Noch ist nicht abzuschätzen, was der Rückzug des Beteiligungsunternehmen Blackstone Group aus dem Bieterduell um eine strategische Partnerschaft mit der Deutschen Fußball Liga (DFL) bedeutet. Doch es könnte der Anfang vom Ende des umstrittenen Investoren-Deals sein. "Ich würde nicht mehr viel darauf wetten, dass das Investment zustande kommt", sagt ein mit den Vorgängen Vertrauter. Es ist in diesen unruhigen Wochen durchaus verständlich, dass niemand mit diesem, immer mehr in Schieflage geratenen Projekt namentlich in Verbindung gebracht werden will.
Dabei hatte sich das Präsidium der DFL das alles so schön vorgestellt. Es hatte aus fünf Kandidaten die Blackstone Group und das luxemburgische Unternehmen CVC ausgewählt, um den bestmöglichen Ertrag für die DFL auszuhandeln. Das Ziel: Für eine Milliarde Euro will die DFL über eine noch zu gründende Tochterfirma acht Prozent der TV-Geld-Erlöse für 20 Jahre an den Investor abtreten. Mit dem Geld will die DFL hauptsächlich die Digitalisierung voranzutreiben.
CVC akzeptiert wohl die Bedingungen der DFL
Doch jetzt gibt es kein Bieterduell mehr. Blackstone hatte wohl vor allem aus wirtschaftlichen Aspekten einen Rückzieher gemacht. Die Fan-Proteste machten den Rücktritt noch einfacher. Nun wird nur noch mit dem Investor CVC, dessen Wurzeln in den USA liegen, verhandelt. CVC gehört zu den zehn größten Beteiligungsgesellschaften (Private Equity) weltweit. Nach eigenen Angaben verwaltet CVC aktuell rund 188 Milliarden Euro, auch vom saudi-arabischen Staatsfonds PIF. CVC verfügt bereits über Fußball-Beteiligungen. Mit der französischen Ligue 1 und der spanischen LaLiga hat der Investor schon ähnliche Deals wie mit der DFL abgeschlossen.
CVC gilt als entschlossen, den Deal durchzuziehen. Dafür scheint CVC groß in Vorleistung zu gehen. DFL-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke betonte gegenüber der Bild: "CVC weiß, dass es bei uns null Einfluss geben wird. Null! Es wird keine neuen Anstoßzeiten und nichts dergleichen mit uns geben!" Das Unternehmen hätte auch "alle unsere roten Linien akzeptiert" und wolle "nicht im Ansatz unseren Fußball reformieren". Vorerst wird aufgrund der "befristeten Exklusivität" weiter nur mit CVC verhandelt. Es könnten aber auch frühere Bewerber wieder zurückgeholt werden. Das Umfeld, in dem die Verhandlungen jetzt mit CVC weitergeführt werden, gleicht einem Schnellkochtopf, der immer weiter erhitzt wird und kurz vor dem Explodieren steht.
Die 36 Bundesliga-Klubs, die ja die DFL bilden, sind sich untereinander nicht einig, zu unterschiedlich sind die Interessen. Die Befürworter wollen mit aller Macht den Einstieg über die Bühne bringen, am besten noch vor dem Start der Verhandlungen um die neue Vergabe der TV-Rechte im April. Die Kritiker an der DFL-Basis stellen hingegen das ganze bisherige Prozedere infrage.
Die aktive Fan-Szene geht auf die Barrikaden
Und dazu geht die aktive Fan-Szene schon seit Wochen auf die Barrikaden. Für sie würde der Einstieg eines Investors in einem Bereich der DFL eine Türe öffnen, die man nicht mehr schließen könnte. Befürchten sie. Zudem ist die Art und Weise, wie die DFL Mitte Dezember den Startschuss für die Verhandlungen gab, für die Ultras inakzeptabel. Die Abstimmung verlief geheim und die notwendige Zweidrittel-Mehrheit wurde genau mit den benötigten 24 Ja-Stimmen erreicht. Besonders umstritten war die Stimmabgabe von Martin Kind, dem Vertreter von Hannover 96. Der Geschäftsführer der ausgegliederten Profiabteilung des Klubs war vom Mutterverein damit beauftragt worden, mit "Nein" zu stimmen, hat aber wohl mit "Ja" gestimmt. Geäußert hat sich Kind dazu nicht. Für die aktive Fan-Szene und auch für die meisten neutralen Beobachter steht aber fest: Hier wurde die 50+1-Regel umgangen, auch wenn die Abstimmung wohl den Statuten entsprach.
Die aktive Fan-Szene hat zuletzt mit immer heftigeren Mitteln protestiert. Beim Spiel Hertha gegen Hamburger SV war das Spiel insgesamt 32 Minuten unterbrochen. Beim 4:3-Sieg von Hannover 96 beim HSV waren in der zweiten Halbzeit im 96-Fanblock Banner gezeigt worden, auf denen die stilisierten Köpfe führender Personen von CVC und Blackstone sowie von 96-Geschäftsführer Martin Kind im Fadenkreuz gezeigt worden waren. Das Spiel wurde daraufhin für mehr als 30 Minuten unterbrochen. Kind hat inzwischen Anzeige erstattet.
Die Fan-Gruppen wollen verhindern, dass ihr Protest ausgesessen wird. Die Entscheidung Blackstones, das Feld zu räumen, dürfte in den Kurven sogar die Motivation erhöhen. "Natürlich ist dies jetzt ein erster Erfolg der Proteste. Eine neue, offene Abstimmung über den Investoren-Einstieg bleibt aber alternativlos", sagte der Vorsitzende der Fan-Organisation "Unsere Kurve" Jost Peter, dem Sport-Informations-Dienst.
Die Fronten bleiben weiter verhärtet. DFL-Präsidiumsmitglied Axel Hellmann hatte den Forderungen nach einer Neuabstimmung schon vor ein paar Tagen eine klare Abfuhr erteilt. Im Gegenzug bot die DFL Gespräche mit den Fan-Organisationen an. Die "Fan-Szenen Deutschlands", die einen großen Teil der Ultragruppen in einem losen Bündnis vereinen, lehnen Gespräche aber ab. Es werde versucht, "das Bündnis der deutschen Fans-Szenen durch die Einladung zur Teilnahme an einer reinen Scheindebatte zum Schweigen zu bringen", hieß es in einer Stellungnahme.
Aus den Ultra-Blöcken heraus wird weiter protestiert. Es ist auch nicht auszuschließen, dass dabei ein Spielabbruch in Kauf genommen wird. Davor warnt Watzke eindringlich: „Ich bitte die Fan-Szenen an dieser Stelle, den Eskalationspunkt nicht weiterzutreiben." Das Gesprächsangebot stehe: "Wir müssen schnellstmöglich in intensive Dialoge kommen." Danach sieht es aber nicht aus. Kommt es zu einem Spielabbruch, wäre eine Spielwertung gegen ein Team möglich. Sind beide Fan-Lager für einen Abbruch verantwortlich, könnten auch beide Vereine mit Punktabzug bestraft werden.
Bisher acht Spielabbrüche in der Bundesliga
In der Bundesliga gab es bisher acht Spielabbrüche. Gründe waren dichter Nebel, sintflutartige Regenfälle, Becher- und Flaschenwürfe und am 3. April 1971 in Gladbach auch ein gebrochener Torpfosten – wegen Fan-Protesten wurde allerdings in der Bundesliga seit 1963 noch nie ein Spiel abgebrochen. Es wäre eine Premiere, die aber niemand sehen will.