Wer Yannic Seidenberg, 40, auf Instagram folgt, bekam in den vergangenen Wochen immer wieder zu sehen, wie der ehemalige Eishockeyspieler mit einem Foodtruck durch München fährt und Burger verkauft. Seit drei Tagen steht in dem sozialen Netzwerk zu lesen, dass Seidenberg zusammen mit dem Journalisten und Autor Florian Kinast ein Buch geschrieben hat. Dessen Titel: Powerplay. In der Kurzbeschreibung steht: „Er (Seidenberg, Anm. d. Red.) verrät uns, mit welchen Strategien er enttäuschte Träume und sportliche Rückschläge überwand. Und er gewährt uns hautnahe Einblicke in die Entwicklung des Eishockeys während der letzten zwei Jahrzehnte, über die nur ein Veteran von seinem Format verfügt.“ Immerhin ist Seidenberg einer der erfolgreichsten deutschen Eishockeyspieler. Mehr als 1000 Partien in der Deutschen Eishockeyliga, dreimal deutscher Meister mit dem EHC München, Silbermedaillen-Gewinner bei Olympia 2018 in Pyeongchang.
Yannic Seidenberg hat Strafbefehl akzeptiert
Nun darf man aber vor allem darauf gespannt sein, wie genau Seidenberg beschreibt, beziehungsweise beschreiben lässt, was auf der Zielgeraden seiner großen Karriere passierte. Denn diesbezüglich ist bisher vor allem bekannt, wie sie endete: mit einer vierjährigen Sperre wegen Dopings. Offen auch, ob es die neueste Wendung dieser Ereignisse noch in das Buch geschafft hat, das man bisher nur vorbestellen und ab dem 15. Oktober kaufen kann. Denn am Donnerstag berichteten Süddeutsche Zeitung und Bayerischer Rundfunk zeitgleich, dass Seidenberg einen Strafbefehl akzeptiert habe, der ihm wiederholtes Doping vorwirft.
Es ist der vorläufige Endpunkt einer Geschichte, die im Herbst des Jahres 2021 beginnt, als die Nationale Antidopingagentur laut SZ erstmals auf Seidenberg aufmerksam wird. Deshalb muss er am 19. Januar 2022 erneut eine Urinprobe abgeben, die später als positiv eingestuft wird. Es beginnt eine Hängepartie, die gleich mehrere Fragen aufwirft, vor allem aber diese: Warum dauerte es knapp acht Monate, bis Seidenberg am 14. September suspendiert wurde? Seidenberg habe in dieser Zeit 23 Spiele für seinen Arbeitgeber Red Bull München bestritten, mutmaßlich unter Dopingeinfluss, schreibt der BR.
Bitte um höhere Dosierung
Die beiden Medien zitieren ausführlich aus dem Strafbefehl, den das Amtsgericht München am 18. Juni 2024 verschickt habe. Unter anderem folgende Passage: „Sie baten um eine höhere Dosierung, damit Sie die folgenden sechs Wochen ‚gut auftrainieren‘ können.“ Der Amtsrichter habe sich auf eine Kommunikation „per Messengerdienst“ zwischen Seidenberg und dessen damaligen Arzt bezogen. Im „tatgegenständlichen Zeitraum“ von etwa einem Jahr zwischen September 2021 und 2022 habe Seidenberg Dopingsubstanzen von seinem Arzt verschrieben bekommen und regelmäßig konsumiert. Es handelte sich um eine Testosteron-Creme und die Steroidsubstanz DHEA (Dehydroepiandrosteron). In dem Strafbefehl heiße es weiter: „In sämtlichen vorgenannten Fällen beabsichtigten Sie mit der Anwendung der Arzneimittel eine Leistungssteigerung bzw. schnellere Regeneration zu erreichen und sich damit in Wettbewerben des organisierten Sports einen Vorteil zu verschaffen.“ Eine medizinische Indikation habe in keinem der Fälle vorgelegen.
Seitdem vor zehn Jahren das Anti-Dopinggesetz in Kraft trat, können Dopingvergehen auch Konsequenzen jenseits der Sportgerichtsbarkeit nach sich ziehen. In diesem Fall ist es eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen, was laut Staatsanwaltschaft einer Geldstrafe im hohen vierstelligen Bereich entspreche.
Seidenbergs Anwalt sagt, sein Mandant habe einen Schlussstrich ziehen wollen
Seidenberg und dessen Anwälte hatten bis zuletzt argumentiert, der Eishockeyprofi habe nicht absichtlich gedopt, sondern auf die ärztliche Expertise vertraut, ihm dopingfreie Medikamente verschrieben zu haben. Nun lässt die SZ Seidenbergs Anwalt Rainer Cherkeh zu Wort kommen: „Unser Mandant hat den Strafbefehl akzeptiert, um vor dem Hintergrund der mit einem Hauptverfahren einhergehenden erheblichen Belastungen – vor allem auch für das persönliche Umfeld – einen Schlussstrich zu ziehen. Nicht mehr und auch nicht weniger.“
Der Arzt hingegen, der Seidenberg die Mittel verschrieben hat, habe laut BR einen Strafbefehl nicht akzeptiert. Deshalb komme es am 6. November vor dem Amtsgericht Villingen-Schwenningen zur Hauptverhandlung gegen den Arzt. Seidenberg ist für die Verhandlung als Zeuge vorgesehen.
Bleibt die Frage, was in dem ungewöhnlich langen Zeitraum zwischen Dopingkontrolle und Suspendierung passiert ist? Oder auch die Frage, warum eigentlich der Deutsche Eishockeybund (DEB) am 14. September 2022 die Nachricht über „ein von der Norm abweichendes Analyseergebnis“ auf seiner Homepage öffentlich machte, obwohl Seidenberg schon am 5. April 2022 seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft bekannt gegeben hatte?
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden