Larry Mitchell, 17 Jahre nachdem Sie zum ersten Mal nach Augsburg gekommen sind, gibt es jetzt die Rückkehr. Wie fühlt es sich für Sie an?
Mitchell: Ich fühle mich wohl. Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass es damals eine schöne Zeit war. Ich bin dankbar, dass mir Augsburg die Chance gegeben hat, in der DEL zu arbeiten. Dass diese Zusammenarbeit dann irgendwann zu Ende geht, ist normal im Profisport. Immerhin hat es sieben Jahre gedauert mit einer Vize-Meisterschaft und vielen Play-off-Teilnahmen – was man damals sicher anders betrachtet hat als heute. Die Erwartungen waren plötzlich höher und deswegen hat man das vielleicht nicht so geschätzt. Aber ich verstehe, dass es manchmal vielleicht sogar für beide Seiten besser ist, wenn man sich nach so langer Zeit trennt. Und nach ziemlich genau einem halben Jahr haben Lothar und ich den Kontakt wieder aufgenommen. Das ist dann über die folgenden zehn Jahre so geblieben. Als sich dann die Chance ergeben hat, wieder nach Augsburg zu kommen, war das sehr spannend für mich und ich habe mich sehr darauf gefreut.
Wie war der entscheidende Kontakt zu Lothar Sigl? Hat er einfach angerufen und gesagt, er hätte einen Job für Sie?
Mitchell: Jein. Ich habe schon damals, als es in Ingolstadt zu Ende gegangen ist, mein Interesse gezeigt, irgendwann mal wieder für die Panther zu arbeiten. Lothar wusste das also und ich habe gespürt, dass er nicht dagegen war. Dann kam aber das Angebot aus der Schweiz und das war eine Chance, die man vielleicht nur einmal im Leben bekommt.
Wie war die Schweiz als Erfahrung?
Mitchell: In vielen Belangen war es das Gleiche wie hier, gleichzeitig aber auch komplett anders. In der Schweiz gibt es weniger diese Großsponsoren wie in der DEL. Da sind es Leute, die ihr privates Vermögen reinstecken. Und es gibt ja den Spruch: Wer zahlt, schafft an. Es war also schon ein anderer Prozess, Spieler oder Trainer zu verpflichten. Man hat nicht unbedingt freie Hand, Entscheidungen zu treffen.
Ist das Niveau in der Schweiz tatsächlich so viel höher wie in der DEL?
Mitchell: Es ist nicht sehr viel höher. Seit sie von vier auf sechs Ausländer erhöht haben, ist es einen Tick besser – aber nicht so viel besser, wie die Schweizer meinen. Die Spielweise ist komplett anders. Die Ausländer sind einfach sehr gut. Alle wollen in der Schweiz spielen, es wird eben mehr gezahlt. Es wird sehr schnell gespielt, das ist sehr attraktiv für die Zuschauer. In der DEL wird taktischer gespielt.
Wo haben Sie am Dienstagabend miterlebt, dass die Panther doch in der DEL bleiben?
Mitchell: Ich war mit meinen engsten Freunden aus Landsberg zusammen. Wir hatten auf dem großen Fernseher Berlin gegen Bremerhaven laufen, auf dem kleinen Regensburg gegen Kassel. Ich habe mehr auf den kleinen Bildschirm geschaut, meine Freunde mehr auf den großen.
Durch den Regensburger Sieg hat sich Ihr Job quasi halbiert. In der DEL2 wären Sie Sportdirektor und Trainer geworden, jetzt sind Sie nur Sportdirektor.
Mitchell: Ja, das kann man so sagen. Ich weiß aber, wie zeitaufwendig der Job des Sportdirektors ist, wenn man es richtig macht. Ich habe in Kloten für zehn Wochen den Trainerjob wieder ausüben müssen und schon auch gemerkt, wie viel Spaß das macht. Aber ich habe trotzdem gehofft, dass ich hier in Augsburg nur als Sportdirektor arbeiten kann, weil das bedeutet, dass wir erstklassig sind.
Was zu der Frage führt: Wer wird Trainer?
