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ERC Ingolstadt: Ex-Panther Köppchen: „Ich konnte meine Schlittschuhe kaum mehr selbst binden“

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Ex-Panther Köppchen: „Ich konnte meine Schlittschuhe kaum mehr selbst binden“

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    Der Play-offs-MVP 2014 mit dem Meisterpokal: Patrick Köppchen feiert den Titel gemeinsam mit den Fans auf dem Ingolstädter Rathausbalkon.
    Der Play-offs-MVP 2014 mit dem Meisterpokal: Patrick Köppchen feiert den Titel gemeinsam mit den Fans auf dem Ingolstädter Rathausbalkon. Foto: Stefan Bösl

    Herr Köppchen, wir mussten dieses Gespräch einige Male verschieben, weil Ihnen ein paar Termine dazwischengekommen sind. Machen Eishockeyspieler sonst nicht immer einen faulen Lenz nach der Karriere?

    Patrick Köppchen: "Vom faulen Lenz kann man nicht reden. Vielleicht habe ich auch irgendetwas komplett falsch gemacht, weil ich noch arbeiten muss (lacht). Aber das Schöne ist: Ich mache es wahnsinnig gerne und habe nach dem Eishockey etwas gefunden, das ich ähnlich lieben kann wie den Sport selbst.“ 

    Sie verkaufen jetzt im Münchner Zentrum Hüte in Ihrem eigenen Atelier. Als Modemensch galten Sie ja schon immer.

    Köppchen: "Ja. Als ich noch in Hamburg gespielt habe, habe ich für die Jungs immer mal wieder T-Shirts designt. Das hat mir schon Spaß gemacht, aber wenn man sich dann mal näher mit der Materie befasst, merkt man, wie schwer es ist, da mit den großen Jungs mitzuspielen.“

    Und dann ausgerechnet Hüte?

    Köppchen: "Während meiner Zeit in Ingolstadt habe ich vor acht, neun Jahren meinen jetzigen Geschäftspartner Gabriel Schütt auf einer Super Bowl Party in München kennengelernt. Der Kontakt ist dann ein wenig abgebrochen, als ich nach Nürnberg und Düsseldorf gewechselt bin. Ich wollte dann nach dem Karriereende eigentlich Fitnesstrainer der Düsseldorfer EG werden. Aber während der Lehrgänge kam ich ins Überlegen, doch etwas ganz anderes zu machen, vielleicht ein bisschen was von der Welt zu sehen. Und da kam Gabriel mit einem Anruf und der Idee, Hüte zu machen. Richtige Zeit, richtiger Ort, würde ich sagen.“ 

    Und als Hutmacher kann man die Welt sehen?

    Köppchen: "Ja, ich bin für ein paar Wochen nach Australien zu einer Hutmacherin geflogen und habe das Handwerk sehr genau beigebracht bekommen. Wir haben uns dann auch in der Schweiz und in Österreich weitergebildet. Früher konnte ich noch nicht mal meinen Schläger gerade absägen. Das mussten die Betreuer für mich machen. Ich wusste nicht mal, wie eine Nähmaschine aussieht. Aber mittlerweile ist dieser Job so alltäglich wie damals der Gang in die Eishockeykabine.“

    Früher wusste Patrick Köppchen nicht einmal, wie eine Nähmaschine aussieht. Heute nutzt er sie täglich, um Hüte herzustellen.
    Früher wusste Patrick Köppchen nicht einmal, wie eine Nähmaschine aussieht. Heute nutzt er sie täglich, um Hüte herzustellen. Foto: Privat

    Sie machen regelmäßig Hüte für alte Eishockeykollegen. Wer hat denn den größten Dickschädel?

    Köppchen: (lacht) "Das kann ich gar nicht sagen. Mir ist zumindest nichts in Erinnerung geblieben. Die Torhüter sind es jedenfalls nicht. Ich habe jetzt schon Hüte für Timo Pielmeier, Philipp Grubauer, Kevin Reich und Danny aus den Birken gemacht. Da habe ich nichts Außergewöhnliches feststellen können, obwohl man es bei denen ja vermuten könnte."

