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Eishockey: Der harte Kampf des ERC Ingolstadt ums Überleben

Eishockey

Der harte Kampf des ERC Ingolstadt ums Überleben

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    Nachdenklich: Panther-Sportdirektor Larry Mitchell und die ERCI-Verantwortlichen kämpfen derzeit rund um die Uhr um den Erhalt des DEL-Standorts Ingolstadt.
    Nachdenklich: Panther-Sportdirektor Larry Mitchell und die ERCI-Verantwortlichen kämpfen derzeit rund um die Uhr um den Erhalt des DEL-Standorts Ingolstadt. Foto: Johannes Traub

    Nein, um seine Aufgabe ist Larry Mitchell derzeit wahrlich nicht zu beneiden. Gemeinsam mit Geschäftsführer Claus Liedy und seinen Mitarbeitern arbeitet der Sportdirektor des ERC Ingolstadt derzeit verbissen um den Erhalt des DEL-Standorts Ingolstadt – und damit verbunden an einer Teilnahme der DEL-Saison 2020/2021, die im Idealfall nun Mitte Dezember beginnen soll. Die Neuburger Rundschau hat sich ausführlich mit Larry Mitchell unterhalten.

    Herr Mitchell, am Mittwoch haben die Bundesregierung und Ministerpräsidenten einen bundesweiten „Lockdown light“ beschlossen, der am 2. November in Kraft tritt. Wie haben Sie diese Entscheidung wahr- und aufgenommen?

    Mitchell: Meine ersten Gedanken waren, wie es wohl bei nahezu jedem Menschen der Fall war: Was bedeutet das für meine Familie, mich persönlich und meinen Arbeitgeber? Ehrlich gesagt, weiß ich das auch heute noch nicht zu 100 Prozent. Auf meinen Job beim ERC Ingolstadt bezogen: Heißt das, dass ich ab Montag aus dem Homeoffice in Landsberg arbeiten muss? Das würde mir das Ganze schon sehr erschweren. Nachdem mein Sohn in

    Ursprünglich sollte die DEL-Saison 2020/2021 bereits seit sechs Wochen laufen. Wie fühlt sich diese ungewohnte Situation zu dieser Jahreszeit an?

    Mitchell: (überlegt) Ich tue mich immer noch sehr schwer zu glauben, dass wir uns in einer Situation wie der jetzigen befinden. Wenn mir vor zehn oder 20 Jahren jemand gesagt hätte, dass 2020 ein Virus die ganze Welt lahmlegt, dann hätte ich das niemals geglaubt. Ich denke, es ist durchaus legitim, wenn man in einer solchen Phase auf sich selbst beziehungsweise seinen Beruf schaut – und da ist es eine Katastrophe! Aber klar, anderen Berufszweigen wie der Gastronomie geht es in diesen Tagen noch schlechter als uns. Wie gesagt, wir sind in einer absoluten Ausnahmesituation, die für mich nach wie vor schwer zu realisieren ist.

    Larry Mitchell ohne Eishockey kann man sich eigentlich gar nicht vorstellen. Wie viele Partien haben Sie denn in den vergangenen sechs Wochen dennoch angeschaut?

    Mitchell: So wenige wie noch nie in meinem ganzen Leben um diese Jahreszeit (lacht). Ich habe mir unsere U17 und U20 angeschaut sowie das eine oder andere Testspiel von meinem Sohn in Landsberg. Im Gegenzug habe ich dafür wesentlich mehr Videos von möglichen Neuzugängen oder auch Spielsystemen von anderen Teams gesichtet, weil es mich einfach interessiert. Um auf Ihre konkrete Frage zurückzukommen: Im Normalfall hätte ich bis Ende Oktober sicherlich schon rund 100 Partien besucht. Durch die Corona-Pandemie waren es vielleicht maximal zehn.

    Trotz der steigenden Corona-Zahlen hat sich der Deutsche Eishockey-Bund entschieden, den Deutschland-Cup in Krefeld wie geplant von 5. bis 8. November in

    Mitchell: Es ist gar nicht so entscheidend, was ich persönlich davon halte. Für den DEB ist es sicherlich wichtig, Spieler zu testen beziehungsweise für die Weltmeisterschaft 2021 – vorausgesetzt natürlich, dass diese wie geplant stattfindet – zu finden. Das hat auch Bundestrainer Toni Söderholm in unseren zahlreichen Telefonaten immer wieder betont – und ich kann das natürlich nachvollziehen. Auf der anderen Seite ist es aber für den ERC Ingolstadt auch keine einfache Situation, da wir die Spieler aus der Kurzarbeit holen und das Ganze finanziell übernehmen müssen. Das Positive ist, dass wir mit Toni immer offen und ehrlich sprechen können. Unser Ziel ist es, dass wir den

    Apropos Events: Am 11. November startet der „MagentaSport-Cup“, an dem sich acht DEL-Klubs beteiligen. Der ERC Ingolstadt ist bekanntlich nicht darunter. Wären Sie aus „Sportdirektor-Sicht“ gerne im Teilnehmerfeld gewesen?

    Mitchell: Vor drei oder vier Monaten hätte ich mich wohl noch etwas schwerer getan. Aber mittlerweile habe ich diesbezüglich das rein Sportliche komplett ausgeblendet, da uns seit einigen Wochen im Grunde nur eine einzige Frage beschäftigt: Wie können wir es gewährleisten, dass es den ERC Ingolstadt auch in der Zukunft noch gibt? Daher hat die Entscheidung, ob wir am MagentaSport-Cup teilnehmen, auch keine fünf Minuten gedauert. Hinzu kommt ja auch, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt noch keine spielfähige Mannschaft haben. Stand jetzt hätten wir beispielsweise mit Jonas Stettmer nur einen einsatzfähigen Torhüter, der momentan in Rosenheim trainiert und spielt. Seine derzeitige Entwicklungskurve aufzuhalten, wäre sicherlich ein Fehler gewesen.

