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Der große "Eishockey-Gipfel": „Fünf oder sechs Ausländer sind genug“

Der große "Eishockey-Gipfel"

„Fünf oder sechs Ausländer sind genug“

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    Interessante Gesprächsrunde: Die Nationalspieler Thomas Greilinger (links), Michael Wolf (Zweiter von links) und Felix Schütz (rechts) sprechen mit NR-Sportredakteur Dirk Sing (Zweiter von rechts) über das deutsche Eishockey beziehungsweise die DEL.
    Interessante Gesprächsrunde: Die Nationalspieler Thomas Greilinger (links), Michael Wolf (Zweiter von links) und Felix Schütz (rechts) sprechen mit NR-Sportredakteur Dirk Sing (Zweiter von rechts) über das deutsche Eishockey beziehungsweise die DEL.

    Ingolstadt Sie gehören zum Besten, was die Deutsche Eishockey-Liga zu bieten hat: Thomas Greilinger (30 Jahre/ERC

    Herr Wolf, wenn man die letzten beiden Auftritte der DEB-Auswahl bei der Eishockey-Weltmeisterschaft gegen Norwegen (4:12) und Tschechien (1:8) betrachtet: Waren Sie froh, dass Ihnen dies erspart geblieben ist?

    Michael Wolf: Nein, definitiv nicht. Ich wäre auf alle Fälle sehr gerne dabei gewesen – auch wenn ich natürlich nicht weiß, in welchem Maße ich der Mannschaft hätte helfen können. Für mich persönlich war es die erste Weltmeisterschaft seit sechs Jahren, die ich leider verpasst habe.

    Herr Schütz, Herr Greilinger, wie fallen Ihre Resümees als "Beteiligte" rund drei Wochen nach der WM aus?Thomas Greilinger: Nun, bis auf die letzten beiden Spiele gegen Norwegen und Tschechien waren unsere Leistungen sicherlich nicht schlecht. Klar, speziell gegen Norwegen hatten wir uns wesentlich mehr vorgenommen. Doch dann lagen wir bereits nach zwei Minuten mit 0:3 hinten und die Norweger haben sich anschließend in einen wahren Rausch gespielt. Wir müssen das Ganze jetzt einfach abhaken und nach vorne blicken.

    Felix Schütz: Insgesamt gesehen war es schon etwas enttäuschend, da wir uns sicherlich mehr ausgerechnet hatten. Im Nachhinein war wohl die 2:3-Niederlage gegen Lettland der Knackpunkt, auch wenn wir danach gegen Russland (0:2) noch ordentlich gespielt haben. Die Partien gegen Norwegen und Tschechien waren natürlich der Tiefpunkt.

    Besonders in der Kritik steht nach dem Scheitern in der Gruppenphase der neue Bundestrainer Jakob Kölliker. Konkret gefragt: Haben das Kölliker’sche Spielsystem einerseits sowie die Akteure des deutschen Teams einfach nicht zusammengepasst?

    Greilinger: Ich bin nicht der Meinung, dass es eine Frage des Systems ist. Als Nationalspieler musst Du schlichtweg in der Lage sein, mehrere Systeme entsprechend umsetzen zu können. In der DEL gibt es ja auch Trainer mit unterschiedlichen Philosophien. Die einen Coaches lassen Mann-gegen-Mann spielen, die anderen beispielsweise bevorzugen ein Forechecking mit zwei Leuten. Dem Trainer die alleinige Schuld in die Schuhe zu schieben, wäre daher für mich nicht nachvollziehbar. Vielmehr muss sich jeder Spieler selbst hinterfragen, ob er das Maximum aus sich herausgeholt hat.

    Dennoch wird derzeit auch über die Zukunft von Jakob Kölliker beim DEB diskutiert: Bleibt er Bundestrainer, übernimmt er den Posten des Sportdirektors oder wird sogar ein wechselnder „Teammanager“ nach Vorbild der USA/Kanada installiert, der das Coaching der Mannschaft bei Länderspielen und Großereignissen übernimmt. Macht gerade letztere Lösung in Ihren Augen Sinn?

    Wolf: Ich bin jetzt schon mehrere Jahre beim Nationalteam dabei und habe bislang stets mit einem hauptverantwortlichen Bundestrainer zusammengearbeitet. Daher kenne ich eine solche Konstellation, die sicherlich Vor- und Nachteile besitzt, nicht. Aber wie Thomas Greilinger vorher schon gesagt hat, kann man Jakob Kölliker jetzt sicherlich nicht als Alleinschuldigen hinstellen. Als Uwe Krupp damals die Nationalmannschaft übernommen hat, lief es in den ersten ein, zwei Jahren auch noch nicht wie gewünscht. Ich möchte jedenfalls nicht in der Haut derjenigen stecken, die diese Entscheidung letztlich zu treffen haben. Greilinger: Auch wenn ich bislang zu diesem ganzen Thema kaum etwas gehört habe, muss ich schon ehrlich sagen, dass ich von einer wechselnden Trainerlösung nicht wirklich so viel halten würde. Im Grunde hat man mit der Nationalmannschaft zwei Turniere im Jahr, auf die man sich vorbereiten muss. Und dafür wäre meines Erachtens eine dauerhafte Lösung schon vorteilhaft.

