Der Sport lädt von Natur aus zu Vorhersagen ein und genauso natürlich liegen diese meistens daneben. Es ist das Geschäftsmodell der Wettanbieter. Selbst, wer nicht dazu neigt, sein Einkommen mit dem Setzen auf Spielausgänge aufzubessern, versucht sich an Prognosen. Franz Beckenbauer beispielsweise hatte eine valide Grundlage aus persönlichen Erfahrungen, um nach seinem weltmeisterlichen Rücktritt 1990 anzunehmen, diese Mannschaft sei auf Jahre hinweg unschlagbar. Es kam anders und hätte sich das Team 1996 nicht irgendwie zum EM-Sieg gerumpelt, würde hierzulande in gänzlich unangemessenem Ton über Berti Vogts gesprochen werden.
Mit den Prognosen sei es schwierig – vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen. Soll Mark Twain gesagt haben. Oder Karl Valentin. Oder Kurt Tucholsky. Was zumindest schlussfolgern lässt, dass man es auch zur Weisheit bringen kann, wenn man wenig Berührungspunkte mit dem Fußball hat. Es sei nur an jenes Bonmot am Anfang dieses Absatzes erinnert, wenn der deutschen Nationalmannschaft eine erfolgreiche Zukunft vorhergesagt wird. Musiala, Wirtz und Havertz lassen sportinteressierte Zukunftsforscher beim Blick auf die Lederkugel verzücken.
Nicht bei allen Fußballern verhält es sich wie mit gutem Wein
Genauso wahrscheinlich wie etliche Titelgewinne aber ist, dass sich das Fenster für die momentane Mannschaft schneller schließt, als sie es wahrhaben will. Möglicherweise haben sie noch genau ein Turnier Zeit, um die Sehnsucht nach einem Triumph zu erfüllen. Joshua Kimmich, Leroy Sané, Serge Gnabry, Antonio Rüdiger, Jonathan Tah, Pascal Groß, Robert Andrich und Niclas Füllkrug befinden sich bei der EM 2028 weit jenseits der 30 Jahre. Nicht bei jedem Fußballer verhält es sich wie mit gutem Wein.
Die Nationalmannschaft des Jahres 2024 erinnert an das Team von 2012. Damals scheiterten unter anderem Lahm, Schweinsteiger, Neuer und Klose an Italien. Die Münchner Fraktion hatte zuvor das Champions-League-Finale gegen Chelsea auf dramatische Weise verloren. Die bayerischen Spieler liefen Gefahr, als eine Generation der Unvollendeten in die prall gefüllte deutsche Fußballgeschichte einzugehen. Es kam anders. Weil sich eine Gruppe gefunden hatte, die jene Chance ergriff, die der Fußball ihr gestattete. Garantien gibt es dafür nicht.
Die Mannschaft von Julian Nagelsmann macht einen ähnlich gefestigten Eindruck wie ihre Vorgänger vor zehn Jahren. Bis zur WM 2026 kann allerdings noch allerhand passieren. Die Prognosen aber sind günstig, sogar die Zukunft betreffend.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden