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Eishockey/Tennis: Ein Sechser im Lotto

Eishockey/Tennis

Ein Sechser im Lotto

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    Kurzer Plausch während einer Trainingspause: Physiotherapeut Andre Kreidler (links) unterhält sich mit „seinem“ Spieler Mikhail Youzhny (rechts), der bei den BMW Open in München gestern im Viertelfinale ausschied.
    Kurzer Plausch während einer Trainingspause: Physiotherapeut Andre Kreidler (links) unterhält sich mit „seinem“ Spieler Mikhail Youzhny (rechts), der bei den BMW Open in München gestern im Viertelfinale ausschied.

    Die große schwarze Limousine hält unmittelbar vor dem Haupteingang des Tennisklubs MTTC Iphitos München. Fast schon hektisch springt der mit Anzug und Krawatte bekleidete Chauffeur der Nobelkarosse heraus, um seinem Fahrgast auf der Rückbank die Türe zu öffnen. Dieser ist nicht etwa einer der Tennis-Stars wie Tommy Haas, Philipp Kohlschreiber, Feliciano Lopez oder Jo-Wilfried Tsonga, die sich in dieser Woche um das Preisgeld bei den mit 450000 Dollar dotierten BWM Open streiten. Es ist eher ein unscheinbarer Mann im sportlichen Outfit und mit Sporttasche in der Hand, der gemächlichen Schrittes und mit einem Lächeln Richtung Spielereingang schreitet und dort von einem Ordner freundlich begrüßt und auch hereingelassen wird.

    Ein Vorgang beziehungsweise Luxus, der sich für Andre Kreidler seit rund zehn Monaten zwar immer und immer wiederholt, ihm aber auf den ersten Blick nach wie vor ungewohnt, ja nahezu unangenehm zu sein scheint. Sechs Jahre lang arbeitete der gebürtige Berliner zuvor als Physiotherapeut und „Mädchen für alles“ beim ERC Ingolstadt. Sechs Jahre, in denen er nicht nur die müden und malträtierten Muskeln der Eishockey-Profis quasi rund um die Uhr pflegte und bearbeitete, sondern auch ganz „nebenher“ bei zahlreichen weiteren (Betreuer-) Arbeiten kräftig mit anpackte. Nicht selten schlugen sich dabei er und sein Betreuer-Kollege Michael Klattenbacher bei Auswärtsfahrten die Nächte im vereinseigenen Transporter um die Ohren, damit sich die Panther-Akteure ausschließlich auf ihre Aufgabe auf dem Eis konzentrieren konnten.

    Stellenausschreibung ebnet den neuen Weg

    „Auch wenn das Ganze schon sehr viel Kraft und Energie gekostet hat, wollten wir das so profesionell wie möglich machen, da wir ja zudem in der höchsten deutschen Eishockey-Liga gespielt haben. Und ich denke, dass uns das auch recht gut gelungen ist“, meint Kreidler. Die ERCI-Verantwortlichen hätten ihre „gute Seele“ freilich liebend gerne behalten – und diese wäre wohl auch heute noch bei den Schanzern, hätte sie im Juli 2011 nicht „rein zufällig“ eine Stellenausschreibung beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) entdeckt.

    „Dabei wurde ein Physiotherapeut gesucht, der mit einem oder mehreren Spielern auf die Tennis-ATP-Tour geht“, erinnert sich Kreidler. Und nachdem die Ingolstädter Panther zu diesem Zeitpunkt noch in der Sommerpause waren und er „neue Erfahrungen“ sammeln wollte, habe er sich „auf Drängen eines Physiotherapeuten-Kollegen, der in diesem Bereich bereits tätig war, auf diese Stelle beworben“. Nach einem „sehr guten Gespräch“ mit Manager Dirk Hordorff (Global Sports Management) ging dann alles ganz schnell. „Ich sollte mich bei den Turnieren in Hamburg und Gstaad um seinen Schützling Mikhail Youzhny kümmern“, berichtet Kreidler. Dass es sich dabei um den ehemaligen Weltranglistenachten des Jahres 2008 aus Russland (und aktuelle Nummer 36) handeln würde, sei ihm zu diesem Zeitpunkt „gar nicht bewusst“ gewesen.