Mitchell: Das weiß ich noch nicht. Ich habe mir im Vorfeld natürlich Gedanken für alle möglichen Fälle gemacht. Aber die Kontaktaufnahmen sind jetzt erst passiert. Jetzt muss man schauen, welche Kandidaten Interesse haben. Und logischerweise kommen auch viele Bewerbungen rein.
Wie groß ist der Kreis der Kandidaten?
Mitchell: Wenn man alle mit reinnimmt, sind es sicherlich 40 oder 50 Kandidaten. Aber ich habe schon eine Grundidee und weiß, wer eher infrage kommt.
Wie sieht denn diese Grundidee aus?
Mitchell: Ich bin offen für alle Nationalitäten, aber es ist kein Geheimnis, dass die Sprache in den DEL-Kabinen Englisch ist. Deswegen ist es sicherlich von Vorteil, wenn derjenige Englisch spricht. Erfahrung im Profibereich ist auch nicht verkehrt. Gleiches gilt für Erfahrung im Umgang mit jungen Spielern. Er sollte bereit sein, jungen Spielern eine Chance zu geben.
Aufgrund der späten Entscheidung über den Klassenerhalt fangen Sie sehr spät damit an, eine Mannschaft zu bauen. Wie schwierig ist diese Situation?
Mitchell: Es ist nicht einfach. Der Pool an deutschen Spielern ist jetzt eben nicht mehr so groß, wie der der ausländischen Spieler. Aber ich werde den Kopf nicht in den Sand stecken und das Beste draus machen. Es ist nicht so, dass es keine deutschen Spieler auf dem Markt gibt. Man muss nur eben die richtigen finden. Hoffentlich haben wir 2025/26 dann die gleichen Voraussetzungen wie alle anderen. Es ist kein Geheimnis, dass unser erstes Etappenziel für die Saison 2024/25 sein muss, nichts mit dem Abstieg zu tun zu haben. Und Platz 13 bedeutet, nichts mit dem Abstieg zu tun zu haben. Keiner weiß das besser als die Augsburger Panther.
Suchen Sie jetzt also erst einen Trainer, um mit dem dann zusammen die Mannschaft zu bauen? Oder läuft das parallel?
Mitchell: Weil es schon so spät ist, würde ich nur Spieler verlieren, müsste ich jetzt noch auf den Trainer warten. In einer perfekten Welt wäre der Trainer schon da und ich würde ihn mit einbinden. Aber das ist nicht so.
Die zweite Schlüsselposition nach der des Trainers ist die des Torwarts. Wird es da eine andere Konstellation geben als im vergangenen Jahr?
Mitchell: Ja, wir suchen für die kommende Saison einen Torhüter. Dennis beendet seine Karriere und wird zukünftig als Torwarttrainer bei uns mit eingebunden. Da freue ich mich schon drauf, weil ich ihm das wirklich zutraue.
Wird Markus Keller ein Panther bleiben?
Mitchell: Da bin ich sehr optimistisch.
Mit Anrei Hakulinen, Jere Karjalainen und Chris Collins sind drei der besten ausländischen Stürmer der vergangenen Saison noch nicht verabschiedet worden. Bedeutet das, dass sie eventuell kommende Saison wieder in Augsburg spielen?
Mitchell: Sie sind auf jeden Fall in der Verlosung, sonst hätte man sie schon verabschiedet. Ich spreche mit ihnen. Aus neutraler Perspektive muss man sagen, dass sie die drei erfolgreichsten Ausländer waren – und ich habe wirklich viele Spiele der Panther gesehen. Jetzt geht es um die Verfügbarkeit und ob man sich einigen kann.
Was muss sich ändern, damit die Panther nächstes Jahr nicht erneut in akute Abstiegsgefahr geraten?
Mitchell: Nicht Letzter werden (lacht). Es steht mir nicht zu, ein Urteil darüber abzugeben, was schiefgegangen ist. Was auf der Hand liegt, ist, dass man einen großen Vorsprung hatte und den in den letzten Wochen wieder hergegeben hat. Da habe ich eine gewisse Verunsicherung gespürt, wenn ich die Spiele angeschaut habe. Das erlaube ich mir zu sagen, denn das war deutlich zu sehen. Die Interna und Hauptgründe versuche ich, jetzt durch Gespräche mit allen Beteiligten zu verstehen.
