Für ihren großen Auftritt hat Box-Weltmeisterin Tina Rupprecht das kleine Schwarze gewählt: ein Minikleid aus Samt, dazu hochhackige Pumps, die blonden langen Haare locker nach hinten gebunden, ein strahlendes Lächeln im Gesicht. In diesem Moment ist es schwer vorstellbar, dass dieses zierliche Persönchen von 1,53 Metern Körpergröße schon so manchen männlichen Sparringspartner ausgeknockt in die Seile geschickt hat und bereit ist, sich nun dem härtesten Kampf ihrer Box-Karriere zu stellen.
Doch für die Augsburgerin geht nach zehn Jahren im Profigeschäft ein lang gehegter Traum in Erfüllung. Sie wird endlich gegen den US-Superstar Seniesa Estrada um die Vereinigung zweier Weltmeistertitel boxen. Am 25. März steigt Tina Rupprecht vor 16.000 Menschen in Fresno, Kalifornien, in den Ring. Den Titel des Verbands WBC bringt sie selbst mit, den WBA-Titel trägt Estrada, die aktuelle Nummer eins der Welt im Frauen-Boxen.
Box-Weltmeisterin Tina Rupprecht hat ein hartes Vorbereitungstraining absolviert
Bevor Tina Rupprecht aber mit ihrem langjährigen Trainer Alexander Haan vom Boxclub Haan Augsburg und ihrem Team am Freitag abfliegt, hat sie Freunde, Familie, Sponsoren und Medien zur Pressekonferenz ins Parktheater Göggingen geladen. Um in diesem eleganten Rahmen Auskunft zu geben, warum ihr dieser Kampf so am Herzen liegt, wie sie sich auf den schwersten aller Fights vorbereitet und auf was sie sich in den USA gefasst macht.
Denn dass es hart wird, davon gehen alle aus: auch ihr neuer Fitness- und Konditionstrainer Sepp Maurer. Deshalb hat sich Rupprecht in den vergangenen Wochen in seiner Sportschule im Bayerischen Wald einem extremen Vorbereitungs-Programm unterzogen. In Schneeschuhen den Hausberg hinauf war nur eine der Mammut-Einheiten während des "anstrengendsten Trainings, das ich je gemacht habe", wie die 30-Jährige einräumt.
Doch auch dort kamen ihr jene Fähigkeiten entgegen, die sie von der ehrgeizigen Amateurin hoch in die "Champions League des Frauen-Boxen" brachten, wie es ihr Promoter Benedikt Poelchau schildert. Ihr unbedingter Wille, ihre hohe Professionalität und ihre eiserne Disziplin, gepaart mit der Fähigkeit "schonungslos zu sich selbst zu sein", wie auch Maurer betont. Er ist überzeugt, dass Rupprecht nun zu "110 Prozent fit ist. Ich bin echt gespannt, wie sie das im Kampf umsetzt. Aber die Gegnerin tut mir jetzt schon leid", sagt er.
Eine Niederlage haben im Profi-Boxen bisher weder Tina Rupprecht noch Seniesa Estrada kassiert
Trainer Alexander Haan und Tina Rupprecht wissen allerdings genau, dass man mit einer widerspenstigen Widersacherin wie der dominant, laut und selbstbewusst auftretenden Estrada kein Mitleid haben muss. Respekt schon, schließlich hat diese von ihren 23 Profikämpfen neun durch K. o. gewonnen und 14 nach Punkten. Eine Niederlage haben bisher weder Rupprecht noch Estrada kassiert.
Dass ihr nun ausgerechnet eine Realschullehrerin aus Augsburg gefährlich werden könnte, damit dürfte Seniesa Estrada nicht wirklich rechnen. Und Tina Rupprecht würde sie bis zum Kampf auch gern in diesem Glauben lassen. Sie sieht es durchaus als Vorteil, wenn man sie ein wenig unterschätzt, wie das ihre Gegnerin gerade tun könnte. "Ich weiß, was auf mich zukommt, aber ich glaube nicht, dass Estrada weiß, was auf sie zukommt", erlaubt sich Rupprecht den ebenso klitzekleinen wie gefährlichen Hauch einer Warnung, um anzukündigen, was sie in diesem Kampf zu leisten bereit ist.
Tina Rupprecht unterrichtet zweimal in der Woche Sport an der Realschule Zusmarshausen
Schon viele Gegnerinnen sind an Rupprecht gescheitert, in ihren zwölf Profikämpfen verbuchte sie bisher elf Siege und ein Unentschieden. Mit Trainer Alexander Haan verbindet sie ein schon fast väterliches Verhältnis, man versteht sich nahezu blind - im Ring und privat. Auch wenn Haan schmunzelnd einräumt, die junge kleine Sportlerin anfangs nicht so richtig ernst genommen zu haben. Was sich schnell geändert hat, "nachdem ich sie ständig vor der Nase hatte und sie alles wissen und lernen wollte", sagt Haan mit seinem trockenen Humor.
Neben dem Training gibt Tina Rupprecht zweimal in der Woche Sportunterricht für Mädchen an der Realschule Zusmarshausen (Landkreis Augsburg). Ihr Freund Markus, mit dem sie seit drei Jahren zusammen ist, kümmert sich um die Sponsoren und hält ihr den Rücken frei. "Als er mich kennengelernt hat, hat er gedacht, ich bin Millionärin. Weil ich Weltmeisterin bin", erzählt Tina Rupprecht lachend. Eines von so manch falschen Bildern, die Menschen von ihr als Profi-Boxerin haben.
Dabei treibt sie allein der Sport an. Auch als ihr Trainer fragte, warum sie den Kampf in den USA so herbeisehne. Wegen der Börse oder wegen des WM-Titels? "Ich will nur sie", habe Rupprecht dann mit Blick auf Estrada geantwortet.
Dank der Größe und Bedeutung des Kampfes, der auf der größten US-Plattform ESPN in den USA, Kanada sowie Latein- und Südamerika ausgestrahlt wird (der Bayerische Rundfunk sendet unter www.br25.de einen Livestream), lohnt sich die Anstrengung aber wohl auch erstmals finanziell für die Augsburgerin. "Alle meine anderen Kämpfe zuvor habe ich selbst finanziert. Jetzt bekomme ich endlich mal etwas", schildert sie die Situation in ihrer Sportart, in der Frauen auch noch lange nicht mit den Männern gleichgestellt sind. "Doch es wird besser", betont Rupprecht, "und ich freue mich, dass ich dazu beitragen kann, dass das Frauen-Boxen mehr Anerkennung bekommt." Am besten mit ihrem 12. Sieg am 25. März.