    Bereits vor einigen Monaten mussten Sie mit Geschäftsführer Claus Liedy die Spieler von einer ligaweiten 25-prozentigen Gehaltsstundung überzeugen. Seit einigen Wochen laufen nun erneut Gespräche, diesmal über einen Gehaltsverzicht. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen: Können Sie uns verraten, in welcher Atmosphäre diese Unterhaltungen ablaufen?

    Mitchell: Nun, es ist sicherlich kein Geheimnis, dass es derzeit auf allen Ebenen Gespräche gibt, um einen Saisonstart Mitte Dezember zu ermöglichen. Manche dieser Gespräche verlaufen einfacher, andere dagegen etwas schwerer. Ob es dann am Ende tatsächlich geklappt hat oder nicht, werden wir zu gegebener Zeit kommunizieren. Ich bitte daher um Verständnis, dass ich keine Interna preisgeben möchte.

    Der Spielerkader weist bekanntlich noch einige signifikante Lücken auf. Wissen Sie eigentlich genau, mit welchem Etat Sie in der derzeit unsicheren Lage überhaupt planen können?

    Mitchell: Ich kenne meinen augenblicklichen Etat schon. Von daher kann ich definitiv sagen, dass es sich dabei um einen Betrag handelt – und dabei geht es mir wie einigen anderen Klubs auch –, mit dem man eigentlich in einer normalen Saison kein DEL-Eishockey spielen kann. Es war ja ohnehin schon vor Corona bekannt, dass unser Spieleretat etwas nach unten gehen würde. Jetzt, durch die Pandemie, ist er jedoch auf einem Level, wie ich ihn bislang nicht kannte. Man muss einfach versuchen, das Beste daraus zu machen. Letztlich steht ohnehin im Vordergrund, dass wir an einer DEL-Saison 2020/2021 überhaupt teilnehmen können. Damit das möglich ist, müssen wir versuchen, aufgrund der deutlich geringeren Einnahmen – wir müssen beispielsweise ohne Zuschauer kalkulieren – Ausgaben zu sparen. Vom Gefühl her würde ich sagen, dass wir uns in einer Phase befinden, in der wir ein Stück näher gekommen sind, spielen zu können.

    Einsparungen können und müssen vor allem bei den Spieler-Gehältern vorgenommen werden. Um bei den noch fehlenden (Import-)Akteuren zu bleiben: Wie sieht denn generell der Spielermarkt Ende Oktober 2020 aus?

    Mitchell: Fakt ist, dass es nach wie vor viele Spieler geben wird, die nicht für das Geld, das ich ihnen anbieten kann, unterschreiben werden. Auf der anderen Seite bin ich aber überzeugt, dass es auch etliche Jungs geben wird, die sagen: Nach dieser langen Pause geht es mir nicht ums Geldverdienen, sondern einfach darum, Eishockey zu spielen, sich für die neue Saison zu positionieren und damit das Beste aus dieser Situation zu machen. Natürlich ist das eine riesengroße Herausforderung – aber das war es für mich sieben Jahre lang in Augsburg mit dem niedrigsten Etat der Liga auch immer! Falls die Saison beginnt und wir am Start sind, werden wir mit Sicherheit einen vollen Kader mit hoffentlich auch dem einen oder anderen Topspieler, den wir überreden können, haben. Wie dann die Zielsetzung aussieht, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht sagen.

    Wie optimistisch sind Sie denn, dass die DEL-Saison 2020/2021 wie derzeit angepeilt Mitte Dezember startet?

    Mitchell: Nach der politischen Entscheidung am Mittwoch mit dem „Lockdown light“ und den derzeit steigenden Fallzahlen sollte man nicht den Fehler begehen, zu optimistisch an diese Sache heranzugehen. Man sieht daran, wie schnell sich derzeit Dinge verändern können. Ich versuche daher eigentlich immer, einen goldenen Mittelweg zwischen Optimismus und Realismus zu finden. Was die konkrete Situation des ERC Ingolstadt betrifft: Wenn es uns gelingt, die finanziellen Rahmenbedingungen für einen möglichen Saisonstart Mitte Dezember zu schaffen, gehe ich davon aus, dass wir dabei sind.

    Vorausgesetzt, die DEL-Hauptrunde beginnt tatsächlich Mitte Dezember: Sie müssen Ihren Kader auffüllen, die Spieler nach Ingolstadt beziehungsweise aus der Kurzarbeit holen und eine Vorbereitung planen. Gibt es diesbezüglich trotz der aktuell ungewissen Situation schon einen konkreten Plan?

    Mitchell: Wir haben uns schon vor längerer Zeit dazu entschieden, dass wir uns ausschließlich auf uns konzentrieren. Wie bereits erwähnt, geht es momentan ausschließlich darum, erst einmal die finanziellen Rahmenbedingungen für einen Spielbetrieb zu schaffen. In meinen Augen wäre es daher auch Zeitverschwendung, sich bereits Gedanken über den zweiten, dritten und vierten Schritt zu machen. Dennoch muss ich schon zugeben, dass ich oft nachts ins Bett gehe und mir darüber den Kopf zerbreche, wie ich noch sechs Spieler verpflichte, das ganze Organisatorische erledige beziehungsweise wir es auf die Reihe bekommen, dass wir bereits Mitte November in die Vorbereitung starten. Man kann daher zweifelsohne sagen, dass es die bislang größte Herausforderung ist, vor der ich jemals in meiner Eishockey-Karriere gestanden habe. Aber in Corona-Zeiten ist nun einmal alles anders.

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