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ERC Ingolstadt: Doug Shedden: „Ich hasse es, umzuziehen“

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Doug Shedden: „Ich hasse es, umzuziehen“

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    Will beim ERC Ingolstadt auch in der kommenden Saison die Kommandos geben: Trainer Doug Shedden.
    Will beim ERC Ingolstadt auch in der kommenden Saison die Kommandos geben: Trainer Doug Shedden. Foto: Johannes Traub

    „Ein Bier?“, fragt Doug Shedden. Als die Neuburger Rundschau den Trainer des ERC Ingolstadt zum Abschlussinterview vor seinem Rückflug nach Nordamerika trifft, ist er in Plauderlaune. 45 Minuten lang geht es um ein verrücktes Jahr, unbekannte Anekdoten und Sheddens Gefühlswelt. Er selbst trinkt Weißwein.

    Herr Shedden, im Februar fragten wir Sie, wie reell die Chance des ERCI auf die Meisterschaft sei. Sie antworteten: „Alles ist möglich. Aber ich will das nicht hören. Ich weiß, dass einige Leute darüber sprechen. Verzieht euch! Haltet die Klappe!“

    Doug Shedden: (lacht) Das klingt nach mir.

    Aus heutiger Sicht: War es für die Panther vielleicht nie leichter, Meister zu werden?

    Shedden: Wir hatten eine Chance. Es war eines dieser seltenen Jahre, in dem die großen Jungs früh ausgeschieden sind. Wenn ich mir das Finale anschaue, ist das schon enttäuschend. Wir hätten dabei sein können.

    Wieso sind Sie es nicht? Wieso sind Sie gegen Berlin ausgeschieden?

    Shedden: Sie haben uns ganz einfach im Fünf-gegen-Fünf geschlagen. Es waren sicher nicht die Special Teams. Da waren wir besser.

    Man könnte auch sagen: Berlin war letztlich tiefer besetzt. Oder hätten Sie die Eiszeiten etwas gleicher verteilen müssen?

    Shedden: Dass sich Daniel Pietta im ersten Halbfinalspiel verletzte, hat uns wehgetan. Aber noch bitterer war der Ausfall von Colton Jobke. Dadurch mussten wir Leute wie Mat Bodie, Morgan Ellis, Ben Marshall und Fabio Wagner überspielen, weil Simon Schütz und Garret Pruden der Aufgabe letztlich noch nicht ganz gewachsen waren. Unsere vierte Reihe hat in Spiel drei richtig gutes Eishockey gezeigt, haben die Berliner in ihre Zone gedrückt. Trotzdem habe ich im Schlussabschnitt auf drei Reihen umgestellt. Wenn du untergehst, dann mit deinen besten Spielern.

    Es war eine Saison mit Höhen und Tiefen

    Shedden: …mehr Höhen…

    Die Suspendierung von Timo Pielmeier, der verzögerte Ligastart, die Affengeste von Pietta…

    Shedden: An die schlechten Sachen erinnere ich mich schon gar nicht mehr (lacht).

    …einem guten Saisonstart, einem eher schlechteren Saisonende und spektakulären Play-offs. Wie schauen Sie auf dieses Jahr zurück?

    Shedden: Unsere Negativserie am Ende bedeutet mir nicht so viel. Wir hatten einen sicheren Play-off-Platz. Wayne Simpson ist wegen der Geburt seines Kindes ausgefallen, Mirko Höfflin genauso. Bodie brauchte eine Pause. Michael Garteig war formschwach. Das macht einen Unterschied, wenn dein Startorhüter plötzlich Fangquoten unter 90 Prozent hat. Außerdem hatten wir sechs Partien an neun Abenden. Ich war überrascht, dass wir da mit genügend Energie herausgekommen sind, um München zu schlagen. Ich habe die Artikel gelesen. Jeder hat vorausgesagt, dass wir nach zwei Spielen rausfliegen. Vielleicht hätte ich das auch geschrieben (lacht). Aber wir haben dann im ersten Duell das perfekte Spiel gezeigt – und in Spiel zwei einen Weg gefunden, nach einem 2:4 zurückzukommen. Das ist schon beeindruckend.

    ERC Ingolstadt: Teaminterne Aussprache nach Pleitenserie

    Die Stimmung im Team soll während der Niederlagenserie kurz gekippt sein, vor allem nach einer 3:6-Pleite in Wolfsburg.

