Der Effekt von Trainerwechseln ist höchst umstritten. Es gibt Studien, die beweisen, dass ein neuer Besen nicht immer besser kehrt als das alte Modell. Und doch kann es funktionieren. Ein gutes Beispiel aus der Deutschen Eishockey Liga: Die Iserlohn Roosters entließen noch im Oktober 2023 ihren Cheftrainer Greg Poss. Sein Nachfolger Doug Shedden sicherte den Kampfhähnen aus dem Sauerland den nicht mehr für möglich gehaltenen Ligaverbleib. Dafür müssen nun die Augsburger Panther um den Klassenerhalt zittern und hoffen, dass Kassel nicht die Zweitliga-Meisterschaft feiert. In der besten Eishockey-Liga der Welt hat sich ebenfalls ein früher Wechsel an der Trainerbank ausgezahlt. Auch der deutsche Superstar Leon Draisaitl hat maßgeblichen Anteil daran.
Zu Saisonbeginn in der National Hockey League (NHL) fanden die Edmonton Oilers einfach nicht in die Spur. Die Mannschaft gab im Herbst 2023 ein verheerendes Bild ab: Im Sturm konnte die Mannschaft gar nicht so viele Tore schießen, wie die löchrige Abwehr vor den eher durchschnittlichen Torhütern Stuart Skinner und Calvin Pickard Gegentreffer schnappte. Nach zehn Pleiten in den ersten 13 Saisonspielen zog die Klubspitze die Konsequenzen und stellte Trainer Jay Woodcroft frei. Das Allheilmittel Trainerwechsel brachte den gewünschten Effekt. Der neue Coach Kris Knoblauch, der bis dahin nur in der unterklassigen American Hockey League (AHL) gearbeitet hatte, schaffte die Wende. Der 45-Jährige arbeitet erstmals als Cheftrainer in der NHL.
Draisaitl in einem "Klub" mit NHL-Größen Gretzky und Lemieux
Mittlerweile sind die Oilers deutlich vor dem Ende der Punktrunde bereits für die Play-offs qualifiziert. Mit seinen zwei Torbeteiligungen beim 6:2 vor einigen Tagen gegen die Colorado Avalanche erreichte der gebürtige Kölner 100 Torbeteiligungen in einer Saison. Während dem 28 Jahre alten Kölner das zum fünften Mal in seiner NHL-Karriere gelang, hat bislang noch kein anderer Deutscher die Marke in einer Spielzeit erreicht. In der NHL-Geschichte ist der 28-Jährige erst der zwanzigste Spieler, der diese Marke mindestens fünfmal knackte.
Draisaitl bewegt sich damit in einem Zirkel der weltbesten Eishockeyspieler aller Zeiten. Angeführt wird diese Rekordliste von Größen wie Wayne Gretzky (20) und Mario Lemieux (15). Die einzigen aktiven Profis, die mehr 100-Punkte-Spielzeiten als der deutsche Ausnahmekönner aufweisen, sind sein Mannschaftkollege Connor McDavid (7) und Sidney Crosby (6) von den Pittsburgh Penguins. Über Jahre hinweg diese Konstanz zu zeigen, zeugt von großer Klasse.
Draisaitls Bestwert sind 128 Scorerpunkte
Aktuell steht der Center nach dem 5:1 gegen Las Vegas bei 104 Scorerpunkten (41 Tore/63 Vorlagen). Das bedeutet den sechsten Platz in der NHL-Statistik. Wenn der Kölner weiterhin so erfolgreich ist, wird er bei 110 Punkten landen. Draisaitls Bestwert stammt aus der Saison 2022/23 mit 128 Scorerpunkten.
Die Wende kommentierte der Stürmer nach dem wegweisenden Colorado-Sieg. "Wir haben uns nach dem schlechten Start reingekniet. In unserem Team steckt viel Widerstandsfähigkeit und Charakter", sagte Draisaitl. Nach der geschafften Play-off-Qualifikation richtet sich der Blick auf wichtigsten Saisonphase - die K.-o.-Runde. In der Vorsaison schieden die Edmonton Oilers im Conference Halbfinale gegen die Vegas Golden Knights aus. Die Goldenen Ritter aus der amerikanischen Glücksspiel-Metropole feierten später den Stanley-Cup-Gewinn.
Die Oilers leben auch von den Toren und überragenden Werten von Draisaitl. Der Ausnahmekönner dagegen betont immer wieder, dass ihm die eigene Statistik nicht wichtig ist. Persönliche Auszeichnungen hat der Fan des 1. FC Köln genügend gesammelt. 2020 gewann er als erster Deutscher die Art Ross Trophy als bester Scorer der Liga, außerdem die Hart Memorial Trophy sowie den Ted Lindsay Award als wertvollster NHL-Spieler. Der Stanley Cup ist das Objekt der Begierde. Es gibt einige NHL-Größen, die zwar persönlich brillierten, aber niemals den riesigen Silberpokal in die Höhe stemmen durften. Können alleine reicht nicht. Es gehört auch eine gehörige Portion Glück dazu.
Augsburger Nico Sturm war zur richtigen Zeit im richtigen Team
Nico Sturm beispielsweise stürmte zu richtigen Zeit für das richtige Team. Der Augsburger feierte im Jahr 2022 mit Colorado Avalanche als vorerst letzter Deutscher die NHL-Meisterschaft. Mit seinem jetzigen Klub San Jose Sharks wird Sturm die Finalrunde verpassen und plant deshalb, zur Weltmeisterschaft wieder zum deutschen Team zu stoßen. Solche Gedankenspiele sind bei Leon Draisaitl im Augenblick kein Thema. Für den 28-Jährigen und seinen Trainer Kris Knoblauch zählen jetzt nur die Play-offs und der Stanley Cup.