Die ersten Reaktionen auf Ihre Rückkehr waren überwiegend positive. Manche Kritiker sagen aber auch, dass so eine aufgewärmte Beziehung nicht funktionieren kann. Wie sehen Sie das?
Mitchell: Ich sehe das natürlich nicht so. Vor allem weil es jetzt ein anderer Job ist. Wenn ich als Trainer zurückgekehrt wäre, wäre es vielleicht schwerer geworden. In meiner jetzigen Funktion gibt es aber keinen Maßstab. Ich weiß aber auch, dass kein Job im Eishockey einfach ist. Der Druck ist immer groß. Man hat 6200 Leute im Stadion, die was sehen wollen. Man macht sich selbst Druck und will erfolgreich sein. Aber wenn man zu sehr darüber nachdenkt, braucht man gar nicht anfangen.
Wie hat sich das Scouting im Eishockey-Geschäft in den vergangenen Jahren verändert? Hat dort auch die Digitalisierung Einzug gehalten?
Mitchell: Videoscouting, Datenbanken und Referenzen sind wichtig. Es gibt für mich aber nichts Besseres, als vor Ort zu sein. Man sieht Dinge, die man im Video nicht sieht: Körpersprache oder wie man mit seinen Mitspielern umgeht auf der Bank. Und dann sind da natürlich die persönlichen Kontakte. Die sind unbezahlbar. Ich bin wirklich am überlegen, ob ich noch für sieben bis zehn Tage nach Nordamerika fliege, um mir Spiele anzuschauen. Das hängt auch davon ab, wie lange mögliche Kandidaten in den Play-offs spielen.
Was reizt Sie nach all den Jahren immer noch am Eishockey?
Mitchell: Mir macht es weiterhin sehr viel Spaß. Aber ich habe schon angefangen, das Leben nach dem Eishockey zu planen. Das wird dann eher dem Golf gewidmet. Ich werde im Sommer 57 und habe nicht vor, das bis ins hohe Alter zu machen.
Gibt es da schon ein Ausstiegsdatum?
Mitchell: Nein. Ein paar Jahre will ich das schon noch machen. Aber definitiv keine zehn Jahre mehr.
Augsburg wäre dann die letzte Karrierestation?
Mitchell: Das wäre das, was ich mir sehr erhoffe. Dafür hätte ich auch den Schritt in die zweite Liga gemacht, was für mich die größte Baustelle war. Nach 17 Jahren DEL und erste Liga in der Schweiz habe ich mich schon schwergetan mit dem Gedanken. Nicht weil ich meine, ich sei zu gut für die zweite Liga. Wenn man sich aber meine Karriere anschaut, habe ich mich immer von unten nach oben gearbeitet. Da dann freiwillig wieder zurückzugehen war nicht leicht. Aber ich identifiziere mich mit den Augsburger Panthern und wollte unbedingt wieder hier arbeiten.
Sie kehren als Sportdirektor zurück. Wo wird als solcher Ihr Platz sein während der Spiele?
Mitchell: Definitiv nicht hinter der Bande. Das habe ich noch nie gemacht als Sportdirektor. Ich will irgendwo in Ruhe sitzen, denn ich schreibe sehr viel auf während eines Spiels. Ich suche mir in der Regel drei Spiele vom Gegner aus, von denen ich weiß, dass sie im Sommer auf dem Markt sein werden. Da habe ich dann meine Kriterien, nach denen ich die Spieler bewerte.
Sie haben also lauter Ordner zu Hause stehen, in denen diese handschriftlichen Unterlagen aufbewahrt werden?
Mitchell: Ja, das sind Hefte mit 60, 70 Seiten. Das mache ich auch für die eigenen Spieler. Denn wenn es darum geht, Verträge zu verlängern, hat man dann nicht nur die Meinung des Trainers, sondern auch diese Unterlagen.