    Shedden: Die Spieler hatten eine teaminterne Aussprache. Da wurde offen mit dem Finger aufeinander gezeigt. Manchmal kann das helfen. Aber insgesamt war das ein toller Haufen. Wir hatten großartige Jungs. Ellis zum Beispiel. Er scheut sich nicht, seinen Teamkollegen die Meinung zu sagen, wenn sie schlecht spielen. Genauso bei Bodie und Brandon DeFazio. So etwas brauchst du. Das gibt es heutzutage kaum mehr. Du brauchst Leute, die aufstehen und sagen: Verdammt, so läuft das nicht!

    Die Spieler betonten die Teamatmosphäre immer wieder. Sie sind seit vier Jahren hier. War es wirklich so gesellig?

    Shedden: Gesellig? Während Corona? (lacht). Wir sind zur Halle gefahren, zum Einkaufen und wieder nach Hause. Das war unser Leben in dieser Saison. Es gab keine Weihnachtsfeier, keine Halloweenparty. Nichts dieser Dinge, die du normalerweise machst.

    Doug Shedden auf einer Halloweenparty der Spieler? Das ist schwer vorstellbar.

    Shedden: Manchmal. Als sie damals bei Darin Olver zu Hause war, bin ich nicht hingegangen. Seine Frau wollte kein Glas Wein mit mir trinken, weil er nicht mehr so oft gespielt hat. Aber ich werde älter. Und die Spieler jünger. Da sollte man sie auch in Ruhe lassen und ihren Spaß haben.

    Seien Sie ehrlich: Sie haben sich doch nicht wirklich erst nach dem letzten Hauptrundenspiel auf München vorbereitet, oder?

    Shedden: Natürlich nicht. Das fing schon zwei, drei Wochen früher an. Tim Regan (Co-Trainer, Anm. d. Red.) hat Videomaterial geschnitten wie ein Verrückter.

    Shedden lobt die Verteidigung

    Nach Siegen wurde in diesem Jahr „Life is live“ in der Kabine gespielt. Als der Song rauskam, waren Sie 24 Jahre alt. Haben Sie mitgesungen?

    Shedden: So alt ist der schon? Ich war ehrlich gesagt nur ein-, zweimal dabei, als die Jungs das aufgedreht haben. Nach dem Viertelfinale wäre ich tatsächlich gern dabei gewesen. Das hätte Spaß gemacht. Aber ich musste noch Interviews geben. Nach Niederlagen gehe ich übrigens nie in die Kabine.

    Wieso nicht?

    Shedden: Ich habe vor langer Zeit gelernt, dass es für mich besser ist, eine Nacht drüber zu schlafen. Direkt nach dem Spiel möchtest du manchmal ausflippen. Dann siehst du eine Szene noch mal und denkst dir: So schlecht waren wir gar nicht. Wieso bin ich überhaupt durch die Decke gegangen?

    Lassen Sie uns noch mal über die Mannschaft sprechen, die beste, die Sie je in Ingolstadt trainiert haben?

    Shedden: Mit Sicherheit. Larry (Mitchell, Sportdirektor, d. Red.) hat ein tolles Team zusammengestellt. Auch Jürgen (Arnold, Beiratsvorsitzender, d. Red.) verdient Anerkennung. Er wollte mit den Verpflichtungen warten. Diese Geduld hat sich ausgezahlt. Man darf auch nicht vergessen: Die Jungs haben auf viel Kohle verzichtet. Keiner wurde heuer reich. Sie haben aus Liebe zum Eishockey gespielt.

    Im Tor standen Garteig und Nico Daws – ein Upgrade zum Vorjahr?

    Shedden: Ja, vor allem durch Garteig. Dawsi hat sich im Laufe der Saison auch gesteigert. Zu Saisonbeginn war seine Trainingseinstellung nicht die beste. Ich habe ihn dann gefragt, ob er das im NHL-Trainingslager der New Jersey Devils auch so machen würde. Ich glaube auch, dass Garts ihm sehr geholfen hat. Der ist ohnehin immer am längsten auf dem Eis geblieben. Das war echt fantastisch. Sie haben viel Zeit miteinander verbracht.

    Auch die Verteidigung wirkte stabiler.

    Shedden: Sie war großartig. Bodies Einsatz war unglaublich. Ellis und Marshall waren ein toller Fang. Dann hast du noch Wagner. Emil Quaas hat für uns eine große Lücke besetzt. Und Jobke is Jobke.

    Im Sturm haben Sie bis zum Ende nach den richtigen Reihen gesucht. War das angesichts der Klasse, die Sie zur Verfügung hatten, enttäuschend?

