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ERC Ingolstadt: Michael Garteig: Der Dosenöffner

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Michael Garteig: Der Dosenöffner

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    Auf seine Fangkünste wird es auch am Donnerstag im zweiten Play-off-Match gegen RedBull München ankommen: Ingolstadts Schlussmann Michael Garteig.
    Auf seine Fangkünste wird es auch am Donnerstag im zweiten Play-off-Match gegen RedBull München ankommen: Ingolstadts Schlussmann Michael Garteig. Foto: Johannes Traub

    In gewissen Dingen ist Michael Garteig genauso durchgeknallt wie jeder andere Eishockey-Torhüter auch. Auf dem Weg von der Startaufstellung in seinen Kasten macht der Goalie des ERC Ingolstadt stets eine 360-Grad-Drehung an der blauen Linie. Wenn er Wasser aus seiner Plastikflasche in die Luft spritzt, dann verfolgt er die Flugbahn der Tropfen mit seinen Augen. Er habe so viele Eigenheiten, erzählt

    Beim ersten Play-off-Viertelfinale gegen RedBull München am Dienstagabend, da machte Garteig aber etwas, was selbst für Torhüter ungewöhnlich ist, zumal im Jahr 2021. Der legendäre Dominik Hasek von den Buffalo Sabres praktizierte es stets. Doch die Glanzzeit des Tschechen liegt ein Vierteljahrhundert zurück. Da war der ERCI-Goalie noch so klein, dass er in Haseks Beinschonern hätte schlafen können. Jedenfalls legte Garteig sich quer, als Frank Mauer – immerhin mit 31 Play-off-Treffern in seiner Karriere – Sekunden vor der ersten Drittelpause allein vor ihm auftauchte und parierte so die Scheibe.

    Der „Querleger“ kommentiert: „Ein Torwarttrainer würde wahrscheinlich sagen, dass das nicht so ideal ist. Manchmal musst du alles tun, um den Puck zu stoppen. Aber das war Old School, kein Zweifel.“

    38 Paraden beim 4:1-Erfolg im ersten Aufeinandertreffen

    Und es war eine von insgesamt 38 wichtigen Paraden, die seinen Ingolstädtern einen 4:1-Sieg in der Landeshauptstadt bescherte. Um den Titelfavoriten zu schlagen, sagte Trainer Doug Shedden schon im Vorfeld der kurzen Best-of-Three-Serie, brauche es einen Ausnahme-Torhüter. Und den hatte Ingolstadt am Dienstag. Neben all den Dingen, die hervorragend klappten an diesem Tag – den lauernden Stürmern in der neutralen Zone, der Energie, den Blocks, der Schusseffizienz –, war Garteig gegen die RedBulls letztlich der Dosenöffner.

    Damit stand der Torhüter beispielhaft für das ganze Team, das es in den letzten Hauptrunden-Partien schleifen ließ und jetzt plötzlich eindrucksvoll zurückkam. Der Play-off-Platz war sicher, der Spielplan eng, so mancher Akteur angeschlagen, im Hintergrund liefen Vertragsverhandlungen. Mit Ingolstadt und anderen Klubs. Garteig etwa soll zurück nach Finnland gehen. Sheddens Team spielte im Schongang und holte nur noch einen glatten Sieg aus den vergangenen sieben Partien. Auch Garteigs Fangquote rutschte teils weit unter die 90 Prozent, kein guter Wert. „Es war für alle herausfordernd. Ich habe zuletzt nicht das gezeigt, was ich kann – genauso wie die gesamte Mannschaft. Aber am Ende des Tages sind wir in den Play-offs.“

    Alles nur ein Täuschungsmanöver, Herr Shedden? Eine „Selbstverzwergungstaktik“, um von München unterschätzt zu werden und dann alle zu überrumpeln? „Ja, natürlich“, antwortet der Trainer erst einmal sarkastisch, sagt dann aber: „Wir haben aus unterschiedlichen Gründen nicht unser bestes Eishockey gezeigt. Umso schöner war es, wie wir am Dienstag rausgekommen sind.“

    Der Umschwung bei Michael Garteig kam schon einige Tage zuvor

    Bei Garteig kam der Umschwung schon ein paar Tage zuvor. Freitag, Verlängerung gegen Bremerhaven. Nach einem Spagat geht Garteig in die Beuge, verzieht das Gesicht. Die drei entscheidenden Penaltys hält er sichtlich unter Schmerzen. Nur Beinkrämpfe, stellte sich bald heraus. „Ich hatte das schon ein paar Mal in dieser Saison. Während des Spiels schwitze ich viel. Manchmal kann zu wenig Flüssigkeit zu so etwas führen“, sagt Garteig. Enorm wichtig für ihn selbst und das Team sei der Shootout-Sieg gewesen. Hätte sich der 29-Jährige ernsthaft verletzt, die Stimmung im Panther-Lager wäre um einiges düsterer.

