Als Harold Kreis am Mittwochmittag das offizielle Training im Augsburger Curt-Frenzel-Stadion beendet, ist für Moritz Müller noch nicht Schluss. Der Verteidiger absolviert noch einige Schießübungen, dehnt die Muskulatur und geht erst dann in die Umkleide. Will auch heißen: Die Arbeit ist noch lang nicht beendet, nur weil der Nationaltrainer abpfeift. Müller weiß, dass er vielleicht etwas mehr oder anders üben muss, um mit den teils deutlich jüngeren Spielern mitzuhalten. "Man muss in meinem Alter viel in seinen Körper hören und investieren. Ich habe das Gefühl, dass ich immer noch auf einem Level bin, auf dem ich körperlich mit den anderen mithalten kann. Aufgrund der Arbeit, die ich selber reinstecke", sagt der 37-Jährige anschließend im Interview und fügt an: "Aber natürlich zwickt es hier und da mal."
Aber auch wenn jeden Eishockeyspieler nach einer kräftezehrenden Saison Blessuren plagen, ist es für Müller kein Thema, dem Bundestrainer abzusagen. Während andere Spieler wie Patrick Hager vom EHC Red Bull München aus familiären Gründen Kreis einen Korb gaben, kommt der Kölner Abwehrspieler wie selbstverständlich zum Nationalteam. "Für mich ist es immer ein Privileg, hier berufen zu werden, für mein Land auflaufen zu dürfen und mit den Besten mitzuspielen. Das war immer eine Bestätigung meiner Arbeit, die ich in diesen Sport gesteckt habe", sagt der Mannschaftskapitän.
Spiele in Kaufbeuren und Augsburg
Es ist die zweite Phase der WM-Vorbereitung. Nach zwei Niederlagen (0:3 und 2:4) gegen WM-Gastgeber Tschechien trifft die Auswahl des Deutschen Eishockey Bundes nun zweimal auf die Slowakei. Das erste Duell steigt am Donnerstag in Kaufbeuren (19.30 Uhr). Am Samstag um 17 Uhr (jeweils live und kostenfrei auf MagentaSport) treffen beide Teams in Augsburg aufeinander. Die Slowakei ist zugleich der deutsche Auftaktgegner bei der WM in Tschechien.
Die Resultate stehen für Müller nicht an erster Stelle. "Für uns geht es zunächst darum, unser eigenes Spiel zu etablieren. Die ganzen Details einzuschleifen, die man braucht. Ganz am Ende möchte man dann auch die Slowaken schlagen."
NHL-Profis stoßen noch zum Kader
Müller weiß, worauf es ankommt in dieser frühen Phase. Zum einen stoßen bis zur WM noch Profis aus den beiden Teams hinzu, die im Augenblick das DEL-Finale um den deutschen Meistertitel bestreiten. Und es kommen auch die deutschen Führungsfiguren aus der National Hockey League.
Vor einem Jahr gewann die Mannschaft des damals noch neuen Bundestrainers Kreis die WM-Silbermedaille. Der zweite Riesenerfolg nach Olympiasilber 2018 im südkoreanischen Pyeongchang. Beide Male stand Müller mit auf dem Eis und hat nicht nur eine Erklärung für die jüngsten Erfolge. Zum einen sei der Konkurrenzdruck im Team größer geworden. "Deutschland hat schon mehr Auswahl als vielleicht vor 20 Jahren, was den Kader betrifft. Aber es ist auch wichtig, dass die Besten kommen, damit wir konkurrenzfähig sind", sagt der Teamkapitän. Das war nicht immer so. Als die Trainer noch Pat Cortina oder Jakob Kölliker hießen, genoss der eine oder andere deutsche Profi lieber den Frühling auf der Couch, statt sich noch bis in den Mai auf dem Eis zu plagen.
Marco Sturm läutete den Aufschwung ein
Marco Sturm als Nationalcoach (2015 – 2018) brachte mit neuen Ideen und einem neuen Denken die Wende. Der ehemalige NHL-Profi habe die Schlagwörter Leidenschaft, Einsatz, Wille und Glaube nicht nur als Schriftzug in der Kabine anbringen lassen. Der Landshuter hat sie mit Leben gefüllt. "Es war ein mentaler Prozess für uns, dass wir wieder selbst an uns geglaubt haben. Weil wir international ein wenig komplexbehaftet aufgetreten sind. Vielleicht aufgrund der vermeintlich kleineren eigenen Rollen in der DEL. Deswegen haben wir uns auf internationaler Bühne wenig zugetraut."
Müller gab 2007 sein Debüt im Nationaldress
Mit Silber in Korea stieg der Glaube an die eigene Stärke, an das eigene Können. Das Nationalteam sei an einem Punkt angekommen, nicht mehr nur mitspielen zu wollen, sondern auch zu gewinnen. Muss man sich nach dem WM-Silber 2023 für dieses Jahr dann nicht den Titel als Ziel setzen? Müller ist kein Tiefstapler, wenn er sagt: "Das Viertelfinale zu erreichen, ist nach wie vor unglaublich schwer. Alles, was danach kommt, kommt aus dem Momentum heraus. In den letzten Jahren haben wir das Pendel für uns ausschlagen lassen. Nichtsdestotrotz sollten wir nicht rangehen und sagen, dass das Viertelfinale Standard ist."
Für ihn werden die Slowakei-Duelle mehr als nur WM-Testspiele. Am Samstag in Augsburg wird der Kapitän sein 200. Länderspiel bestreiten. Es sei eine "lange Reise mit dem DEB", sein erstes Länderspiel absolvierte der gebürtige Frankfurter im Jahr 2007. "Das macht mich schon mächtig stolz, so lange dabei zu sein. Die Zeit bei der Nationalmannschaft hat meine Karriere gekrönt." Und Moritz Müller hat seinerseits mit seiner überragenden Einstellung über Jahre geholfen, den Geist im Team zu prägen.