Noch zu Saisonbeginn im September 2008 hatte KHL-Präsident Alexander Medwedew dem nordamerikanischen Konkurrenten NHL mit dem Abwerben von Stars gedroht. Und die Deutsche Eishockey-Liga DEL fürchtete sogar, ganze Vereine an die mit Milliarden aus dem Energiegeschäft gesponserte Kontinental Hockey League KHL zu verlieren. Doch die Weltfinanzkrise zwingt die Führung um Medwedew, vorerst kleine Brötchen zu backen. Ziel ist jetzt "ein gesundes Wachstum".
Derzeit kämpfen in der KHL, dem Nachfolger der "Superliga", 24 Clubs in vier Divisionen um Punkte. Statt "kontinental" ist der Wettbewerb aber eher eine Landesmeisterschaft nach sowjetischem Stil: Neben je einem Verein aus Weißrussland, Kasachstan und Lettland streiten gleich 21 russische Mannschaften um den Titel. Die groß angekündigte Erweiterung um Clubs aus Europa lässt auf sich warten. Zuletzt sagte das eigentlich als sicherer KHL-Neuzugang gehandelte Team aus dem tschechischen Karlsbad (Karlovy Vary), dem böhmischen Kurort der russischen Schickeria, aus Geldmangel ab. Und mindestens zwei KHL-Vereine stecken nach eigenen Angaben in Finanznöten.
Die neue Liga brauche eben Zeit, meinte Trainer-Legende Viktor Tichonow in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa in Moskau. Man könne nicht in der ersten Saison erwarten, dass alles gelingt, beruhigte der 78-Jährige, der mit der Sowjetunion mehrfach Weltmeister und Olympiasieger war. Mit wachem Blick verfolgte er vor wenigen Tagen in Moskaus Kleiner Sporthalle das Lokalderby zwischen Dynamo und ZSKA. Zwar lockte das Nachbarschaftsduell rund 8500 Zuschauer an. Von dem von Medwedew zu Saisonbeginn angekündigten "modernen Flair" kann in der 1956 errichteten Arena aber keine Rede sein. Und wenn schon, brummt Tichonow, Elemente wie Videowürfel, Mitklatschmusik und Lasershow seien doch sowieso "Schnickschnack".
Der frühere Oberst der Roten Armee ist nicht grundsätzlich gegen moderne Hallen. Aber zugige Betonbauten in Sowjetstil, in denen es nach Bratwurst und Zigaretten riecht, sind Tichonow lieber als sterile Eispaläste. Bei Dynamo, wo er als Trainer begann, liegt er da richtig: Liebevoll umsorgt im Pressezentrum eine ältere Dame mit Kittelschürze die Journalisten in den Drittelpausen, wobei derselbe Teebeutel sparsam für mehrere Tassen herhalten muss. Dazu liegen Pralinen aus - geviertelt, damit eine Schachtel für alle reicht.
"Sport zum Anfassen" sei es, schwärmt die russische Presse, wenn eishockey-begeisterte Kinder Stars wie Jaromir Jagr in Omsk nach einem Spiel noch auf dem Eis ein Autogramm abjagen. Mit dem Tschechen Jagr konnte Medwedew, der nicht mit Kremlchef Dmitri Medwedew verwandt ist, zwar zu Saisonbeginn einen echten Leistungsträger aus der NHL präsentieren. Dennoch bleibt in der KHL ein Spagat zwischen Anspruch und Wirklichkeit - mit mitunter tragischen Folgen. Der erst 19-jährige Alexej Tscherepanow, Vereinskollege von Jagr in Omsk, kollabierte im Oktober während eines Spiels und starb.
Ärzte stellten im Blut des Ausnahmetalents ein Dopingpräparat sowie am Herzen eine chronische Schwäche fest. Tscherepanow hätte damit nie Profisportler werden dürfen, doch die neue Liga habe auf den Jugendlichen wohl einen "tödlichen Reiz" ausgeübt, kommentierte die Zeitung "Sport-Express". Immerhin zog die KHL Konsequenzen und sperrte vier Funktionäre wegen der Tragödie lebenslang. Zudem sollen künftig vor allem Nachwuchsspieler besser betreut werden.