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ERC Ingolstadt: Doug Shedden: „Wir sind hier, weil wir unseren Sport lieben“

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Doug Shedden: „Wir sind hier, weil wir unseren Sport lieben“

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    Gibt seit dem Wochenende wieder die Kommandos beim ERC Ingolstadt: Cheftrainer Doug Shedden, der momentan noch mit einem dezimierten Kader arbeiten muss.
    Gibt seit dem Wochenende wieder die Kommandos beim ERC Ingolstadt: Cheftrainer Doug Shedden, der momentan noch mit einem dezimierten Kader arbeiten muss. Foto: Johannes Traub

    Seit Samstag ist der „Chef“ nun endgültig wieder zurück. Nach seiner vorgeschrieben fünftägigen Quarantäne absolvierte Panther-Headcoach Doug Shedden seine erste Trainingseinheit in der Saturn-Arena mit seinem Team. Die Neuburger Rundschau hat sich mit dem 59-jährigen Kanadier zum ausführlichen „Willkommens-Interview“ getroffen.

    Mr. Shedden, willkommen zurück in Ingolstadt! Wie haben Sie denn Ihre „Quarantäne-Zeit“ in den eigenen vier Wänden verbracht?

    Shedden: Ich habe dem lieben Gott immer wieder dafür gedankt, dass das Internet funktioniert hat (lacht). Nachdem ich ja auch nicht zum Einkaufen gehen konnte, hat mich das ERC-Team toll versorgt. Ansonsten habe ich viel Netflix geschaut, verschiedene Zeitungen online gelesen, an den Abenden wunderschöne Barbecues mit mir selbst veranstaltet und bis tief in die Nacht Football-Spiele angeschaut. Das hatte den Vorteil, dass ich dadurch bis 13 Uhr geschlafen habe und der Tag anschließend nicht mehr so lang war. Von dem her gibt es sicherlich Schlimmeres im Leben als diese fünf Tage (lacht).

    Am Samstag standen Sie erstmals wieder auf dem Eis. Wie war denn Ihr erster Eindruck von den anwesenden Spielern nach dieser ungewohnt langen Zwangspause?

    Shedden: Nun, es gibt einige Jungs wie Fabio Wagner, Tim Wohlgemuth und Samuel Soramies, die ja vorher schon mit der Nationalmannschaft unterwegs waren. Dementsprechend haben sie aktuell auch einen gewissen Vorsprung. Daniel Pietta hat mir beispielsweise mitgeteilt, dass er sich noch etwas eingerostet fühlt, da er in den vergangenen Monaten nicht viel auf dem Eis war. Dennoch sieht man bei ihm sofort, welche Fähigkeiten er besitzt. Aber auch Frederik Storm und vor allem Justin Feser haben mich sehr beeindruckt. Gerade bei Pietta, Feser oder anderen Jungs aus der DEL ist es eigentlich ganz lustig: Man kennt diese Akteure bislang ja nur von den direkten Duellen gegeneinander. Wenn man dann mehrere miteinander Tage trainiert und sie näher beobachtet, erkennt man oft erst, wie gut sie tatsächlich sind.

    Nach wie vor sind noch einige Positionen im Kader unbesetzt. Zudem müssen Profis, die direkt aus Nordamerika nach Deutschland kommen, in eine – wie bereits beschrieben – fünftägige Quarantäne. Was ist die größte Herausforderung während dieser Vorbereitung auf die neue Saison, die ja bereits am 17. Dezember beginnt?

    Shedden: Ich habe erst kürzlich zu meinem Co-Trainer Tim Regan gesagt, dass sich die geringe Kadergröße wie eine Länderspiel-Pause, in der sechs Akteure deines Teams für die Nationalmannschaft abgestellt sind, anfühlt. Aber klar, wir sind in Sachen Vorbereitung noch weit hinter den meisten anderen Teams. Was ich gehört habe, befinden sich Mannheim oder München schon seit zwei, drei Monaten im Trainingsbetrieb auf dem Eis. Nachdem wir doch einen relativ großen Umbruch innerhalb des Kaders hatten, wird es nun das große Kunststück sein, ein Team zu formen, das auf und neben dem Eis möglichst schnell harmoniert und erfolgreich ist. Wir sprechen hier allerdings auch über zwei neue Torhüter, etliche Stürmer für die ersten beiden Sturmreihen sowie künftige Leistungsträger in der Verteidigung.