    Bei der Heim-WM 2010 stand am Ende Platz vier zu Buche, während man 2011 immerhin noch das Viertelfinal-Ticket lösen konnte. Haben die guten Ergebnisse der vergangenen beiden Jahre dafür gesorgt, dass sich auch das Anspruchsdenken, gerade bei der Öffentlichkeit, verändert hat?

    Wolf: Auf der einen Seite sind wir durch diese Resultate sicherlich etwas verwöhnt. Andererseits darf man aber auch nicht vergessen, dass es in den Jahren zuvor auch nicht unbedingt rosig gelaufen ist. Ich erinnere nur an die WM 2009, als wir sportlich abgestiegen waren und uns nur deshalb in der A-Gruppe gehalten haben, weil die Titelkämpfe 2010 in Deutschland stattgefunden haben. Wir kratzen zwar immer am achten Platz. Doch dauerhaft im Viertelfinale vertreten zu sein, dazu sehe ich uns noch nicht in der Lage.

    In der „Agenda 2018“ des Deutschen Eishockey-Bundes ist festgeschrieben, dass es der Anspruch sein muss, dauerhaft unter den besten acht Nationen vertreten zu sein. Was müsste sich ändern, damit dieses Ziel in die Tat umgesetzt werden kann?

    Greilinger: Das Wichtigste ist sicherlich, dass die jungen deutschen Spieler in ihren Klubs nicht nur in der vierten Reihe geparkt und mit fünf oder sechs Wechseln pro Partie abgespeist werden, sondern frühzeitig im Powerplay oder Unterzahlspiel Verantwortung übernehmen müssen. Das beste Beispiel in der DEL sind die Eisbären Berlin, als vor einigen Jahren deren Trainer Pierre Page etliche junge Akteure in sein Team geholt hat. Davon leben die Eisbären noch heute. Dass sie nahezu jedes Jahr deutscher Meister werden, ist sicherlich kein Zufall.

    Schütz: Ich denke auch, dass das Thema Nachwuchsarbeit mit anschließender Integration in den Seniorenbereich ein ganz wichtiger Punkt ist. Diesbezüglich sind natürlich vor allem die Vereine in der Pflicht, nicht nur den kurzfristigen Erfolg im Auge zu haben, sondern vielmehr langfristig zu planen. Eben mit jungen deutschen Spielern auf der einen, aber auch guten Ausländern, von denen man weiß, dass sie nicht nur ein oder zwei Jahre bleiben, auf der anderen Seite.

    Im DEB-Kader stehen auch bei nahezu jedem Großereignis etliche Akteure, die bei ihren DEL-Klubs nur eine „Nebenrolle“ spielen, dann aber plötzlich im Nationalteam Verantwortung übernehmen müssen. Ist dieser „Quantensprung“ überhaupt möglich?

    Wolf: Möglich ist es auf alle Fälle. Aber klar, ein Spieler, der bereits in seinem Verein Powerplay spielt und Verantwortung auf dem Eis übernimmt, tut sich in solchen Situationen schon wesentlich einfacher als ein Akteur, der plötzlich im internationalen Vergleich beziehungsweise bei deutlich höherem Niveau, eine derartige Rolle ausfüllen muss. Letztlich hängt es an jedem Spieler selbst, ob er dazu in der Lage ist.

    Mal grundsätzlich gefragt: Welche Rolle hat der „deutsche Spieler“ in der DEL überhaupt?

    Greilinger: Das ist unterschiedlich. Es gibt Vereine wie beispielsweise Köln, die haben in der vergangenen Saison mit nur fünf Ausländern gespielt und mehr auf die deutsche Schiene gesetzt. Doch der überwiegende Teil der Klubs versucht dagegen, hauptsächlich mit ausländischen Akteuren zum Erfolg zu kommen. In diesem Fall ist es natürlich gerade für die jungen Spieler nicht einfach, Erfahrungen zu sammeln.

    Welche „Amtssprache“ herrscht bei Ihnen in der jeweiligen Mannschaftskabine vor?

    Greilinger: Ganz klar Englisch.

    Wolf: Auch Englisch.

    Schütz: Bei uns wird Deutsch gesprochen.

    Wolf: Ich denke mal, so etwas hängt auch immer davon ab, wie viele Ausländer letztlich in Deinem Team sind. Wenn Du dann mit ihnen zusammensitzt und diese kein Deutsch verstehen, würde ich es schon als ’respektlos’ empfinden, wenn man sie sprachlich nicht einbezieht. Und das geht eben in diesem Fall nun mal nur mit Englisch.

