Karlsruhe, Wolfsburg, Bielefeld – Sie sind in Ihrer aktiven Karriere in Deutschland herumgekommen, haben viele Jahre in Nordrhein-Westfalen verbracht. Wie viel Franke steckt noch in Ihnen?
CHRISTIAN WÜCK: Ganz viel. Das Erste, was Menschen auffällt, wenn ich das Reden anfange, ist mein rollendes R, das ich nicht wirklich verbergen kann – auch nicht will (lacht).
Was ist in Ihren Augen typisch fränkisch?
WÜCK:
Die Nahbarkeit. Franken sind nicht nur an der Sprache erkennbar, sondern auch am Umgang miteinander. Das ist ein Grund, warum ich immer wieder gerne in meiner Heimat bin.
Auch Ihre Fußballkarriere begann in Franken, beim 1. FC Nürnberg. Als Trainer sind Sie nun im Frauenfußball gelandet. Zum ersten Mal in Ihrer Laufbahn. Was ist der größte Unterschied zwischen Frauen- und Männerteams?
WÜCK:
Die Telefonate dauern länger (lacht). Gut, bei den DFB-Junioren habe ich mit 15- bis 18-Jährigen zusammengearbeitet, die noch mitten in der Pubertät stecken, die erst mal lernen müssen, Telefonate zu führen. Mit den Spielerinnen haben die Gespräche sehr viel Inhalt.
Inwiefern verändert das Ihre Arbeit?
WÜCK:
Was die fußballerischen Inhalte betrifft, ist die Arbeit nahezu gleich. Die Spielerinnen wollen allerdings wissen, warum sie etwas machen sollen. Sie wollen es begreifen. Das ist anders als bei den Männern. Deshalb war es unheimlich wichtig, dass unsere ersten beiden Testspiele (gegen England und Australien, Anm. d. Red.) so gelaufen sind, wie sie gelaufen sind. Damit konnte eine Vertrauensbasis geschaffen werden. Die Spielerinnen haben gemerkt, dass das neue Trainerteam nicht einfach irgendetwas erzählt, sondern dass die getroffenen Maßnahmen funktionieren können.
Holen Sie sich ab und zu Ratschläge ein, zum Beispiel von Ihrer Frau?
WÜCK: Nein. Ich habe ja als Co-Trainerinnen Saskia Bartusiak und Maren Meinert an meiner Seite, von denen ich unheimlich viel mitnehmen kann. Das war mein großer Wunsch, bevor ich mit dem Job begonnen habe, dass ich zwei solche Expertinnen ins Trainerteam bekomme. Mit ihnen tausche ich mich eng und intensiv aus.
Ein Thema, das Sie und Ihr Team beschäftigt, ist der Nachwuchs.
WÜCK:
Ja. Da ist es bei den Mädchen schwieriger als bei den Jungs. Wir beim Deutschen Fußball-Bund machen uns unheimlich viele Gedanken, wie wir den Fußball verbessern und für die Spielerinnen und Spieler bestmögliche Bedingungen schaffen können. Wenn wir merken, dass etwas nicht funktioniert, dann verändern wir es. Deshalb haben wir erst vor kurzem die weibliche U23 reaktiviert. Die Spielerinnen müssen die Gelegenheit bekommen, sich international zu beweisen, und das hatten sie bei uns nach der U20 nicht mehr. Ich bin mir sicher, diese Maßnahme wird fruchten.
Gibt es zu wenig oder zu wenig guten Nachwuchs?
WÜCK:
Wenn wir von den Mädels reden, beides. Das ist ein großer Unterschied zum Juniorenbereich, wo es ganz, ganz viel Fußballer gibt. Diese Quantität gibt es bei den Mädchen nicht.
Wagen Sie jetzt schon eine Prognose, was nächstes Jahr bei der Europameisterschaft möglich sein könnte?
WÜCK:
Jetzt schon eine Prognose abzugeben, ist Quatsch. Gegen England haben wir gesehen, dass wir mit jeder Mannschaft mithalten können (4:3-Sieg im Testspiel Ende Oktober, Anm. d. Red.). Wir können aber auch gegen jedes Team verlieren. Das liegt an uns. Wenn wir unsere Leistung auf den Platz bringen, sind wir zu allem fähig. Darüber möchte ich nicht nur reden, sondern ich möchte allen diese Überzeugung einpflanzen: den Spielerinnen, den Trainerinnen und Trainern, dem Funktionsteam. Man wird keine Titel gewinnen, wenn man nicht davon überzeugt ist, dass man es kann.
