Im Frühjahr ging es von Mannheim nach Schwaben: Wie haben Sie sich in Neusäß bei Augsburg eingelebt?
Dennis Endras: So ganz neu ist die Situation für meine Frau Lisa, Sohn Ian und mich nicht. Wir waren bereits im vergangenen Sommer im Neusässer Haus. Aber im Mai mussten wir das Haus in Mannheim komplett räumen und haben viel aussortiert.
Wo fühlen Sie sich zuhause: In Sonthofen, wo Sie groß geworden sind? In Mannheim, wo Sie mit zwei deutschen Meistertiteln in zehn Jahren gespielt haben? Oder doch jetzt Augsburg?
Endras: Mit Sonthofen werde ich immer verbunden sein, weil ich dort aufgewachsen bin. Wir besuchen oft meine Eltern und das ist von Augsburg aus leichter als zuletzt von Mannheim. Auch Mannheim mit einer sportlich erfolgreichen Zeit hat mich geprägt. Augsburg ist jedoch unsere Wahlheimat. Meine Frau kommt aus der Stadt und für uns war klar, dass wir als Familie spätestens nach meinem Karriereende hier leben wollen und schätzen auch die Größe der Stadt.
Es war ja sowieso Ihr Plan, spätestens nach dem Ende der aktiven Karriere nach Augsburg zurückzukehren, jetzt ging es doch schneller als gedacht. Erzählen Sie bitte, wie der Wechsel, für die Fans doch überraschend, zustande gekommen ist.
Endras: Das war für mich auch überraschend. In der Februar-Pause gab es die ersten Gespräche mit Lothar Sigl (Hauptgesellschafter der Augsburger Panther/Anm. d. Red.). Dann ging das Kopfkino bei mir los. Ich habe hin und her überlegt, auch mit meiner Frau Lisa. Dann wurde es immer konkreter und ich habe mich dazu entschlossen, zurück nach Augsburg zu kommen. Ich hatte da noch einen Vertrag für ein Jahr bei den Adlern Mannheim. Für mich war es nicht leicht, zum sportlichen Leiter Jan-Axel Alavaara zu gehen und um die Vertragsauflösung zu bitten. Nach zehn Jahren hängt man am Verein, hat viele Freundschaften auch außerhalb des Eishockeys geschlossen. Aber mein Entschluss zum Wechsel stand fest und wir waren froh, als alles fixiert war und die Geheimnistuerei ein Ende hatte. Mannheim war sehr fair und hat mir die Option ermöglicht, früher nach Hause zu kommen.
Es ist nicht alltäglich, dass ein Stammspieler von einem Topklub, der fast immer die Play-offs erreicht, zu einem Verein wie Augsburg wechselt, der meist um den Play-off-Einzug hart kämpfen muss. Was reizt Sie an der schwierigen Aufgabe?
Endras: Ich habe gemerkt, dass ich eine neue Herausforderung suche, auch weil ich noch lange spielen will. Ich möchte es mir selbst und allen anderen beweisen, dass ich weiter auf höchstem Niveau spielen kann. Es war die Entscheidung für einen neuen Abschnitt. Nach den ersten Wochen hier bei den Panthern bereue ich es keine Sekunde lang. Ich merke, wie ich wieder auflebe, mit neuen Jungs in der Kabine, einem neuen Trainer.
Sie haben die Panther 2011 verlassen und kehren 2022 zurück. Abgesehen von dem inzwischen gelungenen Umbau samt Einhausung, hat sich auch der Klub weiter entwickelt?
Endras: Die handelnden Personen sind größtenteils die Gleichen. So viel hat sich nicht verändert. Der Klub kümmert sich intensiv um die Spieler und ihre Familien. Das ist ein großer Pluspunkt. Mit dem Umbau hat sich auch der Klub entwickelt und die Ansprüche sind gewachsen. Mit dem Umbruch in diesem Sommer im gesamten Trainerteam ist klar, dass wir weiter nach oben wollen. Es liegt jetzt an uns als Mannschaft, das umzusetzen.
Als vielfacher Nationaltorwart und zweifacher Deutscher Meister sind Sie Führungsspieler in Augsburg. Wie sehen Sie ihre Rolle?
Endras: Wir brauchen eine Siegermentalität in der Kabine. Man muss gar nicht so viel sagen, sondern mit gutem Beispiel vorangehen. Wenn die Jungs sehen, wie ein 37-Jähriger jeden Tag arbeitet, vor dem Training, auf dem Eis und nach dem Training, dann sollte das genug sagen. Ich denke, die Mannschaft hat gesehen, dass ich nicht hier bin, um irgendetwas ausklingen zu lassen. Ich gebe alles und habe hohe Ziele. Man muss nicht viel reden, sondern es tun.
