Auf diese Konstellation hätten beide Mannschaften gern verzichtet. Wobei die Münchner Ausgangssituation aus Sicht der Dortmunder geradezu luxuriös ist. Die Bayern stehen sechs Spieltage vor Schluss mit einem bequemen Sechs-Punkte-Vorsprung an der Tabellenspitze und haben noch die reelle Chance, ins Halbfinale der Champions League einzuziehen. Das trifft auf den BVB eher nicht zu. Nach dem 0:4 beim FC Barcelona sprach Trainer Niko Kovac zwar noch pflichtschuldig von einem „Funken Hoffnung“, doch die meisten Funken entzünden nichts, sondern verglühen. Interessant wäre freilich, woraus der Funke von Kovac entsprungen ist. Das Spiel bei den Katalanen hat dafür keinen Anhaltspunkt geboten, man war dem Gegner geradezu ausgeliefert.
Nun steht der letztjährige Finalist also vor dem Aus im Viertelfinale und in der Liga trennen den Klub vier Zähler von einem Champions-League-Platz. Am Samstag steht das Spiel beim FC Bayern an (18.30 Uhr, Sky) und das zählt im Kalender der Dortmunder nicht unbedingt zu den favorisierten Terminen. Vergangene Saison gewann man zwar in der Liga erstmals seit 2014 wieder in München, aber in der vergangenen Saison war eben auch bei beiden Klubs vieles anders. Die Dortmunder hätten sich tatsächlich beinahe Europas Klubkrone aufgesetzt und die Münchner spielten eine abwegig freudlose Runde, die dominiert war von einem absurden Trainercasting. Lange Zeit hatte Thomas Tuchel beste Chancen, sein eigener Nachfolger zu werden – letztlich lehnte er aber ab, was dazu führte, dass die Münchner einen Übungsleiter von einem Absteiger aus der Premier League verpflichteten. Der Fußball und seine eigenen Geschichten mal wieder. Jetzt führt er dazu, dass Niko Kovac in München, ausgerechnet München natürlich, irgendwie versuchen muss, diese Saison noch zu retten. Sollte sein Team bei den Bayern verlieren: Also so viel Mathematik versteht jeder Bundesligaprofi. In der kommenden Saison müsste wahrscheinlich auf Duelle mit den europäischen Top-Team verzichtet werden.
Die Bayern haben Leverkusen noch mal näher kommen lassen
Dieses Szenario droht den Bayern nicht. Allerdings hängen ihnen die Leverkusener am Leib wie ein nasser Regenmantel. Sechs Punkte mögen komfortabel aussehen. Doch bei einer Niederlage: Auch Münchner Profifußballer können rechnen. Drei Punkte und ein derart angeschlagener Kader, wie ihn die Bayern haben, ließen auf einen engen Endspurt deuten. Den hätten sich die Münchner aufgrund ihrer ungeahnten Gönnerhaftigkeit in Duellen mit Bochum und Union Berlin zu großen Teilen selbst zuzuschreiben. Erschwerend kommt aber auch eine Verletztenmisere größeren Ausmaßes hinzu. Kompany führte zwar an, dass er „keinen Bock auf Gejammer“ habe, allerdings hat seine Mannschaft trotzdem mit einem Qualitätsverlust zu kämpfen. Spieler der Klasse Musialas oder Davies‘ lassen sich auch in einem exquisiten Kader nicht gleichwertig ersetzen. Bei der Niederlage gegen Inter Mailand war zudem augenscheinlich, dass es durchaus Partien gibt, in denen der vorwärts gewandte Spielstil eines Aleksandar Pavlovic dem eher betulichen Stil Leon Goretzkas vorzuziehen ist.
Für den Boulevard war freilich wichtiger, dass Thomas Müller trotz der erheblichen Ausfälle nicht von Beginn an spielen durfte. Für Raphael Guerreiro sprach, dass er es in engen Räumen eher versteht, behände mit dem Ball umzugehen als der bajuwarische Nationalheilige. Am Ende aber traf eben der eingewechselte Müller. Wer trifft, hat im Sport immer recht. Auch, um die Belastung vernünftig zu verteilen, könnte Kompany sein Team gegen Dortmund auf einigen Positionen umstellen. Ein bisschen Manövriermasse gibt auch der ausgedünnte Kader noch her. Der BVB hingegen muss keine Rücksicht auf das Rückspiel der Champions League nehmen. Ein Weiterkommen scheint ausgeschlossen.
„Keep it simple“ - Kovac und die Schlichtheit des Spiels
Beide Teams können sich am Samstag in eine sehr verzwickte Situation spielen. Allerdings stünden nur die Dortmunder bei einer Niederlage vor den Trümmern einer Saison. Kovac versuchte daher schon kurz nach dem Spiel gegen Barcelona die Sinne zu schärfen. Man müsse „körperlich schon attackieren“, sagte er nach dem Spiel gegen Barcelona, was gleichzeitig auch eine Aufforderung für die Partie in München gewesen sein dürfte. Eine Aussage, die sich in sein Konzept einpasst, das zumindest nicht überkomplex ist. „Keep it simple“ hatte Kovac zu Beginn seiner Amtszeit gesagt und so spielt der BVB auch. Das kann klappen. Einige Trainer schwören darauf, dass sich die Erfolgswahrscheinlichkeit erhöht, wenn taktisch intensiv gearbeitet wird. Am Ende ist das aber egal. Wer gewinnt, hat recht. Wer verliert, hat ein massives Problem.
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