Wie schaffen Sie so eine Überzeugung?
WÜCK:
Der erste kleine Schritt war das Spiel in England und die erste Halbzeit gegen Australien (1:2-Niederlage im Testspiel Ende Oktober, Anm. d. Red.). Da haben die Mädels gemerkt, dass sie so stark sein können, dass sie auch gegen Topspielerinnen wie Alessia Russo bestehen. Diese Erfahrung ist wichtig. Die kann ich den Spielerinnen nicht vermitteln, wenn ich nur darüber rede. Das müssen sie erleben.
Und wenn es mal nicht läuft auf dem Platz: Wie verhindert Sie, dass die Spielerinnen dann direkt in ein Loch fallen?
WÜCK: Indem wir ihnen aus fachlicher Sicht ganz genau zeigen, was sie in den bisherigen Spielen schon gut gemacht haben und was noch nicht. Wir müssen den Spielerinnen erklären, warum etwas nicht funktioniert hat und vor allem, wie sie es beim nächsten Mal besser machen können. Wir müssen vermitteln, dass Dinge klappen, wenn sie sich an unsere Leitlinien halten.
Haben Sie den Eindruck, dass nach dem großen Umbruch im Spätsommer langsam etwas zusammenwächst?
WÜCK: Das kann ich nach einem Lehrgang noch nicht sagen, dazu ist es zu früh. Die zweite Testphase jetzt mit den beiden Freundschaftsspielen in der Schweiz und gegen Italien (am 29.11. und 2.12., Anm. d. Red.) wird noch einmal unheimlich wichtig werden, um Eingeführtes zu bestätigen und neue Dinge reinzubringen. Ich denke, dass wir dann gut gerüstet sind für die Nations League, die im Februar beginnt. Sie wird uns auch als Vorbereitung auf die EM dienen, auch wenn sechs Spiele nicht viel sind. Wir müssen es in dieser Zeit einfach hinbekommen, dass die Überzeugung weiter wächst. Ich werde keine Spielerinnen mit zur Europameisterschaft nehmen, die nicht daran glaubt, dass wir den Titel holen können.
Zuvor dürfte es auch für Sie ein paar Tage Urlaub geben. Wie werden Sie Weihnachen verbringen?
WÜCK:
Ich feiere Weihnachten traditionell mit der Familie.
Und die Geschenke bringt das Christkind oder der Weihnachtsmann?
WÜCK:
Natürlich das Christkind (lacht).
Was sind Ihre schönsten Erinnerungen ans Weihnachtsfest in Gänheim?
WÜCK:
Wenn es am Abend endlich die Geschenke gab (lacht). Einmal hab‘ ich Dominosteine bekommen, die hab‘ ich durchs komplette Haus gelegt und keiner durfte sie anstoßen. Mein Bruder und ich mussten immer lange warten bis zur Bescherung. Unser Vater war Postbeamter und musste an Weihnachten länger arbeiten, um noch alle Pakete und Päckchen zuzustellen. Wenn er nach Hause kam, hat er sich erst mal geduscht und fertiggemacht, dann haben wir gegessen. Für uns hat sich das ewig angefühlt. Das ist ein Punkt, der definitiv in Erinnerung bleibt: dieses Warten aufs Christkind.
Und wenn Sie aufs neue Jahr schauen, was wünschen Sie sich?
WÜCK:
Mein größter Wunsch ist, dass sich die Welt langsam wieder ein bisschen beruhigt, dass wir wieder in vernünftigere Fahrwasser kommen.
Zur Person
Christian Wück, am 9. Juni 1973 in Werneck geboren und in Gänheim (Lkr. Main-Spessart) aufgewachsen, trainiert seit August die deutsche Fußball-Nationalmannschaft der Frauen. Bei seinem Debüt in Wembley besiegte sein Team im Oktober England mit 4:3, musste sich im Testspiel drei Tage später aber Australien geschlagen geben. Nun stehen in diesem Jahr noch zwei Freundschaftsspiele gegen die Schweiz (29.11., 20 Uhr) und Italien (2.12., 20.30 Uhr) an.
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