    Spielt auch die Trainingssteuerung und richtige Belastung eine wichtige Rolle?

    Shedden: Absolut. Auch hier müssen wir ganz genau hinschauen, um nach dieser langen Pause keine Muskelverletzungen zu riskieren. Das alles ist schon ein sehr anspruchsvoller und schwierige Aufgabe.

    Was dürften Ihrer Meinung nach während der Saison mit den 38 Hauptrunde-Partien und anschließenden Play-offs die möglichen Knackpunkte und Schwierigkeiten in dieser außergewöhnlichen Situation werden?

    Shedden: Ich denke, die größte Herausforderung, die sich uns allen in den kommenden Wochen und Monaten stellen wird, ist: Wie verhalten wir uns, wenn wir nicht in der Eishalle sind? Jedem muss klar sein, dass es verheerende Auswirkungen haben kann, wenn jemand das Virus in die Mannschaftskabine trägt. Im schlimmsten Fall können wir wieder alles zwei Wochen nach unten fahren. Aus diesem Grund ist höchste Vorsicht und Aufmerksamkeit geboten. Wir müssen alles Menschenmögliche tun, um dieses

    Sie sind jetzt doch schon sehr viele Jahre in diesem Trainer-Geschäft tätig. Würden Sie sagen, dass die jetzige Situation die bislang herausforderndste in Ihrer Coaching-Karriere ist?

    Shedden: Oh ja, definitiv! Wir alle haben mit einer solchen Pandemie schließlich noch keinerlei Erfahrung gemacht. Ich bete daher jeden Tag, dass es möglichst bald einen wirksamen Impfstoff gibt, um das Ganze entsprechend unter Kontrolle zu bringen. Bei meinem ersten Meeting mit den Jungs habe ich ihnen gesagt: Wir leben derzeit in einer harten Welt – lasst sie uns nicht noch härter machen! Haltet euch daher an die Vorgaben und Hygiene-Vorschriften, damit wir hier in der Halle gemeinsam Spaß haben können. Wissen Sie, wir stehen in dieser außergewöhnlichen Saison nicht auf dem Eis, um unsere Bankkonten aufzufüllen, sondern weil wir den Eishockey-Sport lieben.

    Die DEL-Saison 2020/2021 wird bekanntlich ohne Zuschauer starten. Wird die Tatsache, dass es dadurch ungewohnt leise im Eisstadion sein wird, auch Auswirkungen auf Ihre Art des Coachings haben?

    Shedden: Nun, nachdem ich es liebe, während einer Partie viel zu reden, muss ich künftig schon etwas aufpassen, damit es der jeweilige Gegner nicht hört (lacht). Ich habe in der Vergangenheit die NHL-Play-offs sowie American Football- und Baseball-Spiele ohne Zuschauer im TV verfolgt – es ist einfach anders! Speziell auf das Eishockey übertragen: Die Fans gehören einfach dazu! Egal ob dein Team bejubelt oder ausgepfiffen wird – diese Emotionen und besondere Atmosphäre sind gerade in Europa ein ganz wichtiger Bestandteil unseres Sports. Ich selbst habe noch nie in einem leeren Stadion gecoacht und bin daher gespannt, wie es sein wird. Daran gewöhnen möchte ich mich aber nicht.

    Lassen Sie uns einen etwas konkreteren Blick auf den aktuellen Panther-Kader werfen. Mit Timo Pielmeier und Jochen Reimer steht das Torhüter-Duo der vergangenen drei Jahre nicht mehr zur Verfügung. Sehen Sie diese beiden Abgänge als großen Verlust oder vielmehr als neue große Chance?

    Shedden: Nun, da beide sehr hochkarätige deutsche Goalies waren, sind ihre Abgänge grundsätzlich mal ein großer Verlust. Wenn mir uns ihre beiden Nachfolger anschauen: Nicolas Daws, der ja über einen deutschen Pass verfügt, gilt als großes Torhüter-Talent in Nordamerika und wurde sicherlich nicht umsonst von den New Jersey Devils in diesem Jahr in der dritten Runden gedraftet. Sowohl unser Sportdirektor Larry Mitchell als auch ich selbst haben mit den Devils-Verantwortlichen gesprochen. Sie sind der Meinung, dass Daws in einigen Jahren das Zeug dazu hat, in ihrer Organisation eine tragende Rolle zu übernehmen und wollen ihn daher spielen sehen – vorausgesetzt natürlich, er bringt seine Leistung und verdient sich seine Einsätze.

