Ingolstadt hat vier Testspiele gegen Straubing und Augsburg absolviert. Haben Sie den Eindruck, dass sich das Eishockey-Spiel ohne Zuschauer verändert hat?

    Mitchell: Grundsätzlich denke ich schon, dass es gleichgeblieben ist. Natürlich würden wir alle wesentlich lieber mit Zuschauern spielen. Darüber gibt es keine zwei Meinungen. Ich denke, dass es für die Spieler gerade am Anfang ein komisches Gefühl ist, wenn sie das Eis betreten. Sobald die Scheibe jedoch zum Bully eingeworfen wird, sind die Jungs schon in der Lage, das in einer gewissen Art und Weise auszublenden. Was sich hingegen aber schon ändern könnte, ist der Heimvorteil, den Teams wie Augsburg oder Iserlohn durch die lautstarken Fans bislang hatten. Der Druck, den man dadurch beispielsweise auf die Schiedsrichter aufbauen kann, fällt natürlich weg.

    Sie haben es bereits angesprochen: Die lautstarke Begrüßung beim Betreten der Eisfläche wird ebenso fehlen wie das „Pushen“ der Spieler von den Rängen, gerade bei engen Situationen. Spielt daher die Selbst-Emotionalisierung innerhalb des Teams sowie zwischen Trainern und Spielern eine noch größere Rolle?

    Mitchell: Dem würde ich bedingt zustimmen, ja. Ich bin der Meinung, dass ein Profi-Sportler jetzt nicht unbedingt den Trainer braucht, um sich zu motivieren. Dafür sollte man schon selbst genügend Stolz besitzen. Aber klar, ohne die Zuschauer braucht man innerhalb des Teams schon gewisse Führungsspieler, die exakt diese Rolle übernehmen. Ein gutes Beispiel ist Colton Jobke. Er peitscht seine Mitspieler immer an – egal, ob er fünf oder 20 Minuten Eiszeit hat. Solche Jungs werden künftig noch wichtiger sein, wenn man beispielsweise daheim mit zwei Toren zurückliegt. In der Vergangenheit haben uns die heimischen Fans in solchen Situationen unterstützt. Jetzt sind andere Faktoren umso mehr gefragt.

    In der Fußball-Bundesliga fällt auf, dass das Spielen vor leeren Rängen für die absoluten Spitzenmannschaften in der Regel ein Vorteil ist. Lässt sich das auch auf das DEL-Eishockey mit den Topteams RedBull München und Adler Mannheim übertragen?

    Mitchell: Nun, Vereine wie München oder Mannheim sind ja bereits seit Jahren aufgrund ihrer finanziellen Voraussetzungen ohnehin im Vorteil. Was die übrigen Teams betrifft: Ich denke, dass sich das bis auf Iserlohn und Augsburg, wo es in der Regel immer sehr laut ist, eher die Waage hält. Die Vorteile von RedBull und den Adlern haben, wie bereits gesagt, eher andere Gründe.

    Stichwort Topteams: Sehen Sie den ERC Ingolstadt in dieser Saison auch in dieser Kategorie oder würden Sie die Panther eher zu den Außenseitern zählen?

    Mitchell: Nun, falls wir gesund bleiben – was in heutigen Zeiten ja ohnehin der wichtigste Begriff ist –, schätze ich uns auf dem Papier schon sehr stark ein. Wir hatten den Vorteil, noch neun Kader-Plätze offen zu haben, während gleichzeitig die Preise für Spieler gesunken sind. Die meisten Jungs wollten einfach nur spielen. Ich bin überzeugt, dass wir ein richtig gutes Team haben. Ob wir uns tatsächlich mit München oder Mannheim vergleichen können, wird man sehen.

    Sie sind seit Dezember 2007 nahezu ununterbrochen in der DEL tätig. Wenn Sie den ERCI-Kader 2020/2021 mit Ihren bisherigen Teams in Augsburg, Straubing aber auch Ingolstadt vergleichen: Wo würde dieser in Ihrem Ranking landen?