    Haben Sie noch Kontakte in Ingolstadt?

    Köppchen: "Mit dem Capitano, mit Wagsche (Fabio Wagner, Anm. d. Red.) bin ich noch regelmäßig in Kontakt und durfte auch Teil seiner Hochzeit sein. Mich macht das schon stolz, wie er sich entwickelt hat, wie er die Mannschaft jetzt führt. Ich habe damals viel mit ihm im Kraftraum gearbeitet, habe versucht, mein Wissen an ihn weiterzugeben. Wagsche war einer der wenigen, der immer mal wieder zugehört hat. An ihm sieht man, wohin harte Arbeit einen bringen kann.“ 

    Lassen Sie uns auf Ihre Eishockeykarriere zurückblicken. Sie haben in 19 Jahren als Verteidiger in der Deutschen Eishockeyliga nur einmal nicht Playoffs gespielt. Können Sie sich erinnern?

    Köppchen: "Das müsste mit Hannover gewesen.“

    Genau. In der Saison 2004/2005.

    Köppchen: "Da haben wir im allerletzten Spiel gerade noch die Playdowns um den Abstieg vermieden. Und jetzt raten Sie mal wo.“ 

    In Ingolstadt?

    Köppchen: "In Ingolstadt. Fühlt sich an, als wäre es gestern gewesen. Wir haben den Nicht-Abstieg wie eine Meisterschaft gefeiert. Robert Hock hat kurzerhand den Mülleimer aus der Umkleidekabine zum Pokal umfunktioniert. Wir sind mit dem Bus nach Hannover gefahren und haben wirklich sogefeiert, als wären wir Meister geworden.“

    Ansonsten haben Sie scheinbar ausschließlich in erfolgreichen Teams gespielt. Ist das Glück oder auch ein bisschen Patrick Köppchen?

    Köppchen: "Letzteres wäre vermessen zu sagen. Man muss natürlich zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Ich hatte das große Glück, zweimal die Meisterschaft gewinnen zu dürfen. Es ist definitiv ein Privileg, immer in Teams gespielt zu haben, die in den Playoffs waren. Auf jeden Fall habe ich in jedem Jahr versucht, mein Bestes beizutragen. Und man weiß ja, dass das bei mir selten etwas mit Toreschießen, sondern eher mit der Drecksarbeit zu tun hatte.“ 

    Drecksarbeit ist gut. Ingolstadts Ex-Kapitän Tyler Bouck nennt Sie noch heute eine „Maschine“. Sie haben 506 Partien infolge absolviert. Trotz schwerer Verletzungen.

    Köppchen: "Ich habe mich von Verletzungen nie aufhalten lassen und immer gesagt: Ich spiele mit allem außer mit Fieber. Denn das kann aufs Herz gehen.“ 

    Patrick Köppchen spielte mit gebrochenem Zeh, geprelltem Kiefer und geschädigter Bandscheibe. Spitzname: "Iron Man".
    Patrick Köppchen spielte mit gebrochenem Zeh, geprelltem Kiefer und geschädigter Bandscheibe. Spitzname: "Iron Man". Foto: Jens Ressing, dpa

    Sie spielten in der Meistersaison 2014 sogar, nachdem Sie einen Puck ins Gesicht bekamen.

    Köppchen: "Das war in der Viertelfinalserie gegen Krefeld. Der Kiefer war geprellt, ich musste mit 20 Stichen genäht werden. Das waren höllische Schmerzen, wenn ich aufs Eis gesprungen bin. Zum Glück führten wir nach dem ersten Drittel 3:0, da konnten wir es dann ausklingen lassen und ich musste nicht mehr eingesetzt werden. Ich kann mich auch noch gut an das Finale im nächsten Jahr erinnern, mit Ingolstadt gegen Mannheim. Ich hatte einen gebrochenen Zeh und weiß nicht, wie viele Ibuprufen 800 ich gefressen habe, um das durchzustehen. Aber irgendwann wollte mir mein Körper mal sagen: Patrick, genug ist genug.“

    Was ist passiert?