    Und Michael Garteig?

    Shedden: Er hatte eine großartige vergangene Saison in Finnland. Er verfügt über alle Voraussetzungen, um unser künftiger Nummer-eins-Goalie zu werden. Ich hoffe, dass beide Jungs diesem Druck, der zweifelsohne auf ihren Schultern lasten, standhalten werden. Zum jetzigen Zeitpunkt steht dahinter noch ein Fragezeichen.

    In der Verteidigung stehen mit Ben Marshall und Mathew Bodie zwei vielversprechende Neuzugänge. Was können Sie uns über dieses Duo, das sich momentan noch in Quarantäne befindet, sagen?

    Shedden: Ehrlicherweise habe ich beide vorher noch nicht gekannt. Larry (Mitchell, Anm. d. Red.) hat sie für uns rekrutiert. Wayne Simpson hat mir berichtet, dass er mehrere Jahre mit Bodie am College zusammengespielt hat und ihn sowohl spielerisch als auch von seinem Charakter her nur empfehlen kann. Zudem war er bei einigen seiner bisherigen Teams auch schon als Kapitän aktiv. Nach dem Abgang von Maury Edwards haben wir in der Verteidigung definitiv ein großes Loch zu stopfen, was wir auf mehrere Schultern verteilen wollen. Dabei hoffe ich natürlich auch, dass sich Fabio Wagner weiterhin so gut entwickelt und auch Simon Schütz den nächsten Schritt nach vorne macht.

    Sie verbringen bekanntlich die eishockeyfreie Zeit in Marco Island (Florida). In den vergangenen Jahren haben Sie im Interview mit unserer Zeitung mehrfach anklingen lassen, dass es Ihnen mitunter nicht einfach gefallen ist, Ihr „Paradies“ in

    Shedden: Ich hatte zuletzt tatsächlich das Gefühl, dass es jetzt an der Zeit ist, endlich wieder loszulegen. In den vergangenen 15 Jahren, seit ich in Europa arbeite, war ich meistens Ende Juli bei meinem jeweiligen Klub. Diesmal sind die Wochen und Monate nur so ins Land gegangen. Als es Anfang November wurde, habe ich mich selbst gefragt: Was machst du eigentlich um diese Jahreszeit in Florida? Ok, das Wetter ist schön, die Golfplätze sind klasse, hin und wieder kommt ein Hurrikan – aber eine wirkliche Abwechslung im Alltag ist das nicht! Von dem her war es, wie bereits gesagt, einfach an der Zeit, wieder nach Ingolstadt zurückzukehren, um dort mit den Jungs zu arbeiten.

    Bleiben wir trotzdem nochmals kurz in Florida! Wie ist denn der „Sunshine State“ Ihrer Meinung nach bislang durch diese Pandemie gekommen?

    Shedden: In meinen Augen hat der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, einen großartigen Job gemacht. Dort wo ich lebe (Marco Island) war es freilich nicht ganz so schlimm wie beispielsweise in den Großstädten Miami oder Tampa. Bis auf wenige Ausnahmen wie beispielsweise das Tragen einer Maske in einem Lebensmittelgeschäft, ist das normale Leben weitergegangen. Wir konnten die ganze Zeit problemlos zum Fischen oder Golfen gehen. Man muss wirklich sagen, dass DeSantis dieses Problem erstklassig unter Kontrolle gebracht hat.

    Zumindest kurzzeitig überlagert wurde die Corona-Pandemie von der Wahl des US-Präsidenten am 3. November! Wie intensiv haben Sie dieses Großereignis vor Ort im „Swing-State“ Florida verfolgt?

    Shedden: Nun, nachdem meine Ehefrau Amerikanerin ist, war es bei uns natürlich schon ein großes Thema. Bei uns daheim ist den ganzen Tag der TV-Sender Fox News gelaufen, während CNN quasi verboten war. Ich überlasse es jetzt Ihrer Fantasie herauszufinden, wen sie letztlich gewählt hat (lacht). Aber klar, die US-Wahl war in den Tagen und Wochen zuvor auch in unserer Gegend allgegenwärtig – sei es durch Werbung oder Kundgebungen. Egal, ob man nun Joe Biden gewählt hat oder nicht: Ich bin der Meinung, dass man ihn in den kommenden vier Jahren seinen Job lassen machen sollte. Erst danach kann man sich eine Meinung bilden, ob er das gut oder schlecht gemacht hat.

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