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„Dortmund spielt unglaublich“

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„Dortmund spielt unglaublich“

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    Augsburg Christian Nerlinger ist seit 1. Juli 2010 Sportdirektor des FC Bayern. Der 37-Jährige saß bei den Gesprächen über einen neuen Vertrag für Bastian Schweinsteiger mit am Verhandlungstisch.

    Schweinsteiger war von europäischen Topklubs umworben. Laut FC-Bayern-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge hätte er woanders mehr verdienen können als in München. Warum bleibt er trotzdem?

    Nerlinger: Er ist ein gebürtiger Bayer, er fühlt sich beruflich und privat in München wohl. Und ist überzeugt, dass er mit dem FC Bayern große Erfolge feiern kann. Darüber hinaus hat er von unserer Seite eine große Wertschätzung gespürt.

    Uli Hoeneß hat die Dinge anders beschrieben. Tenor: Man solle sich die Romantik sparen. Es gehe ums Geld. Inoffiziell heißt es, Schweinsteiger verdiene zukünftig neun Millionen Euro im Jahr ...

    Nerlinger: ... ich glaube, dass es bei Bastian eine größere als nur eine monetäre Entscheidung war. Wenn er gewollt hätte, dann hätte er das Finanzielle viel weiter ausreizen können. Das aber hat er nicht getan.

    Wer hat verhandelt?

    Nerlinger: Vom FC Bayern waren Karl-Heinz Rummenigge, Finanzvorstand Karl Hopfner und ich dabei. Auf der anderen Seite saßen die drei Berater von Bastian.

    Klingt nach schwierigen Gesprächen ...

    Nerlinger: ... sie waren nicht schwierig. Es war ja mit Hoeneß besprochen, dass man Bastian halten muss.

    Schweinsteiger durfte seine Vertragsverlängerung vor 69 000 Zuschauern in der Allianz-Arena bekannt geben. Wird das Stadion zukünftig häufiger zur Verkündigungsstätte?

    Nerlinger: Prinzipiell nicht. Aber es war Bastians Wunsch. Die Fans sollten die Entscheidung von ihm selbst erfahren. Ich fand es gelungen.

    Zuletzt wurde mit Lahm, Ribéry, Müller und Badstuber langfristig verlängert. Stellt der FC Bayern momentan seine Truppe für das nächste halbe Jahrzehnt zusammen?

    Nerlinger: Personell verfolgen wir schon lange ein Zwei-Säulen-System. Einerseits wollen wir die Spieler aus den eigenen Reihen stärken, was mit Louis van Gaal als Trainer perfekt gelingt. Andererseits brauchen wir die Ribérys und Robbens.

    Das Modell FC Barcelona also?

    Nerlinger: Barça ist unser Vorbild. Die Art Fußball, die Barcelona spielt, kann man nur erreichen, wenn man die Spieler über Jahre hinaus zusammenhält. Wenn die Fluktuation zu groß ist, wird man nie dieses Niveau erreichen.

    Das kommt van Gaal entgegen, der lieber mit einem kleineren Kader arbeitet, weshalb er auch darauf verzichtet hat, vor dieser Saison neue Spieler für die Defensive zu holen ...

    Nerlinger: Louis van Gaal ist kein Freund des Rotationsprinzips. Er hält es für besser, wenn jeder Spieler eine Perspektive hat. Wir haben nach einer schwachen Startphase im vergangenen Winter sechs Spieler abgegeben und sind mit nur 20 Akteuren in der Rückrunde durchgestartet. Das Ergebnis ist bekannt.

    Nun könnte es aber doch sein, dass es in der Pause Zukäufe für die Defensive gibt. Karl-Heinz Rummenigge hat das angedeutet. Was halten Sie davon?

    Nerlinger: Es ist im Winter schwierig, gute Transfers zu tätigen. Wenn wir einen Spieler holen, muss er erstklassig sein. Welcher Klub aber gibt jetzt erstklassige Spieler ab?

    Die Abwehrprobleme aber bleiben ...

