Es besteht weitgehend Einigkeit, dass Italien ohne seinen groß gewachsenen Tormann Gianluigi Donnarumma vor drei Jahren nicht Europameister geworden wäre. Diesmal sind die Italiener trotzdem früh raus. Zum Halbfinale treten vier Torhüter ins Rampenlicht, die viel weniger Furcht einflößend wirken. Dafür geschmeidiger. Ein Vergleich.
Unai Simon (27 Jahre/44 Länderspiele/ Athletic Bilbao)
Einer, der gerne mit dem Feuer spielt. Trotzdem setzten erst Luis Enrique, dann auch Luis de la Fuente auf den sehr gläubigen Tormann, der bei Athletic Bilbao und der Seleccion die Nummer eins ist. Andoni Zubizarretta, in den 80er- und 90er-Jahren ein Torwart von Weltruf, sagt: „Unai ist auf der Höhe der Besten.“ Nur manchmal spielt bei ihm Bruder Leichtfuß mit. Immer mal wieder lupft er Bälle an den falschen Adressaten. Gegen Deutschland hätte sich beinahe Kai Havertz bedankt. Am Ende aber hielt er den Kopfball von Niclas Füllkrug mit einer katzenartigen Parade. Und er hat im Nations-League-Finale vor einem Jahr zwei Versuche gegen Kroatien im Elfmeterschießen entschärft. Wenn das kein gutes Omen ist.
Mike Maignan (29 Jahre/21 Länderspiele/ AC Mailand)
Alles redet immer über Kylian Mbappé. Dabei müsste viel mehr über einen gesprochen werden, der Frankreich überhaupt im Turnier hält. Stark auf der Linie, ruhig in der Ausstrahlung. Mit dem Schlussmann vom AC Mailand gibt es endlich einen, der in riesige Fußstapfen getreten ist. Hugo Lloris war über 14 Jahre mehr als nur ein Rückhalt. Der treue Diener begleitete Nationaltrainer Didier Deschamps zu jeder großen Pressekonferenz und sagte mit treuherzigem Blick, wie entschlossen die Équipe Tricolore ihre Ziele verfolge. Sein Nachfolger stieg Anfang 2023 zur Nummer eins auf. Er stammt aus dem Nachwuchs von Paris St. Germain, kennt aus den U-Nationalmannschaften seine Vorderleute. Der 29-jährige Sohn einer haitianischen Mutter und eines französischen Vaters aus Guadeloupe kennt auch die Demütigung durch rassistische Anfeindungen. Hat deswegen in der Serie A einmal den Platz verlassen. So mutig wirft er sich auch in jeden Schuss und jede Flanke. Titelverdächtige Verfassung.
Jordan Pickford (30 Jahre /66 Länderspiele/ FC Everton)
Der älteste und auch der unkonventionellste Torwart unter den Halbfinalisten. Beim FC Everton ist er unangefochten, aber die großen Nummern der Premier League, vom FC Liverpool bis hin zu Manchester City, vertrauen lieber einem Ausländer auf dieser Position. Sicher ist sicher. Doch Gareth Southgate hat sich 2018 schon für diesen nur 1,84 Meter großen Torhüter entschieden, der mit seinem linken Fuß die Bälle extrem weit schlagen kann. Noch besser, dass er jetzt auch Elfmeter hält. Eine Heldenrolle, die jeder englische Torhüter gerne annimmt. Es gab andere Zeiten.
Bart Verbruggen (21 Jahre/12 Länderspiele/ Brighton & Hove Albion)
Was haben die Niederländer für Torhüter gehabt? Mit der EM 1988 und WM 1990 wurde Hans van Breukelen berühmt - aber nicht beliebt in Deutschland. Anders als Edwin van de Sar. In jüngerer Vergangenheit fahndete man fast verzweifelt nach einer verlässlichen Torwart-Lösung. Neun Kandidaten wurden ausprobiert, bis Bondscoach Ronald Koeman sich auf Bart Verbruggen festlegte. Der jüngste EM-Stammtorwart seit 60 Jahren. Nachdem er sich bei RSC Anderlecht einen Stammplatz erkämpft hatte, holte ihn Brighton & Hove Albion in die Premier League. Verbruggen ist nicht nur nervenstark, sondern reaktionsschnell – und ein exzellenter Fußballer. Gegen die Türkei waren seine tollkühnen Rettungstaten auf der Linie elementar, um ins Halbfinale zu gelangen. Was kommt da noch?
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