Einigen standen schon Tränen in den Augen. Hartgesottenen Fans, die gar nicht glauben wollten, was sie da sahen. Es war am 22. Mai 2010, zu einer Zeit, als Corona noch so weit entfernt war wie eine WM-Medaille für deutsche Eishockey-Teams. Mehr als 18 000 Fans feierten in der Kölner Arena. Halbfinale gegen Russland, die deutsche Mannschaft ging früh in Führung. Selbst der zwischenzeitliche Ausgleich brachte keine Rückkehr zu den erwarteten Verhältnissen. Die deutsche Mannschaft hielt einfach gleichwertig mit und sah keinen Anlass, sich dem russischen Favoriten zu beugen.
Vielmehr schien der große Traum einer Medaille von Minute zu Minute näher zu rücken. Freudentränen liefen schon. Dafür reichte bereits das 1:1, das auch über die 60 Minuten Bestand haben sollte. Zumindest war die deutsche Mannschaft auf einem guten Weg dorthin. Dumm nur, dass sich Russlands Pawel Dazjuk unbedingt noch als Spielverderber hervortun musste und wenige Augenblicke vor Schluss Russland mit seinem Tor ins Finale schoss. Aus Tränen der Freude wurden Tränen der Trauer. Der deutschen Mannschaft blieb zwar noch die Chance auf Rang drei und Bronze, doch auch die Partie gegen Schweden ging mit 1:3 verloren. Nichts war es mit der ersten WM-Medaille seit 1952.
Bei Olympia gab es 2018 Silber für die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft
Oft sind deutsche Mannschaften nicht mehr vertreten, wenn es bei Weltmeisterschaften ins letzte Wochenende geht. 2010 war es zuletzt der Fall, in diesem Jahr in Riga folgt der nächste Versuch. Gelingt diesmal der letzte Schritt? 2018 bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang hatte die deutsche Mannschaft in jüngerer Vergangenheit schon einmal groß aufgespielt. Der Auftakt war noch knifflig, die Mannschaft aber steigerte sich von Spiel zu Spiel – bis sie schließlich im Finale stand. Wieder kam der Gegner aus Russland. Und diesmal waren die deutschen Spieler einer Sensation, dem ganz großen Triumph noch näher. Sie führten bis kurz vor Schluss mit 3:2 und hatten sogar den Vorteil, einen Mann mehr auf dem Eis zu haben nach einer Hinausstellung für die Russen. Die reagierten darauf mit der Herausnahme ihres Torhüters, was nach einem Scheibenverlust von Yannic Seidenberg noch zum Ausgleich führte. In der Verlängerung war schließlich der Traum beendet, die Russen trafen zum entscheidenden Tor, Deutschland blieb immerhin Silber. Der ganz große Triumph war aber ein weiteres Mal nicht gelungen. Drama pur in Südkorea.
Wie schon 1992 bei den Olympischen Spielen in Albertville. Im Viertelfinale wartete Kanada, ein Gegner, der übermächtig schien. Deutschland aber schaffte es durch eine Willensleistung ins Penaltyschießen, auch hier schien alles möglich. Bis der Puck beim Schuss von Peter Draisaitl auf der Torlinie liegen blieb. Es ist einer der legendären Olympia-Momente. Deutschland schied aus, Kanada erreichte das Halbfinale und wurde am Ende Zweiter. Für Deutschland blieb Rang sechs.
Überrascht vom Erfolg ist die Eishockey-Nationalmannschaft nicht
Es sind diese Momente, aus denen Sportler lernen und Kraft ziehen. Wie der FC Bayern nach seiner Niederlage 2012 im Finale dahoam, dem die Münchner ein Jahr später den ersehnten Erfolg in der Champions League folgen ließen. Bei der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft liegen elf Jahre zwischen dem Scheitern in Köln und der erneuten Chance in Riga. Doch diesmal ist vieles anders. Während die Mannschaft 2010 mit ihrem Auftreten überraschte, war die Erwartungshaltung in diesem Jahr eine andere. „Ich glaube, ihr seid überraschter, als wir es sind, dass wir um die Medaillen spielen“, sagte Bundestrainer Toni Söderholm nach dem Erfolg gegen die Schweiz an die vielen internationalen Fragensteller. Und Stürmer Dominik Kahun meinte: „Wir haben bewiesen, dass wir ein großes Team sind. Wir wissen, wie gut wir sind – egal, gegen wen wir spielen. Ich glaube, wir haben wirklich eine gute Chance.“
Nun also Finnland am Samstag (17.15 Uhr/Sport 1) im Halbfinale. Finnland galt lange Zeit als unschlagbar für deutsche Mannschaften. Doch davon will jetzt keiner etwas hören. Jetzt geht es um eine WM-Medaille. Die Chance war wohl noch nie so groß.
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