    „Natürlich habe ich mir früher die Spiele von Boris Becker oder Michael Stich angeschaut. Aber das war es dann auch schon“, so der 31-Jährige, der mit einer „großen Portion Nervosität und Ungewissheit“ seine erste Tennis-Dienstreise nach Hamburg antrat – und dort gleich eine große Überraschung vorfand. „Als ich im dortigen Hotel ankam, war schon ein Einzelzimmer für mich reserviert und bereits bezahlt“, sagt Kreidler. Nach einigen „bangen Minuten“ des Wartens sei es dann auch zum ersten Kennenlernen mit Youzhny beziehungsweise zur ersten Behandlung gekommen. „Wir haben uns vom ersten Moment hervorragend verstanden. In einer Beziehung würde man wohl von Liebe auf den ersten Blick sprechen“, lacht Kreidler, der von nun an mit dem „Tennis-Virus“ regelrecht infiziert war.

    Die logische Konsequenz: Er löste seinen noch laufenden Vertrag mit dem ERC Ingolstadt auf („Ich bin Panther-Manager Jim Boni wirklich sehr dankbar, dass er mir diese Chance nicht verbaut hat.“) und tourt seitdem mit dem Tennis-Zirkus durch die ganze Welt. „Für mich ist das so etwas wie ein Sechser im Lotto“, schwärmt der sympathische Berliner, dessen Reiseziele nun nicht mehr – wie in den vergangenen (DEL-) Jahren – Straubing, Krefeld oder Wolfsburg, sondern stattdessen Kuala Lumpur, Peking, Miami, Shanghai, Melbourne, Paris, Wimbledon, Rom oder eben München, wo Kreidler auch hervorragend mit Hordorffs Manager-Partner Stefan Wechslberger zusammenarbeitet, heißen.

    „Das Arbeitspensum ist bei weitem nicht so hoch wie in Ingolstadt. Dazu kann ich um die Welt reisen und muss dafür nicht einmal etwas bezahlen, da sämtliche Kosten von ‘meinen’ Spielern bezahlt werden“, erklärt Kreidler. Neben Youzhny, mit dem er das Turnier in Zagreb gewann, hatte er auch schon die ebenfalls bei Dirk Hordorff unter Vertrag stehenden Weltklasse-Akteure Janko Tipsarevic (aktuelle Nummer acht der Weltrangliste/gemeinsame Turniersiege in Kuala Lumpur und Moskau) und Sergiy Stakhovsky (Nummer 68) unter seinen fleißigen Händen. In der kommenden Woche kommt dann beim Turnier in Madrid erstmals auch noch die deutsche Topspielerin Angelique Kerber hinzu.

    Privatleben bleibt auf der Strecke

    „Nachdem ich am Anfang überhaupt nicht gewusst habe, was mich im Tennis-Profigeschäft alles erwartet, fühle ich mich jetzt pudelwohl und kann wahrlich behaupten, alles richtig gemacht zu haben“, strahlt Kreidler. Aus diesem Grund verschwendet er zum jetzigen Zeitpunkt „noch gar keinen Gedanken“ daran, wie lange er das Leben als „Globetrotter“ noch fortführen möchte. „Mir ist natürlich schon bewusst, dass das Privatleben völlig auf der Strecke bleibt, wenn du nahezu jede Woche woanders bist. Das ist der einzige Makel an dieser Geschichte“, so der ehemalige Ingolstädter. „Aber letztlich gibt es ja in jedem Beruf Vor- und Nachteile. Und in meinem jetzigen überwiegen ganz klar die Vorteile“, erklärt Kreidler. Chauffeure, erstklassige Hotels, „geregelte“ Arbeitszeiten, Reisen um die Welt „for free“ und hochklassiger Spitzensport sind wahrlich erstklassige Argumente...

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