    Greilinger: Ich sehe aber schon auch ein Problem darin, dass es in unserer Liga viele ausländische Akteure gibt, die schon etliche Jahre in Deutschland sind, jedoch überhaupt kein Interesse zeigen, die deutsche Sprache zu lernen, da hier ohnehin nur Englisch gesprochen wird. Das finde ich nicht ganz in Ordnung. Schütz: Dieser Meinung bin ich auch. Wenn man als Ausländer schon sieben oder acht Jahre in Deutschland spielt, dann muss man zumindest versuchen, diese Sprache auch zu sprechen und zu verstehen.

    Ist nicht genau diese Problematik mitverantwortlich für die oftmals rückläufige oder fehlende Identifikation zwischen Spieler, Verein und Fans?

    Wolf: Grundsätzlich denke ich schon, dass die Vereine beim Thema Identifikationsfiguren schon zumeist auf ihre deutschen Spieler setzen, die auch das Aushängeschild darstellen. Wir haben momentan zwar sicherlich viele Ausländer in der Liga, sind aber hier auf einem guten Weg, die Maximalanzahl weiter herunterzufahren. Man kann jetzt sicherlich nicht sagen, dass alles besser wäre, würden wir bereits in der kommenden Saison nur noch mit drei Import-Spielern antreten. Das funktioniert einfach nicht. Aber mittelfristig gesehen sollte die Ausländer-Zahl weiter nach unten geschraubt werden, was letztlich auch dem Nationalteam zugutekommen würde.

    Greilinger: Dem kann ich nur zustimmen. Am Ende hängt ohnehin alles bei den Vereinen. Nehmen wir an, es gäbe tatsächlich nur noch drei Ausländer-Lizenzen, aber die Klubs verpflichten darüber hinaus noch zehn eingedeutschte Akteure, dann bist Du genau so weit wie vorher.

    Stichwort „eingedeutschte Akteure“: Mehr und mehr Klubs bedienen sich jetzt schon dieser Möglichkeit. Besteht die „Gefahr“, dass bei sinkender Ausländerzahl gleichzeitig die Masse an „Eingedeutschten“ weiter zunimmt?

    Greilinger: Ich sehe eher die Gefahr darin, dass solche Spieler für einen sehr geringen Lohn nach Deutschland kommen, um hier quasi für ein Butterbrot zu spielen – was wiederum die Preise beziehungsweise das Gehaltsgefüge völlig zerstört.

    Schütz: Ja, das stimmt. Ich habe selbst in der kanadischen Junioren-Liga mit Leuten zusammengespielt, die jetzt in der DEL irgendwo in der vierten Reihe spielen, während die Deutschen gar nicht zum Einsatz kommen. Eine solche Entwicklung ist schon sehr gefährlich.

    Wolf: Wobei man aber sicherlich sagen muss, dass man den Spielern selbst keinen Vorwurf machen kann. Wären wir an deren Stelle, würden wir wohl genau so handeln. Was meines Erachtens aber etwas falsch ausgelegt wird: Wenn ein Spieler aus Nordamerika kommt, dann muss dieser nicht unbedingt immer besser sein als ein Deutscher aus der zweiten Liga oder Oberliga. Ich denke, solche Akteure bekommen ihre Chance nicht so häufig als jene, die aus Übersee geholt werden und auch einen deutschen Pass besitzen.

    Liegt diese Entwicklung auch daran, dass das deutsche Eishockey sehr nordamerikanisch geprägt ist?

    Wolf: Auf alle Fälle. Nachdem es in der DEL viele nordamerikanische Trainer und Manager gibt, kann man das definitiv so sagen.

    In der kommenden DEL-Saison wird die Anzahl der ausländischen Akteure auf neun reduziert. Mit welcher Zahl könnten Sie mittelfristig leben?

    Greilinger: Fünf bis sechs.

    Wolf: Das würde ich auch sagen – wobei dies eben nicht von heute auf morgen umsetzbar ist. In diesem Punkt kann ich die Verantwortlichen auch absolut verstehen.

    Schütz: Aufgrund der Tatsache, dass es bereits sehr viele ’Eingedeutschte’ gibt, würde ich fünf Ausländer für ausreichend halten – wobei das, nach dem Vorbild der Schweiz, sehr gute und erfahrene Akteure sein sollten, was dem gesamten Niveau beziehungsweise der Entwicklung der jungen Spieler sicherlich zugutekommen würde.

    Angenommen, Sie hätten einen Sohn, der alles auf die Karte Profi-Eishockey setzen wollte. Würden Sie ihn in diesem Vorhaben unterstützen?

    Greilinger: Unterstützen auf alle Fälle. Aber ich würde auf alle Fälle darauf achten, dass er seine Schule beendet und eine Ausbildung macht.

    Wolf: Ich würde meinen Sohn auch voll unterstützen – egal, welche Sportart er ausüben möchte. Einen Druck, dass er Eishockey-Profi werden muss, würde es von meiner Seite aber garantiert nicht geben.

    Schütz: Schule und Ausbildung würden bei mir auch an erster Stelle stehen. Denn wie schnell eine Profisport-Karriere beendet sein kann, sieht man leider immer wieder.

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