    Köppchen: "Ein Bandscheibenvorfall. Das war nach einem Check in Berlin. Ich dachte, das wären normale Rückenschmerzen, bekam irgendwann aber eine Fußhebeschwäche, wurde immer langsamer auf dem Eis. Es gab Spiele, in denen konnte ich meinen Schlittschuh kaum mehr selbst zubinden. Zu der Zeit war ich Mitte 30. Die Zeichen standen auf OP, was gute neun Monate Pause bedeutet hätte. Als die Diagnose kam, hatte ich Tränen in den Augen. In dem Alter wäre es sehr schwer gewesen, zurückzukommen. Ich fuhr dann zu Doktor Harald Gumbiller an den Chiemsee – und sechs Wochen später stand ich ohne Probleme wieder auf dem Eis. Er hat meine Karriere verlängert.“

    Klingt nach Wunderheilung.

    Köppchen: "Er gab mir Spritzen, gefühlt vier Meter lang, die gönne ich niemandem. Da war man dann kurzzeitig mal ab dem Bauchnabel gelähmt und lag rum. Ich weiß nicht, wie er das macht, aber man geht da immer schweißgebadet raus. Er verbiegt und verdreht einen. Aber nach zwei Tagen fühlst du dich wie neugeboren.“

    Sie sprechen von Tabletten-Fressen, von ausgeblendeten Schmerzen. Blicken Sie nicht manchmal zurück und denken: Eigentlich bin ich fahrlässig mit meinem Körper umgegangen?

    Köppchen: "Im Nachhinein glaube ich schon, dass es teilweise fahrlässig war. Aber in einer solchen Situation passiert es einfach. Das ist der Sport. Er verlangt einem Extremes ab. Und dann geht man die Extreme eben.“ 

    Zeichen der Härte: Die Narbe über dem Gesicht von Patrick Köppchen stammt von einer Schlittschuhkufe des Gegners
    Zeichen der Härte: Die Narbe über dem Gesicht von Patrick Köppchen stammt von einer Schlittschuhkufe des Gegners Foto: Marius Becker, dpa

    Ihre charakteristische Narbe im Gesicht stammt von der Schlittschuhkufe eines Gegners. Wie haben Sie sich psychisch immer wieder aufraffen können, sich nach solchen Verletzungen in Zweikämpfe und Schüsse zu stürzen?

    Köppchen: (zögert) "Ich verstehe, was Sie meinen. Aber auf dem Eis gab es für mich einfach keine halben Sachen. Keine Ahnung, ob mein Körper einen Schalter hat, der dann einfach umgelegt wird. Ich weiß nicht, wie viel Schüsse ich nach dieser Krefeld-Situation noch geblockt habe. Aber in dem Moment war das für mich alles egal. Ich musste das für die Mannschaft tun.“ 

    Für diese Einstellung wurden Sie in der Meistersaison 2014 zum wertvollsten Spieler der Playoffs ausgezeichnet. Als solcher wissen Sie doch bestimmt, wo die Pokalhenkel abgeblieben sind, die damals während der Feierlichkeiten verschwanden.

    Köppchen: "Sind die nie wieder aufgetaucht? Ich habe wirklich keine Ahnung, ob die jemand mit nach Hause genommen hat. In dieser Woche war ich froh, dass ich wusste, wie ich heiße und dass ich die offiziellen Termine irgendwie wahrnehmen konnte. Ansonsten ist mein Körper einfach nur durch Ingolstadt gelaufen. Der Rest war wie in Trance. Wahrscheinlich sind die Henkel irgendwo in der Donau oder im Klenzepark vergraben. Oder draußen beim ‚Weinschmecker‘ (lacht).“ 

    Denken Sie auch acht Jahre danach noch oft an diese Momente?