    Mitchell: Es ist definitiv das beste Team, seit ich in der Liga bin! Es gab in dieser Zeit natürlich auch andere gute Mannschaften mit starken Torhüter-Leistungen oder einem überragenden Zusammenhalt wie beispielsweise das Augsburger Vizemeister-Team 2010. Aber auf dem Papier ist der aktuelle Ingolstädter Kader sicherlich der stärkste, den ich bislang hatte.

    Wäre in „Nicht-Corona-Zeiten“ für den ERC Ingolstadt wohl nicht finanzierbar gewesen: Top-Verteidiger Morgan Ellis, der zuletzt für Dinamo Riga auf dem Eis stand.
    Wäre in „Nicht-Corona-Zeiten“ für den ERC Ingolstadt wohl nicht finanzierbar gewesen: Top-Verteidiger Morgan Ellis, der zuletzt für Dinamo Riga auf dem Eis stand. Foto: Johannes Traub

    Von einigen Experten, aber auch der Konkurrenz wurden die teilweise hochkarätigen Verpflichtungen in den zurückliegenden Wochen mit großer Verwunderung zur Kenntnis genommen. In einem bekannten Sprichwort heißt es: Neid ist die höchste Form der Anerkennung! Haben Sie diese „Anerkennung“ zuletzt wahrgenommen?

    Mitchell: (grinst) Auch wenn diese Kommentare und Äußerungen nicht ganz spurlos an einem vorbeigehen, habe ich mich im Laufe der Jahre damit abgefunden, dass sie in diesem Job einfach dazugehören. Ich habe auch gelernt, dass man eher Kritik als Lob bekommt, wobei man Letzteres natürlich bevorzugt. Während meiner aktiven Zeit habe ich mit dem Deutsch-Kanadier Gary Schwindt zusammengespielt, der seinerzeit wegen seiner Spielweise und seinen Schlägereien ziemlich umstritten war. Er hat damals zu mir gesagt: Wenn du während einer Saison keinen Leserbrief in einer Zeitung gegen dich bekommen hast, dann war es keine gute Spielzeit (lacht). Wenn heutzutage mal ein Leserbrief über mich veröffentlicht wird, muss ich jedes Mal sofort an Gary denken (lacht).

    Unter „normalen Umständen“ wäre ein derartiger Kader finanziell für den ERC Ingolstadt sicherlich nicht möglich gewesen. Lässt sich beziffern, wie deutlich dieser über Ihrem „normalen“ Budget gelegen hätte?

    Mitchell: Nachdem ich ja grundsätzlich meinen Etat nicht überschreiten darf, wäre es gar nicht so weit gekommen. Aber klar, diese Mannschaft wird es in dieser Form beim ERC künftig wohl nicht mehr geben. Natürlich hatte ich bereits im Februar, bevor die Corona-Pandemie richtig ausgebrochen ist, einen gewissen Plan. Dieser hatte unter anderem beinhaltet, dass ich einen Nummer-eins-Center verpflichten wollte, für den ich auch das nötige Geld einkalkuliert habe. Auch ein Nachfolger für Maury Edwards stand ganz oben auf meiner Liste. Der eine oder andere jetzige Neuzugang wäre daher wohl auch unter normalen Umständen zu uns gekommen, während die Breite im Kader allerdings so definitiv nicht realisierbar gewesen wäre – und es möglicherweise auch nie wieder der Fall sein wird.

    Konkret gefragt: Was erwarten Sie in dieser Saison sowohl von der Mannschaft als auch dem Trainer-Team?

