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Boxen: Usyk gewinnt den Jahrhundert-Fight

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Usyk gewinnt den Jahrhundert-Fight

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    Oleksandr Usyk (links) gewann den Kampf um mehrere Weltmeistertitel im Schwergewicht in der Kingdom Arena gegen Tyson Fury.
    Oleksandr Usyk (links) gewann den Kampf um mehrere Weltmeistertitel im Schwergewicht in der Kingdom Arena gegen Tyson Fury. Foto: Nick Potts, dpa

    Oleksandr Usyk trug die Last einer terrorisierten Nation auf den Schultern. Aber die patriotische Bürde machte sein Herz größer als die riesigen Körpermaße Tyson Furys. Mit einer bewundernswerten Leistung und durch eine 2:1-Entscheidung der drei Punktrichter wurde der ukrainische David (1,91 Meter) gegen den englischen Goliath (2,08 Meter) der erste unumstrittene Weltmeister im Schwergewicht seit einem Vierteljahrhundert. „Es ist ein großer Sieg. Nicht nur für mich, sondern auch für meine Familie und die Soldaten, die mein Land verteidigen“, widmete der Nachfahre der Krim-Kosaken den Triumph der Ukraine und ihren Frontkämpfern. 

    Wladimir Klitschko, der vor achteinhalb Jahren seine drei Titel in Düsseldorf gegen den exzentrischen „Gypsy King“ verloren hatte, zeigte das V-Zeichen in die Kamera, als er vor dem „Ring of Fire“ (Motto) von DAZN als einer der Berühmtheiten (u. a. Cristiano Ronaldo) am Ring der Kingdom Arena im saudischen Riad eingeblendet wurde. Der jüngere der Klitschko-Brüder hatte während der russischen Annexion der Krim 2014 im Ring erfahren, welcher Patriotismus dann in den Handschuhen steckt. 

    Klitschko hebt die Bedeutung für die Ukraine vor

    Klitschko, 48, hob die Bedeutung des Usyk-Sieges für ihre Landsleute in der Ukraine hervor: „Jeden Tag und jede Nacht bombardiert uns Putins Russland. Auch heute Nacht (Anmerkung: 18./19.Mai) hat die Ukraine gelitten. Ich bin mir sicher, dass Menschen ihr Leben verloren haben. Wir Ukrainer hatten die Chance, für 48 Minuten Oleksandr Usyks Leistung zu genießen. Das ging in unsere Herzen und Seelen. Das war sehr wichtig. Ich bin sehr stolz auf ihn.“ 

    Es sah lange schlecht aus für Usyk, 37. Der Rechtsausleger fand keine Einstellung, die Reichweite zu überwinden. Furys, 35, rechte Aufwärtshaken, seine Lockerheit, Provokationen und Faxen dominierten den Boxkampf des (21.) Jahrhunderts. Bis Usyks linker Haken in der 8. Runde Furys Nase blutig schlug und in der 9. Runde das Kinn mit solcher Wucht traf, dass dem Koloss die Sinne schwanden und die Beine zu Pudding wurden. Unter Usyks Schlaghagel torkelte Fury wie ein Volltrunkener durch den Ring. Der Engländer hing verteidigungslos in den Seilen, als Ringrichter Mark Nelson (USA) zehn Sekunden vor Rundenende Usyks Vernichtungswillen stoppte. Aber nicht, um den Kampf abzubrechen, sondern um Fury „stehend“ anzuzählen. „Der Ringrichter hat uns den Knock-out gestohlen“, beschwerte sich Usyks Promoter Oleksandr Krasjuk. Die Seile, der Ringrichter, der Gong haben Fury gerettet. 

    Viele Emotionen nach dem letzten Gong

    Respektvoll, emotional, aber auch skurril ging es nach dem Schlussgong im Ring zu. Fury drückte Usyk spontan einen Kuss aufs Haupt. Sie unterhielten sich wie Kumpels, bis Ansager-Legende Michael Buffer, 79, die Punktwertungen für den packenden Kampf und die „split decision“ pathetisch verkündete: „From Ukraine…“. Fury reagierte noch respektvoll: „Ein fantastischer Kampf. Gut gemacht Oleksandr.“ Derweil sprach der Londoner Promoter Frank Warren den vertraglich vereinbarten Rückkampf an. Fury nannte dafür den Oktober. Usyk antwortete dem TV-Interviewer: „Ja. Natürlich. Ich bin bereit für die Revanche.“ 

    Der ukrainische Boxer Oleksandr Usyk weint, als er während einer Pressekonferenz nach seinem Sieg über den Briten Fury in ihrem Schwergewichtsboxkampf in der Kingdom Arena über seinen Vater spricht.
    Der ukrainische Boxer Oleksandr Usyk weint, als er während einer Pressekonferenz nach seinem Sieg über den Briten Fury in ihrem Schwergewichtsboxkampf in der Kingdom Arena über seinen Vater spricht. Foto: Francisco Seco, dpa

    Übermannt von seinen Gefühlen sprach der tiefgläubige Usyk auf der Pressekonferenz von seinem 2012 verstorbenen Vater. Tränen flossen über seine Wangen. „Ich vermisse meinen Vater. Ich weiß, dass er hier ist“, schluchzte er. „Ich glaube, mein Vater schaut auf mich herunter und ist glücklich. Papa, ich liebe dich. Ich kann es, und du hast es mir vorhergesagt.“ Usyk, Olympiasieger 2012, schon einheitlicher Champion im Cruisegewicht, blieb auch in seinem 22. Profikampf siegreich. 

    Usyk in einer Galerie mit Muhammad Ali

    Tyson Fury führte die Entscheidung für seine erste Niederlage im 36. Kampf auf die Sympathie für die Ukraine im Krieg zurück: „Ich habe die meisten Runden gewonnen. Aber die Leute sind auf der Seite des Landes im Krieg.“ Fury, wie schon so oft, ließ es offen, ob er überhaupt noch einmal boxen wird: „Wo soll das alles enden? Hundert Kämpfe und ein Hirnschaden, in einem Rollstuhl?“ Mit seiner Familie, die mit seinen geschätzten 300 Millionen Pfund auf der Bank ausgesorgt hat, werde er sich beraten. Oleksandr Usyk ist in die Galerie der Legenden wie Muhammad Ali aufgestiegen. Oleksandr der Große als einer der Nachfolger des Größten – das passt. 

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