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Christoph Daum ist tot: Ehemaliger Fußballer mit 70 gestorben

Nachruf

Ein Leben zwischen Triumph und Tragödie: Christoph Daum ist tot

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    Christoph Daum ist im Alter von 70 Jahren gestorben.
    Christoph Daum ist im Alter von 70 Jahren gestorben. Foto: Bernd Thissen, dpa

    Es gibt zwei Menschen, die als die Urväter der öffentlichen Lüge in die deutsche Geschichte eingegangenen sind. Der eine ist der frühere Schleswig-Holsteinische Ministerpräsident Uwe Barschel (CDU), der 1987 in der so genannten Waterkantgate-Affäre vor den versammelten Medienvertretern sein Ehrenwort gab, seinen Konkurrenten Björn Engholm (SPD) auf keinen Fall abgehört zu haben. Und dann noch Christoph Daum. Der hatte im Oktober 2000 eine Pressekonferenz einberufen, um dort vollmundig zu erklären, dass er „ein absolut reines Gewissen“ habe. Natürlich ging es dabei um die Haarprobe, die Daum zuvor abgegeben habe und mit der er beweisen wollte, dass er kein Kokain geschnupft habe. Der Schwindel flog auf. Der damalige Trainer von Bayer Leverkusen, der sich gerade anschickte, die deutsche Fußball-Nationalmannschaft zu übernehmen, floh in die USA.

    Bei Barschel und Daum gibt es markante Parallelen: Beide träumten davon, ganz nach oben zu kommen, waren bereit, bei ihrem Aufstieg notfalls auch die Gebote der sportlichen Fairness völlig außer Acht zu lassen. Und beiden stellten sich mächtige Gegner in den Weg. Im Fall von Barschel war es Engholm, der später statt seiner das Amt des Ministerpräsidenten übernahm, und bei dem schillernden Fußballlehrer sein lebenslanger Antipode Uli Hoeneß. Der hatte den „verschnupften Daum“ zuvor vor aller Welt zum Abschuss freigegeben. Hoeneß und Daum verband so etwas wie eine Hassliebe. Ausgangspunkt war die legendäre Kontroverse im „Aktuellen Sportstudio“ im Mai 1989. Eigentlich als Klärungsgespräch gedacht, lief die Viererrunde mit Christoph Daum und Udo Lattek auf der einen und Hoeneß sowie dem damaligen Bayern-Trainer Jupp Heynckes auf der anderen Seite völlig aus dem Ruder. Der junge Trainer des 1. FC Köln provozierte den jungen Bayern-Manager bis zur Weißglut und haute Sätze über Heynckes raus, die auch den Straftatbestand der Beleidigung erfüllt hätten. Nach dem Europacup-Sieg über Inter Mailand sei es diesem mal für ein paar Stunden besser gegangen. „Da war eine Hirnwindung mehr durchblutet. Im Grunde ist er völlig kaputt.“ Die Rache des Bayern-Patrons folgte elf Jahre später.

    Christoph Daum erlebte bewegte Jahre als Trainer des 1. FC Köln.
    Christoph Daum erlebte bewegte Jahre als Trainer des 1. FC Köln. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

    Christoph Daum: Das war auch Spektakel, Tricks und Motivationshilfe

    Was bleibt von einem Menschen, wenn sich der Pulverdampf des Spektakels verzogen hat? Vielleicht verdeckte all das auch die wahren Qualitäten des Christoph Daum. Er galt als einer der innovativsten Trainer der Bundesliga, setzte sowohl in Köln wie später in Leverkusen neue Akzente, gewann mit dem VfB Stuttgart 1992 die Deutsche Meisterschaft. Für seine teils skurrilen Mentalübungen und Motivationsreden wurde er von den einen bewundert, von anderen mitleidig belächelt. Aber wo bei Daum der Triumph begann, folgte fast immer, fast schon vorhersehbar, der Absturz. Mit den Stuttgartern verspielte er durch einen Wechselfehler die Qualifikation für die Champions League. Nach dem Kokain-Skandal kam er zurück und gewann weitere Titel in Österreich und der Türkei, führte den 1. FC Köln zurück in die Bundesliga und hielt ihn dort. Seither gibt es einen Satz im Kanon der deutschen Sprache, der untrennbar mit seinem Namen verbunden ist: „Du kannst hinfallen. Es ist auch nicht entscheidend, wie oft du hinfällst. Du musst nur immer wieder aufstehen.“

    In den zurückliegenden Monaten ging es Christoph Daum nicht gut. Doch entsprach es seinem Wesen, dass er dies nie zugegeben hätte. Es gab Nächte, in denen er kaum einschlafen konnte. Tage, an denen ihm die Kraft für die einfachsten Dinge fehlte. Die Chemotherapien saugten dem früheren Meistertrainer Stück für Stück die doch nur scheinbar grenzenlose Energie aus dem Körper. Stattdessen ließ er sich noch bei seinem 70. Geburtstag Ende Oktober wild tanzend fotografieren. Es ging ihm, dem ewigen Kämpfer, immer darum, tunlichst keine Schwächen zu zeigen. Auch als er im Herbst 2022 bekanntgab, fortan gegen Lungenkrebs kämpfen zu müssen, ließ er die Öffentlichkeit nach einer kurzen Phase des Schocks regelmäßig an seinem Zustand teilhaben. Denn die Auseinandersetzung mit dem Krebs stand sinnbildlich für sein ganzes Leben. Schon als Kind legte er sich mit Mitschülern an, die eigentlich viel größer und kräftiger als der schmächtige Junge aus Duisburg waren. Sein Lebenscredo lautete: Zeige Kampfgeist, gib niemals auf! Mit dieser Botschaft wollte Daum all jenen, die ein ähnliches Schicksal mit sich herumschleppen, Hoffnung geben. Doch die Realität lässt sich auch durch geballte Fäuste, trotzige Gesten und ein Jetzt-erst-Recht-Lachen nicht einfach ausradieren. Am Samstag hat der einstige Lautsprecher der Liga den Kampf gegen den Krebs verloren, wie seine Familie mitteilte.

    Christoph Daum wurde als Trainer auch in der Türkei verehrt.
    Christoph Daum wurde als Trainer auch in der Türkei verehrt. Foto: epa kerim Okten/EPA/dpa

    Auch Bayern-Patron Uli Hoeneß trauert um Christoph Daum

    Viele kondolierten pflichtschuldig, aber einer zeigte sich zutiefst betroffen – wie kürzlich bei seinem anderen früheren Widersacher Willi Lemke. „Christoph Daum ist sein ganzes Leben keinem Disput aus dem Weg gegangen, aber wir beide haben vor langer Zeit unseren Frieden gemacht“, sagte Uli Hoeneß. „Den letzten Kampf konnte er am Ende nicht gewinnen, aber der deutsche Fußball wird ihn als einen Menschen in Erinnerung behalten, der immer alles gegeben hat – für seine Vereine, seine Mannschaften und weit darüber hinaus.“ So trauert man nur um einen Freund.

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