    Mitchell: In erster Linie erwarte ich, dass wir uns von Woche zu Woche steigern. Man darf aber sicherlich nicht vergessen, dass wir gegenüber anderen Teams wie Mannheim oder München, die schon sehr lange auf dem Eis sind, im Nachteil sind. Daher werden gerade zu Beginn die Partien vom Kopf her geprägt sein. In dieser Phase ist vor allem das Trainer-Team gefordert, Wege zu finden, um diese Spiele zu gewinnen. Ich habe dem Coaching-Staff bereits vor den vier Vorbereitungspartien gesagt, dass mir die Ergebnisse in diesen Begegnungen völlig egal sind, sondern es hier ausschließlich um die Entwicklung der Mannschaft geht. Ab dem 20. Dezember schaut es diesbezüglich natürlich anders aus. Dann interessieren mich die Resultate sehr wohl – auch wenn ich mir bewusst bin, dass wir noch nicht in Topform sein werden. Sollten wir gesund und von Verletzungen verschont bleiben, erhoffe ich mir, dass wir spätestens Ende Januar unser wahres Gesicht zeigen können.

    Muss in den nächsten Wochen aus den vielen starken Einzelspielern eine echte Mannschaft formen: Panther-Cheftrainer Doug Shedden.
    Muss in den nächsten Wochen aus den vielen starken Einzelspielern eine echte Mannschaft formen: Panther-Cheftrainer Doug Shedden. Foto: Johannes Traub

    Der Modus in dieser Saison sieht nach einer Doppelrunde in der Süd- sowie einer Einfachrunde in der Nord-Gruppe die Play-offs im Modus „Best-of-Three“ vor. Würden Sie sagen, dass in einer verkürzten Play-off-Serie die Chance, den Favoriten aus München und Mannheim ein Bein zu stellen, größer ist als in einem „Best-of-Seven“-Format?

    Mitchell: Ja, das denke ich schon. Da eine Serie über sieben Partien in der Regel die bessere Mannschaft gewinnt, ist ein verkürztes Format für die anderen Teams sicher ein Vorteil. Was ich dagegen als Nachteil empfinde, ist die Tatsache, dass man, nachdem man innerhalb seiner Gruppe schon viermal gegen jeden Gegner gespielt hat, in der ersten Play-off-Runde nochmals gegen einen Kontrahenten aus der eigenen Gruppe ran muss, anstatt gleich „über Kreuz“ zu spielen. Das hätte ich mir anders gewünscht. Aber wie gesagt, mit einer guten Torhüter-Leistung oder starken Special Teams muss sich in einer „Best-of-Three“-Serie nicht automatisch der Favorit durchsetzen.

    Abschließend noch eine persönliche Frage: Wie hat sich eigentlich für Sie der Eishockey- beziehungsweise Arbeits-Alltag durch die Corona-Pandemie und deren Einschränkungen verändert?

    Mitchell: Ich habe mir in der Tat sehr lange überlegt, wie ich mich verhalte. Für mich ist es ein dauerhafter Spagat zwischen Geschäftsstelle und Eisstadion. Da ich in ständigem Kontakt mit den Kollegen in der Geschäftsstelle bin und beispielsweise zu Auswärtspartien ohnehin nie im Bus mitfahre, ist es in meinen Augen die beste Lösung, dass ich den Spielern anbiete, bei einem Gesprächswunsch in die Geschäftsstelle zu kommen, wo man sich in einem Besprechungsraum mit dem nötigen Abstand unterhalten kann. Trotzdem bin ich derzeit natürlich auch viel in der Saturn-Arena, um in erster Linie von der Tribüne aus mit meinem Mund-/Nasenschutz das Training zu beobachten. Vor und nach den Einheiten beziehungsweise auch Spielen bin ich weder in der Mannschafts- noch Trainer-Kabine. Wir haben in diesem Trakt eine Spieler-Lounge. Sollte sich dort gerade niemand aufhalten und jemand mit mir das Gespräch suchen, kann man das dort unter Einhaltung des Mindestabstands tun. Kurzum: Das Ganze ist auch für mich durchaus eine große Umstellung.

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