Von Thomas Bach mag jeder halten, was er will. Eines ist unbestritten: Er hat im Internationalen Olympischen Komitee (IOC) eine Ära geprägt. Zwölf Jahre lang lenkte der Mann aus Würzburg die Geschicke des internationalen Sports. Es ist nicht falsch zu sagen, dass er dabei einige Untiefen zu umschiffen hatte. Erinnert sei an die Corona-Pandemie und den Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Wie also wird Thomas Bach in Erinnerung bleiben? Vor allem als Strippenzieher, der es immer wieder geschafft hat, für sich und seine Entscheidungen Mehrheiten zu organisieren. Das Meisterstück lieferte er diesbezüglich schon vor Beginn seiner Amtszeit, als er im Hintergrund derart geschickt die Fäden zog, dass es am Ende erstmals ein Deutscher auf den Posten des IOC-Präsident schaffte.
Danach machte er sich das IOC Stück für Stück untertan. In seiner zweiten Amtszeit war er auf dem Höhepunkt seiner Macht. Abzulesen daran, dass es teils grotesk anmutende Avancen gab, Bach zu einer Verlängerung seiner Präsidentschaft zu bewegen. Das hätte zwar einer Änderung der Statuten bedurft, was Bach aber - wäre er wirklich interessiert gewesen - nicht aufgehalten hätte. Erst ließ er die Bitten unkommentiert, später dann teilte er großmütig mit, sich natürlich an die Regeln zu halten und den Posten pünktlich zu räumen.
Thomas Bach hat beeindruckende moralische Flexibilität gezeigt
In Erinnerung wird Bach auch als jemand bleiben, der sich mit der einer erstaunlichen Beweglichkeit um Probleme herum lavierte. Hilfreich war dabei, dass er keine Berührungsängste gegenüber Machthabern aller Couleur hatte. Erinnert sei an die Winterspiele 2022 in China, die Bach überschwänglich lobte. Standhaft blieb er lange Zeit auch dann, wenn es um die Beziehungen zu Russland ging. Es gehört zu den vielen Geschichten, die Bachs Wirken umranken, dass er sich von Wladimir Putin höchstselbst das Okay zu seiner Präsidentschaft abholte. Russland hatte sich über Jahre hinweg mit viel Geld in den Sport eingekauft und wichtige Ämter besetzt. So überstand es auch den Skandal um die Doping-Winterspiele von Sotschi leidlich unbeschadet. Bach hielt seine schützende Hand über den russischen Sport. Für den späten Bruch bedurfte es schon des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine.
Die klassischen Werte des Sports wie Respekt und Fairness sind auf höchster Funktionärsebene bestenfalls Empfehlungen. Wer sie respektiert, kommt nicht weit. Es bedarf robuster Ellenbogen und eben des Talents, sich Mehrheiten zu beschaffen. Wie das geschieht, dringt eher selten oder zu spät an die Öffentlichkeit. Oft entpuppten sich Argumente und ausgefeilte Wahlprogramme im Nachhinein als nebensächlich, wenn gleichzeitig Geldkoffer vor dem Hotelzimmer abgestellt worden waren.
Sieben Bewerberinnen und Bewerber stehen an diesem Donnerstag zur Wahl. Kaum vorherzusagen, wer sich durchsetzen wird. Den Wahlvorgang als intransparent zu bezeichnen, ist eine grobe Untertreibung. Es steht aber zu befürchten, dass sich nicht der beste Kandidat oder die beste Kandidatin im Sinne des Sports durchsetzt, sondern eben wieder der (oder die), der (oder die) die Machtspielchen am besten beherrscht. Immerhin: Diese Fähigkeit kann mit Blick auf die größte anstehende Aufgabe auch ein Vorteil sein. Die nächsten Sommerspiele finden 2028 in Los Angeles statt und US-Präsident Donald Trump schert sich nicht um die Werte des Sports. Er wird versuchen, sich auch den Sport untertan zu machen. Dem gilt es zu widerstehen. Oder man macht es wie Thomas Bach.
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