Der Tanz am Rande des Vulkans ist für Werder Bremen gerade noch mal gut gegangen. Die mit großen Hoffnungen in die Saison gestarteten Grün-Weißen konnten den zweiten Abstieg ihrer Bundesliga-Geschichte erst in der Relegation gegen den 1. FC Heidenheim abwenden. Mit einer verjüngten Mannschaft sollen an der Weser wieder bessere Zeiten anbrechen.
Ist Florian Kohfeldt noch der richtige Trainer für Werder?
Die Katastrophensaison war mehr als nur ein Kratzer auf dem bisher makellosen Image Kohfeldts. Mancher Beobachter schien regelrecht darüber erstaunt zu sein, dass der 37-Jährige nicht über Wasser gehen kann. Seine Außendarstellung passte nicht immer zu den schwachen Auftritten der Bremer Profis. Trotzig hielt Kohfeldt daran fest, weiterhin der beste Trainer für Werder zu sein – das war hart an der Grenze zur Arroganz. Letztlich bleibt aber festzuhalten, dass Kohfeldt in der Corona-Pause viele Weichen richtig stellte. Zudem traf der „Trainer des Jahres 2018“ einige harte Entscheidungen, indem er Mitglieder seines Trainerstabes degradierte. Allen Treueschwüren von Sportdirektor Frank Baumann und Aufsichtsratschef Marco Bode zum Trotz – ein erneuter Sturz in den Tabellenkeller dürfte Kohfeldt den Job kosten.
Übertreibt es Werder mit dem Verjüngungskurs?
Trau keinem über 30, lautet das neue Motto rund ums Weserstadion. Neben Klub-Legende Claudio Pizarro wurden auch die Routiniers Fin Bartels, Nuri Sahin, Philipp Bargfrede und Sebastian Langkamp verabschiedet. Ein nachvollziehbarer Schritt, denn der Beitrag des Quintetts fiel in der vergangenen Saison bescheiden aus. Talente wie der Niederländer Tahit Chong, Felix Agu und Romano Schmid sollen das Werder-Spiel schneller machen und die zuletzt vermisste Gier zurückbringen.
Wo drückt personell noch der Schuh?
Nach den Abgängen von Sahin, Bargfrede und Kevin Vogt wird dringend noch ein defensiver Mittelfeldspieler gesucht. Wenn Milot Rashica die Grün-Weißen noch wie gewünscht verlässt, muss in der Offensive nachgelegt werden. Fast schon ein Klassiker: Werder fehlt auf der rechten Außenbahn eine Alternative zu Dauerbrenner Theodor Gebre Selassie. Hier könnte der Ex-Osnabrücker Agu für Abhilfe sorgen. Große Sprünge sind für Sportdirektor Baumann bei Transfers nicht drin: Die von der Corona-Krise gebeutelten Bremer wollen ausschließlich ablösefreie Spieler holen.
Gibt es brachliegende Potenziale im Kader?
Die vergangene Saison war für einige Werder-Profis ein Karriereknick. So konnte Ömer Toprak verletzungsbedingt nie zeigen, warum er mal einer der besten Innenverteidiger der Bundesliga war. Auch Rückkehrer Davie Selke blieb weiter hinter den Erwartungen zurück, galt aber mal als größtes Mittelstürmer-Talent Deutschlands. Maximilian Eggestein muss wieder mehr zeigen, wenn er im kommenden Jahr von Bundestrainer Joachim Löw für die EM nominiert werden will.
Wird das Weserstadion wieder zur Festung?
Was die Bremer in der vergangenen Saison im einst gefürchteten Weserstadion ablieferten, grenzte an Realsatire. Mit zwei Siegen und drei Unentschieden wurde der Negativrekord von Tasmania Berlin aus der Saison 1965/1966 eingestellt. Auch das 0:0 im Relegationsheimspiel gegen Heidenheim war kein Ruhmesblatt. Mehr Heimsiege und weniger Gegentreffer nach Standardsituationen sind Ziele, die sich Kohfeldts Schützlinge fest vornehmen sollten.
Prognose der Sportredaktion
Kohfeldt kriegt mit der Bremer Boygroup die Kurve und landet im gesicherten Mittelfeld.
Zugänge Erras (Nürnberg, ablösefrei), Agu (Osnabrück, ablösefrei), Tahit Chong (Manchester United, Leihe), Mina (CS Emelec, ablösefrei), Schmid (Wolfsberger AC, Leih-Ende), Harnik (Hamburger SV, Leih-Ende)
Abgänge Pizarro (Karriereende), Bargfrede, Langkamp (beide Ziel unbekannt), Bartels (Kiel, ablösefrei), Sahin (Antalyaspor, ablösefrei), Goller (Karlsruher SC, Leihe), Beijmo (Malmö FF, Ablöse unbekannt), Lang (Mönchengladbach, Leih-Ende)
Dieser Artikel ist Teil unserer Bundesliga-Vorschau. In 18 Teilen beleuchten wir das Geschehen bei den einzelnen Vereinen und wagen eine Prognose. Im Rahmen dieser Serie ist bislang erschienen:
- Arminia Bielefeld: Ein Außenseiter mit großen Ambitionen
- Der VfB Stuttgart wagt ein Jugend-Experiment
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