    Nerlinger: Natürlich gibt es Formschwankungen. Aber wir haben mit Lahm, Breno, van Buyten, Demichelis oder Badstuber ausnahmslos Nationalspieler, mit denen man stabil stehen sollte. Richtig ist aber, dass das nicht immer der Fall war.

    Einer Ihrer Sorgenfälle ist Martin Demichelis. Wie geht es mit ihm weiter?

    Nerlinger: Dazu möchte ich nichts sagen. Dass Demichelis unzufrieden ist, ist klar. Er war lange Stammspieler und sitzt jetzt auf der Bank.

    Sie selbst sind jetzt seit eineinhalb Jahren Sportdirektor. Wie lebt es sich beruflich neben so vielen Alphatieren?

    Nerlinger: Ich fühle mich wohl. Ich übernehme ja nur einen Teil der Aufgaben des Vereins, auch wenn darunter das Herzstück des Vereins ist, der sportliche Bereich. Ich will meinen Weg gehen. Es wäre unglaubwürdig, eine Rolle zu spielen, die mir nicht entspricht.

    Was ist Ihr Weg?

    Nerlinger: Mir ist Kontinuität wichtig. Wenn man überzeugt ist, die richtigen Spieler und den richtigen Trainer zu haben, dann muss man zu denen stehen. Ich halte es für ein großes Manko im professionellen Fußball, dass heute Personalentscheidungen alle paar Monate wieder geändert werden.

    Haben Sie als Spieler Rummenigge und Hoeneß geduzt oder gesiezt?

    Nerlinger: Gesiezt.

    Und wie halten Sie es als Sportdirektor mit den Spielern?

    Nerlinger: Die können mich duzen.

    Sportlich fasst der FC Bayern in der Bundesliga allmählich Fuß. Trotzdem bleibt eine Diskrepanz zu den Auftritten in der Champions League. Wie erklären Sie sich dies?

    Nerlinger: Wir hatten bei der Auslosung zur Champions League Glück. Basel, Rom, Cluj – das waren keine unüberwindbaren Gegner. Unser Nachteil war unser großes Verletzungspech nach der WM. Wenn wir am Sonntag gegen Stuttgart gewinnen, sind wir nur vier Punkte schlechter als vergangene Saison. Das wäre dann akzeptabel.

    Dortmund aber ist weg ...

    Nerlinger: Das ist unser Problem. Dortmund spielt eine Rekordvorrunde, die unglaublich ist. Für uns ist das mehr als unangenehm.

    Sie selbst wollten angesichts des Dortmunder Solos schon früh nicht mehr vom Titel reden. Warum?

    Nerlinger: Sich mit etwas zu beschäftigen, das so weg ist, halte ich nicht für sinnvoll. Wir müssen erst einmal die Champions-League-Teilnahme sichern. Dann reden wir weiter.

    Sie selbst haben kürzlich 10 000 Euro gewettet, dass der FC Bayern noch mindestens Zweiter wird. An wen überweisen Sie?

    Nerlinger: Die Wette ist beim DSF-Doppelpass entstanden. Verliere ich sie, kommt das Geld einer karitativen Einrichtung zugute.

    Der FC Bayern hat sich bislang in seinen Mannschaftsteilen häufig in gegenläufigen Entwicklungen präsentiert. Erst haben die Stürmer nicht getroffen, dafür stand die Abwehr. Dann war es umgekehrt. Haben Sie eine Erklärung dafür?

    Nerlinger: Ich würde eher sagen, dass es in vielen Spielen Phasen gab, in denen sich die Mannschaft total verloren hat. So etwas wie die zweite Halbzeit in Mönchengladbach, wo wir uns in 15 Minuten die Butter vom Brot nehmen lassen. Das ist für mich der Grund, warum wir viele gute Ergebnisse verschenkt haben.

    Am Sonntag geht es zum VfB Stuttgart, der gerade Bruno Labbadia als Trainer präsentiert hat. Eine dankbare Aufgabe?

    Nerlinger: Kein Verein, der hohe Ansprüche hat, aber im Tabellenkeller steht, strotzt vor Selbstvertrauen. Da hilft auch kein neuer Trainer, obwohl ich Labbadia sehr schätze.

    Interview: Anton Schwankhart

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