    Jetzt also steht Garteig im Rampenlicht. Das sei er gewohnt als Torhüter, sagt er. Ein Pitcher im Baseball oder ein Quarterback im American Football fühle sich nicht anders: „Das Team verlässt sich auf dich. Und ich will ihm die Chance geben zu gewinnen. Ein paar Play-off-Spiele hatte ich ja schon in meiner Karriere.“

    Und drei Meisterschaften in Nordamerika auch – bei den Junioren, auf dem College und in der drittklassigen East-Coast-Hockey-League (ECHL). Garteig weiß also, was es braucht, um ganz oben zu stehen: „Es ist eine Kombination vieler Dinge. Du brauchst etwas Glück, aber auch ein Team, das zur richtigen Zeit zusammenkommt. Wir sind das Jahr über durch so viele Höhen und Tiefen gegangen. Das könnte schon eine solche spezielle Situation sein.“

    Beim ERC Ingolstadt gibt es nun wieder ein Play-off-Ritual

    Nach einigen Jahren ohne Play-off-Ritual will der ERCI in seiner Kabine nun wieder schwarze Hartgummischeiben auf einfache Regalbretter stellen. Teams machen das mit den Pucks aus ihren gewonnenen Endrunden-Spielen, um zu verbildlichen, wie weit es noch ist, bis zur Meisterschaft. Eine Scheibe steht schon da, fehlen noch fünf. „Das ist ein großartiger Schritt“, sagt Shedden. Die Betonung setzt er auf „ein“, nicht auf „großartig“.

    Der Trainer ist sehr darum bemüht, nicht zu viel Euphorie aufkommen zu lassen. Auf der Pressekonferenz in München sagte er nach dem 4:1-Sieg: „Wir freuen uns jetzt 30 Minuten darüber.“ Keine halbe Stunde später schritt er ernsten Blickes in den Mannschaftsbus, kam nochmals heraus und schüttete mysteriöserweise ein volles Bier in den Gulli. „Es war warm“, erklärt Shedden lachend am nächsten Tag. Gefeiert wurde auf der Fahrt dennoch nicht. Shedden begann sofort mit der Videoanalyse.

    Das Defensiv-Verhalten in der neutralen Zone will er feinjustieren. Da versuche München das eine oder andere, seinem Überfallsystem sonst aber treu bleiben und vor allem Clips vom Dienstag zeigen. Weniger Ausschnitte aus einer Partie gegen München von Anfang März. Damals war sein Team bei einem 2:5 chancenlos. Das Team von Don Jackson hatte in der Hauptrunde zuvor dreimal gegen den ERCI verloren. Die Blöße einer weiteren Nullnummer wollten sich die RedBulls nicht geben. „Das macht mir Sorgen. Wenn sie ernst machen, müssen wir aufpassen.“

    Ingolstadts Trainer Doug Shedden denkt an die Play-off-Serie 2019 gegen Köln

    Und noch eine weitere Partie kommt Shedden in den Kopf: Play-offs 2019, Viertelfinale gegen Köln, Spiel sechs in Ingolstadt, Matchball. „Es bedeutete alles, dass wir das zuhause verloren haben. Dann mussten wir wieder nach

    „Du willst diesem Team nicht die Gelegenheit geben, Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Dafür sind sie zu gut“, sagt er. „Sie sind der King Kong der Liga. Und wenn du King

    Die Kraft eines Filmmonsters hätte Colton Jobke annähernd. Doch der Verteidiger verletzte sich in Spiel eins bei einem Check gegen Münchens Andrew McWilliam am rechten Bein. Eine MRT-Untersuchung stand für Mittwochabend an. Auflaufen wird er nicht. „Die Sturmreihen werde ich nicht ändern“, kündigt Shedden an. Heißt: Mirko Höfflin, der am Dienstag noch bei seiner Frau und dem frisch geborenen Kind blieb, wird ebenso wie der überzählige Importspieler Petrus Palmu draußen bleiben. Und im Tor wird wieder Garteig stehen.

    „Die Münchener werden so hart rauskommen, wie sie nur können“, sagt er. „Wir müssen uns einfach auf uns fokussieren.“ Dafür wird sich Garteig wieder an der blauen Linie drehen und den Wassertropfen nachblicken. Und vielleicht packt er dann auch wieder den altmodischen Hasek-Move aus.

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