    Shedden: Man darf auch nicht vergessen, dass wir immer wieder Ausfälle hatten und die Reihen wechseln mussten. Immerhin haben wir für nächste Saison das Duo Simpson und Aubry gefunden…

    …eine Kombination, die in den Playoffs dominiert hat. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

    Shedden: Nach dem letzten Saisonspiel stand ich mit Simpson vor der Iserlohner Eishalle und habe ihn gefragt: Mit wem verdammt noch mal willst du spielen? Er antwortete: Warum stellst du mich nicht mal neben Aubry und Kuffner? Ich war überrascht. Und dann hat es Klick gemacht.

    Shedden will in Ingolstadt bleiben

    Eigentlich hätte es mit Daniel Pietta klicken sollen. Hatte er Probleme mit Ihrem schnellen Umschaltsystem?

    Shedden: Er ist nicht der schnellste, aber einer der stärksten. Und vielleicht einer der schlausten. Danny hatte offensiv nicht seine beste Saison. Aber er wird zurückkommen.

    Auch Petrus Palmu hatte ein turbulentes Jahr. Sie sagten mal, wenn er so weiterspielt, könne er vor der Halle Popcorn verkaufen. Er fand das nicht so lustig, hat danach aber trotzdem viel besser gespielt. In den Play-offs war er dann wieder überzählig.

    Shedden: Am Anfang hat er mit Feser und Storm eine unglaubliche Reihe gebildet, die die Gegner dominiert hat. Aber sie trafen nicht. Palmu saß dann eine Weile draußen. Offensichtlich hat ihm das einen Schub gegeben. Er ist ein guter Junge, sehr selbstbewusst auch. Als er in den Play-offs überzählig war, hat er das wie ein Profi genommen.

    Tim Wohlgemuth wird nach Mannheim gehen. Sie haben ihn hier seit seinem ersten Tag trainiert. Wie sehen Sie seine Entwicklung?

    Shedden: Man konnte schon früh sehen, dass er es draufhat. Es freut mich für ihn, dass er diese Chance bekommt. Er hat Riesenschritte gemacht. Und in gewisser Weise macht mich das als sein Trainer auch stolz. Wie einige in seinem Alter kann er nicht ganz so gut mit Kritik umgehen. Du musst sanft zu ihm sein und ihn in den Arm nehmen.

    Mit Verlaub: Sie wirken auch nicht wie der großväterliche Trainer, der Spieler in den Arm nimmt.

    Shedden: Doch, das mache ich. Wenn wir ins Trainingslager nach Südtirol fahren und ein paar Bierchen zusammen trinken, versuche ich, mich mit jedem zusammenzusetzen. Ich frage dann: Möchtest du eher angeschrien oder in Ruhe gelassen werden? Manchen Spieler musst du in den Arsch treten, wie DeFazio. Manche musst du küssen, wie Timmy.

    Aber dass Sie ligaweit den Ruf des Bösewichts haben, wissen Sie?

    Shedden: Oh, ja. Ich wirke sicher hart. Vielleicht ist das meine Haltung. Manchmal schaue ich böse. Tomas Oral, der Trainer des FC Ingolstadt, hat mich mal gefragt, wie ich eigentlich damit durchkomme.

    Wer war derjenige, den Sie am liebsten trainiert haben in diesem Jahr?

    Shedden: Der erste, der mir da einfällt, ist Ellis. Er ist ein Profi, der gern mal ein Bier in der Kabine trinkt, Spaß hat, aber auch viel von seinen Kollegen erwartet. Er verhält sich nicht wie ein 29-Jähriger, sondern, als wäre er schon seit Ewigkeiten im Geschäft.

    Und mit wem war es am schwersten?

    Shedden: Elsi (David Elsner, d. Red.). Das ändert sich wohl nie. Ich habe ihm 1131 Chancen gegeben, weil ich immer an ihn geglaubt habe. Aber er glaubt nicht an sich. Das ist sein größtes Problem. Wenn er das kontrollieren kann, wird er ein fantastischer Eishockeyspieler sein. Aber irgendwann läuft ihm auch die Zeit davon.

    Wie sieht es eigentlich mit Ihrer Zeit aus? Bleiben Sie?

    Shedden: Ich hatte mit Larry zwei Tage gute Gespräche. Aktuell bin ich guter Dinge. Es sieht gut aus. Ich hasse es, umzuziehen. Viel schöner ist es, jetzt nach Hause zu fliegen und nicht die gesamte Wohnung ausräumen zu müssen.

    Kurz nach Ihrem Geburtstag sagten Sie: Man lebt nur einmal. Wird Doug Shedden mit 60 plötzlich sentimental?

    Shedden: Ich war schon immer sentimental. Vielleicht zeige ich das nicht so oft. Wenn du drei Töchter hast, können schnell die Tränen kommen. Ich zeige diese Seite von mir halt nicht so oft.

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