Mit einem so jungen Kader ist der VfB Stuttgart nie zuvor in der Bundesliga angetreten. Nach dem Abstieg haben Sportdirektor Sven Mislintat und Vorstandsvorsitzender Thomas Hitzlsperger in der ausgegliederten Lizenzspielerabteilung keinen Stein auf dem anderen gelassen, das Saisonziel des direkten Wiederaufstieges realisiert und starten nun das Experiment Bundesliga. Jüngstes Opfer der Verjüngungskur ist Ex-Nationalspieler Holger Badstuber, er soll künftig in der Regionalligamannschaft spielen.
Kann der VfB Stuttgart in der Bundesliga bestehen?
Die Zweitliga-Saison des VfB war alles andere als überragend, aber mit dem zweiten Rang hinter Arminia Bielefeld wurde das Saisonziel erreicht. Aber Zweifel bleiben. Die Mannschaft besitzt in weiten Teilen keinerlei Bundesligaerfahrung, virtuose Technik und hohe Geschwindigkeit reichen in der Bundesliga erfahrungsgemäß nicht aus. Verstärkungen gab es daher zunächst in der Abwehr. Der Torwart bleibt, auch wenn die Klasse von Gregor Kobel gelegentlich überschätzt wird, Waldemar Anton von Hannover 96 darf als Verstärkung gelten, das gilt auch für Konstantinos Mavropanos vom FC Arsenal. Marc Oliver Kempf, Pascal Stenzel und Marcin Kaminski sind Kaliber, die zählen können. Aber nur in Top-Form. Die zeigten sie zuletzt nicht durchgehend. Es bleibt, Stand jetzt, ein Vabanque-Spiel. Thomas Hitzlsperger sagt: "Wir haben uns bewusst für eine junge Mannschaft entschieden, Erfahrung ist nicht immer mit Qualität gleichzusetzen."
Was macht der Präsident?
Claus Vogt wich das Lachen nicht mehr aus dem Gesicht, als er zum Präsidenten des VfB gewählt wurde. Ein Mann am Ziel. Nun kümmert er sich um die politische Linie des Klubs und betont bei jeder Gelegenheit die soziale Verantwortung des Profifußballs. Wenn es um sportliche Dinge geht, bleibt Vogt zurückhaltend: "Wir haben auf dem Sektor Menschen, die das besser beurteilen können als ich. Warum sollte ich mich da einmischen?" Vogt ist ein sympathischer Mann, aber keiner seiner Vorgänger war in sportlicher Hinsicht dermaßen bescheiden. Man ist gespannt, wie lange der Präsident noch zurückhaltend bleibt. Zufrieden war auch er mit der Zweitliga-Saison nicht. Hitzlsperger sagt: "Wir haben in der Bundesliga nicht den Anspruch, ins obere Drittel zu gehören. Wir wollen die Klasse halten."
Was kann man von Pellegrino Matarazzo erwarten?
Die Entscheidung für den Italo-Amerikaner Pellegrino Matarazzo als Trainer war eine strategische, sagt Mislintat. Pellegrino wer?, raunzte das Umfeld. Man kannte den Mann nicht, Bundesligaerfahrung hat er nicht. Ein Experiment. Wenn erfahrene Kräfte wie Max Kruse auf dem Markt sind, winkt Mislintat ab. Solche Leute will er nicht. Auch Christian Gentner passte nicht mehr. Hitzlsperger sagt: "Wir haben uns bewusst für Matarazzo entschieden, weil er junge Spieler entwickeln kann. Er ist sehr strukturiert und gut organisiert, ein Teamarbeiter. Er ist der Richtige, ein Gewinn für den VfB."
Wie lange hält das Umfeld still?
Die Corona-Krise kann diesbezüglich ein Vorteil sein. Vermutlich wird man noch auf längere Sicht ohne Zuschauer spielen, eine direkte Rückmeldung der Cannstatter Kurve wird es vorerst nicht geben. Was aber nichts daran ändert, dass Matarazzo keine ruhige Minute haben wird, wenn der Saisonauftakt misslingt. Gegen Freiburg und in Mainz, dann gegen Leverkusen, bei der Hertha in Berlin und dann gegen Köln. Man kann es härter erwischen, aber leicht ist es auch so nicht. Mit viel Pech gibt es die ersten Punkte erst gegen den FC, besser wäre, mit sechs Punkten in die Liga zu starten und selbstbewusst in die Bay-Arena zu fahren. Hitzlsperger sagt: "Wir sind nicht mehr der Klub der Superstars, kurzfristig geht es nur um den Klassenerhalt."
Prognose: Der VfB Stuttgart kämpft mit seiner extrem jungen Mannschaft von Beginn an gegen den Abstieg. Am Ende werden die Schwaben wenigstens zwei Teams hinter sich lassen.
Zugänge Stenzel (SC Freiburg, Ausleihe beendet), Endo (VV St. Truiden, Ausleihe beendet), Thommy (Fortuna Düsseldorf, Ausleihe beendet), Mavropanos (FC Arsenal, Ausleihe), Anton (Hannover 96, vier Millionen), Kobel (1899 Hoffenheim, vier Millionen plus Weiterverkaufsbeteiligung), Cissé (AC Le Havre)
Abgänge Gomez (Karriereende), Kopacz (Würzburger Kickers), Nartey (SV Sandhausen, Ausleihe), Phillips (FC Liverpool, Ende Ausleihe), Donis (Stade Reims), Akolo (Amiens SC), Grözinger (Schweinfurt 05)
Dieser Artikel ist Teil unserer Bundesliga-Vorschau. In 18 Teilen beleuchten wir das Geschehen bei den einzelnen Vereinen und wagen eine Prognose.
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