Im Sommer ist die Zeit für Generalsanierungen. Die Handwerker machen eine Bestandsanalyse und beschließen, welches Teil ausgewechselt gehört, was sich bewährt hat und wo vielleicht mit etwas Augenzudrücken noch auf einen Austausch verzichtet werden kann. Fußball ist im Prinzip nichts anderes als ein Handwerk, das in seinen schönsten Momenten zur Kunst wird – so wie jedes andere Handwerk auch. Weil im Profifußball aber mehr Geld im Umlauf ist als beim örtlichen Gas-Wasser-Installateur, wird eben jenes Geld auch in allerhand interessante Tätigkeitsbereiche investiert. Nicht nur Spieler profitieren von den Summen, sondern auch ein immer größer werdender Personenkreis, für den immer noch interessanter klingende Job-Titel gefunden werden.
Vor wenigen Jahrzehnten gab es den Manager, der sich um die Belange rund um die Mannschaft kümmerte. Der Reisen buchte, Spiele und Spieler beobachtete, Verhandlungen mit potenziellen Neuzugängen führte, Verträge abschloss und Sponsoren akquirierte. Heute arbeitet unter dem Vorstandvorsitzenden und Aufsichtsrat der Sportvorstand zusammen mit dem Sportdirektor, zahlreiche Scouts und ein Teambetreuer gehören genauso zum Mitarbeiterstab wie neuerdings auch ein Betreuer für ausgeliehene Spieler. Nach der Saison ist der Zeitpunkt für eine Inventur. Dann werden Transfers getätigt, die selbstverständlich immer zur wie auch immer gearteten Philosophie des Vereins passen. Und natürlich ist man immer absolut überzeugt von dem Neuzugang. Alles andere wäre Irrsinn, schließlich haben ja auch Scout, Sportdirektor, Sportvorstand und Nachtportier den Transfer abgesegnet.
Platon hat nie in der Bundesliga gespielt
Der Winter ist nun die Zeit, in der sich die Vereinsmitarbeiter tief in die Augen blicken und möglicherweise sogar noch intensiver auf die Tabelle schauen und am Ende zur Erkenntnis kommen: Bei aller Überzeugung und Philosophie – das war nichts. Für eine erneute Generalsanierung fehlt das Geld, außerdem müsste man sich eingestehen, allzu oft danebengelegen zu haben. Ab die ein oder andere notwendige Reparaturmaßnahme muss schon drin sein. Der Winter ist nicht nur der Zauber von Weihnachten, sondern auch die Zeit des Pragmatismus. Philosophie schön und gut, aber Platon musste auch nie in der Ersten Bundesliga spielen.
Im Gegensatz beispielsweise zum VfL Bochum. Der spielt bereits das dritte Jahr in der Bundesliga. Früher (als es noch richtige Winter gab) galten die Bochumer sogar mal als die „Unabsteigbaren“. Aber Jens Lehmann galt auch mal als intellektuell beschlagener Fußballer. So wie es derzeit ausschaut, werden die Bochumer kein viertes Jahr im Oberhaus folgen lassen. Sie sind Tabellenletzter und spielen auch wie einer. Die erste und am weitesten verbreitete Personalmaßnahme hat der VfL schon getroffen und den Trainer ausgetauscht. In Dieter Hecking kam ein erfahrener Klempner, doch im Tabellenkeller ist es damit noch nicht getan. Schlechtester Sturm, zweitschlechteste Abwehr, Schönheitsreparaturen reichen da nicht. Auch deswegen werden die Bochumer möglicherweise mit einer risikoreichen und ebenso romantischen Maßnahme ihr Glück versuchen. Es vermehren sich die Gerüchte, dass Weltmeister Christoph Kramer künftig für den VfL aufläuft. Der hatte im Sommer seinen Vertrag in Mönchengladbach aufgelöst und blieb bis jetzt vereinslos. „Er war Spieler bei Dieter Hecking. Die hatten auch ein ganz gutes Verhältnis. Es würde daher ganz im Speziellen passen“, sagte Bochums Geschäftsführer Ilja Kaenzig. 2011 feierte Kramer sein Profidebüt für die Bochumer – zum Abschluss der Karriere würde sich der Kreis schließen. „Mit 08/15-Lösungen werden wir den Verein nicht retten“, so Kaenzig. Kurz vor Weihnachten darf an Wunder geglaubt werden – und an Kramer.
Die Dortmunder hingegen benötigen gewiss kein Wunder, um ihre Ziele zu erreichen. Aber doch eine Steigerung. Immerhin fünf Punkte trennen sie schon von Platz vier, der zur Teilnahme an der Champions League berechtigt. Zuletzt musste Emre Can mal wieder in der Innenverteidigung aushelfen, weil Waldemar Anton und Niklas Süle ausfielen. Möglicherweise werden die Baumeister um Lars Ricken und Sebastian Kehl hier Ausbesserungsmaßnahmen vornehmen. Allerdings ist der Kader auch auf manch anderer Position (Linksverteidiger etwa) erstaunlich luftig konzipiert.
Das lässt sich beim FC Bayern nicht behaupten. Lediglich für Harry Kane gibt es keinen adäquaten Ersatz, was allerdings auch am Leistungstief von Mathys Tel liegt. Sportarchitekt Max Eberl hat bereits angekündigt, dass die Münchner eine etwaige Luxussanierung im Sturmzentrum vorerst ablehnen. Auch dafür ist eher der Sommer geeignet. Bis dahin werden die Trainer grummeln, was ihnen von den anderen Gewerken so vorgesetzt wurde.
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