Sie sind am 14. Juli 37 Jahre alt geworden, muss man als reifer Torhüter anders trainieren als ein 20-Jähriger?
Endras: Klar, ich habe meine Routinen und die ziehe ich jeden Tag mehrmals durch. Ich weiß, was mein Körper braucht. Selbst zuhause vor dem Schlafengehen mache ich noch ein paar Yoga-Übungen um mobil zu bleiben oder lockere die Muskulatur auf der Rolle. Wenn ich das Stadion verlasse, ist mein Arbeitstag noch lange nicht vorbei. Wenn man etwas älter ist, muss man dran bleiben. Außerdem muss man sich die Kraft besser einteilen. Mein Schwerpunkt war und ist immer noch das Eistraining. Ich schaue, dass ich gut aktiviert aufs Eis komme, dass ich da alles geben kann. Danach im Kraftraum kann ich nicht noch zwei Stunden lang Gewichte stemmen. Da reicht der Saft nicht mehr. Ich muss schauen, dass ich schneller wieder in die regenerative Phase komme, mich richtig ernähre und dehne. Am Nachmittag darf ich nicht nur auf dem Sofa liegen. Sondern gehe spazieren und drehe auf dem Rad eine Runde. Der Körper muss in Balance sein.
Wer hat Ihr Programm zusammengestellt?
Endras: Das hat sich über die Jahre entwickelt. Aber ich lese viel und gerne zu den Themen Training und Regeneration. Ich habe mir aus einem Yoga-Buch Übungen herausgesucht. Das tut mir nicht nur für den Profi-Sport gut, sondern für mein ganzes Leben. Ich möchte noch viel mit meinem Sohn erleben, möchte mit ihm noch Fußball spielen können. Für mich ist es eine Lebensphilosophie geworden, dass ich fit und agil bleibe. Auch mit meiner Ernährung. Das möchte ich den jungen Spielern weiter geben. Was sie daraus machen ist jedem selbst überlassen. Aber ich will ihnen zeigen, was möglich ist, wenn man diszipliniert ist. Ich schenke den Jungen da draußen nichts.
Hat sich das Torwartspiel in einem Jahrzehnt verändert?
Endras: Es kommt immer mal wieder ein Kanadier mit einer neuen Technik um die Ecke, die auch Sinn macht. Aber im Großen und Ganzen geht es im Torwartspiel darum, den Puck zu fangen. Die Ausrüstung hat sich massiv verbessert. Vor 15 Jahren war die Ausrüstung dreimal so schwer. Dafür geht jetzt aber alles schneller kaputt.
Alle Anhänger fragen: Wie stark ist die neue Mannschaft?
Endras: Das hat mich meine Frau Lisa auch schon gefragt. Nach wenigen Testspielen ist es schwer einzuschätzen, weil jeder in der Vorbereitung unterschiedliche Wege geht. Beim Dolomitencup haben wir uns nach dem Auftakt im zweiten Spiel gesteigert und mit 5:2 gegen Biel gewonnen. Die Mannschaft war nach dem 0:2 gegen Pardubice niedergeschlagen. Jeder ist lange genug dabei, um so etwas richtig einzuordnen. Es war nur ein Test und der erste Test. Trotzdem haben wir alle eine Reaktion gezeigt. Das war ein gutes Zeichen für mich. Zudem weiß der Trainer was er will und das sagt er uns täglich klar im Training. Wer da mitzieht, wird eine gute Saison spielen. Je mehr Spieler dieser Sorte wir haben, desto erfolgreicher werden wir sein.
Mit Trainer Peter Russell steht erstmals ein Schotte in Augsburg an der Bande. Er ist neu in der DEL. Wie schätzen Sie ihn ein?
Endras: Er sagt jedem, was er von ihm erwartet. Er fordert viel Selbstdisziplin ein, dazu gehört, dass man sich die Dinge anschaut, die er verschickt. Da habe ich auch schon andere Trainer erlebt, deswegen gefällt mir das bis jetzt sehr gut. Er ist ein lustiger Kerl, der aber sehr ernst sein kann. Das haben wir ebenfalls schon erlebt. Da wissen wir noch nicht genau, wo die rote Linie ist. Er redet gerne, arbeitet viel mit Videostudium und ist klar in seinen Aussagen. Der schottische Akzent ist nur dann stark heraus zu hören, wenn er sich in Rage redet. Das sollten wir nicht ausreizen.
Sie haben im Interview mit unserer Zeitung gesagt, dass Sie das Scheitern in der Finalserie um die deutsche Meisterschaft im Jahr 2010 gegen Hannover immer noch ein wenig wurmt. Ziel ist also der Deutsche Meistertitel?
Endras: Ich sage jetzt nicht, dass wir Deutscher Meister werden. Andererseits: Wir treten an, um etwas zu gewinnen. Wenn man eine gute Mannschaft hat, und ich bin überzeugt, dass wir sie haben, dann kann man ins Träumen geraten. Und 2010 ist immer noch irgendwie in meinem Kopf. Die Hannover Scorpions gibt es inzwischen nicht mehr. Wenn wir Meister geworden wären, wäre es bestimmt schöner für alle gewesen. Aber jetzt liegt ein langer Weg vor uns und für mich gilt es, noch viele Schüsse zu halten. Wir wollen in die Play-offs kommen und dann hoffentlich marschieren.
Gleich im ersten Training hat ihnen Matt Puempel unabsichtlich auf die Maske geschossen. Wie stark spürt man so etwas unter dem Helm?
Endras: Das fällt unter die Kategorie Berufsrisiko. Wenn der Puck im Ohrbereich aufschlägt, ist es jedoch unangenehm und surrt eine Zeit lang. Der Kopf ist ansonsten nicht so problematisch, weil er gut geschützt ist. An den Schultern kann ein Volltreffer schmerzhaft sein. Aber die Jungs haben Anstand und entschuldigen sich meistens, selbst im Spiel, wenn der Schuss von einem Gegenspieler kam.
Gefühlt werden die Schüsse immer härter, weil sich das Schläger-Material weiter entwickelt. Ist der Job des Eishockey-Torhüters noch gefährlicher geworden?
Endras: Das sind schon Raketen, die abgefeuert werden. Und mittlerweile kann jeder, der früher nicht schießen konnte, schießen. Weil der Schläger wie Pfeil und Bogen funktioniert: Du kannst den Schläger durchdrücken und dann schnalzt der Puck heraus. Die Schüsse kommen vielleicht nicht härter als noch früher mit Holzschlägern, aber sie kommen schneller.
Man sagt, der Torwart sei in einer Eishockeymannschaft die absolut entscheidende Figur. Warum ist das so?
Endras: Ganz einfach, weil wir viel mehr Schüsse aufs Tor bekommen als beispielsweise im Fußball. Du bekommst auch gegen einen schlechten Gegner immer ein paar Schüsse auf den Kasten und musst hellwach sein. Wenn du einen Torwart drin stehen hast, der die meisten Scheiben fängt, gibt das den Vorderleuten viel Selbstvertrauen. Das ist besonders zu Beginn eines Spiels wichtig.
Sie sind seit zwei Jahren Vater. Wie lassen sich Familie und Profisport vereinbaren?
Endras:Inzwischen hat es sich eingependelt. Aber nach der Geburt war es schon schwierig, den nötigen Schlaf zu finden, weil Ian nicht der beste Schläfer war. Aber ich habe eine tolle Frau, die mir den Rücken frei hält. Trotzdem ist es anders. Wenn ich nach dem Training am Nachmittag nach Hause komme, kann ich mich nicht gleich hinlegen. Dann geht es ins Titania nach Neusäß oder wir unternehmen etwas anderes. Klar, Ian will auch etwas vom Papa haben. Wir haben viel Spaß mit ihm. Es war eine Freude zu sehen, wie Ian sich beim Dolomitencup in Neumarkt auf der Tribüne mit den AEV-Fans interagiert hat. Am Ende ist der ganze Block hinter Ian gestanden.
Haben sich Prioritäten in Ihrem Leben verändert?
Endras: Auf jeden Fall: Ian ist jetzt die Nummer eins. Andererseits gibt er mir unglaublich viel Kraft für den Sport, weil ich weiß, dass es da draußen mehr gibt, als nur eine Scheibe. Klar ist, dass wir alle gewinnen wollen, aber das Leben hat noch so viele andere Facetten.
Will Ian auch Eishockey-Torhüter werden?
Endras: Ob er Torwart werden will, weiß ich nicht. Aber er hat Handschuhe und Schläger und ich muss eigentlich permanent mit ihm Eishockey spielen. Da rührt sich etwas, da scheppert es. Das gefällt ihm.