    Köppchen: "Ich schwelge eigentlich ungern in der Vergangenheit. Aber natürlich. Wenn ich mir heute Playoff-Spiele anschaue oder wenn ich zum Beispiel Timo (Pielmeier, Meistertorwart, Anm. d. Red.) in Deggendorf besuche oder mit ein paar Jungs von damals drüber rede, kommt da wirklich Gänsehaut hoch. Mit ein paar Jahren Abstand genießt man die Sache vielleicht noch sehr viel mehr. Diese Saison war einfach wahnsinnig speziell. Ich habe damals ja schon immer gesagt: Da könnte man einen geilen Hollywood-Streifen draus bauen.“

    Es gibt einen Doku-Film. Es gibt ein Buch. Aber gibt es noch eine Anekdote, die nie erzählt wurde?

    Köppchen: "Da gibt es Hunderte (lacht). Aber die lassen wir immer noch unter Verschluss. Die schönen Sachen wurden schon alle erzählt. Doch da schlummern noch viel, viel mehr lustige und auch… egal, lassen wir es einfach so stehen.“ 

    Wie in Hollywood: Patrick Köppchen (links) bejubelt nach dem siebten Final-Spiel auf der Eisfläche in Köln mit Björn Barta (Mitte) und Derek Dinger (rechts) den Meistertitel.
    Wie in Hollywood: Patrick Köppchen (links) bejubelt nach dem siebten Final-Spiel auf der Eisfläche in Köln mit Björn Barta (Mitte) und Derek Dinger (rechts) den Meistertitel. Foto: Stefan Bösl

    Auf welchen Moment blicken Sie am meisten zurück?

    Köppchen: "Da kommt mir sofort der Moment in den Sinn, als Sunny (Niklas Sundblad, damaliger Trainer, Anm. d. Red.) nach einer Derbypleite in Augsburg mit dem Besen in der Kabine stand und uns während der Hauptrunde erzählte, dass wir zu Spiel 7 im Finale bereit sein müssen, am 29. April. Wir waren total perplex. Wahrscheinlich denkt jeder, dass wir rumspinnen und dass das nie so war. Aber genauso ist es passiert. Es war so prägend.“

    Das Verrückte ist ja: Es hätte auch ganz anders ausgehen können. Sie hätten in den Pre-Play-Offs nach zwei Spielen gegen Berlin ausscheiden können und die Saison wäre eine Katastrophe gewesen.

    Köppchen: "Es wäre sogar eine miserable Saison gewesen. Der Anspruch war ja auf jeden Fall, um den Titel mitzuspielen. Es war ein Tanz auf Messers Schneide. Wären wir gegen Berlin ausgeschieden, hätte es wohl auch personelle Entscheidungen gegeben, die es dann nicht mehr gab.“ 

    Sie selbst mussten Ingolstadt 2017 als Kapitän verlassen, trotz noch laufenden Vertrags. Hätten Sie sich einen romantischeren Abschied gewünscht?

    Köppchen: "Ich war ja schon älter und erfahren. Da sieht man es ein bisschen professioneller und erkennt, dass wir am Ende des Tages in einer Industrie arbeiten. Und in der geht es schnell, wenn es mal nicht mehr so funktioniert. Das Komische war, dass ich punktemäßig zu dieser Zeit meine zweitbeste Saison überhaupt hatte. Aber damals sollten Zeichen gesetzt werden und da traf es eben auch mich. Jeder ist ersetzbar in diesem Sport. Natürlich habe ich mir meinen Abschied aus Ingolstadt schöner vorgestellt. Aber hey, so ist das eben. Ich bin da nicht nachtragend. Alles kommt, wie es kommen soll. Und jetzt bin ich eben Hutmacher in München.“

    Kommen ab und zu auch Fans ins Atelier und lassen Sie Dinge unterschreiben?

    Köppchen: "Das kommt hin und wieder vor. Die fragen mich dann oft: Wie kommst du damit klar, wenn dich auf einmal nicht mehr Tausende bejubeln. Das ist ja schon etwas, was man gerne hat. Aber wenn jeden Tag ein Kunde reinkommt, seinen Hut aufsetzt und mit einem Lächeln den Laden verlässt, dann ist das jetzt mein Applaus. Und der ist irgendwie sehr viel intimer.“ 

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