Wer soll diesen Norweger noch stoppen? Es lief wirklich nicht optimal für Johannes Thingnes Bö, der sich zwei Schießfehler leistete. Doch mit seiner überragenden Lauftechnik ließ der Seriensieger dieses Winters der Konkurrenz bei der Weltmeisterschaft in Oberhof keine Chance. Beim vierten WM-Start gewann Bö im Einzelrennen über 20 Kilometer seine vierte Goldmedaille und setzte die Norweger-Festspiele zumindest bei den Männern fort. Silber holte sich sein Landsmann Sturla Holm Lagreid vor dem Schweden Sebastian Samuelsson. Benedikt Doll leistete sich zwar einen Schießfehler weniger als Sieger Bö, landete jedoch auf dem fünften Platz.
Der Schwarzwälder lief bei plus neun Grad und Sonnenschein ohne Mütze oder Stirnband und war danach ausgepumpt. „Die Bedingungen waren knüppelhart. Die Ski haben so stark abgebaut durch die Wärme. Gefühlt wurde jede Runde noch länger“, sagte der 32-Jährige nach dem Zieleinlauf. Während Doll nach einem durchwachsenen WM-Auftakt wie erwartet zumindest in Richtung Podest lief, sorgte aus deutscher Sicht Philipp Nawrath für die größte Überraschung. Als Ersatzmann im Team des Deutschen Skiverbandes (DSV) war er angereist und musste auf seine Einwechslung hoffen. Mit Platz neun überzeugte er auf Anhieb und lieferte sein bisher bestes WM-Ergebnis. Im Ziel atmete der Skijäger auf: „Mega. Ich bin super glücklich.“
Nawrath jubelt bei der Biathlon-WM einen Tag nach seinem 30. Geburtstag
Einen Tag nach seinem 30. Geburtstag nutzte er seine erste WM-Chance. Erst mit starken Leistungen bei den vorgeschalteten Europameisterschaften in Lenzerheide (Schweiz) hatte der Biathlet aus Nesselwang ein WM-Ticket erhalten. „Wir denken, es ist fair in der Form, in der er sich jetzt präsentiert hat, dass er einen Einsatz bekommt“, hatte DSV-Sportdirektor Felix Bitterling das WM-Debüt des Allgäuers angekündigt. Offenbar die richtige Entscheidung des Trainerteams.
Der Allgäuer, der in Ruhpolding lebt und trainiert, überzeugte auf der längsten Distanz im Biathlon. Und das, obwohl er mit der hohen Startnummer 78 ins Rennen gehen musste. Da war die Strecke von den vielen Startern vor ihm bereits tief und sulzig. „Das wurde nicht besser. Man musste sich nur durchkämpfen“, schilderte Nawrath seine Eindrücke von der weichen Piste am Rennsteig. Nach den beiden ersten fehlerfreien Schießeinlagen, wackelte der Allgäuer in der dritten Runde am Schießstand bedenklich. Wieder einmal. Wie so oft in dieser für ihn bisher schwierigen Saison. Er leistete sich zwei Fehlschüsse. Im Kopf begannen negative Gedanken zu kreisen. „Nach dem Liegend-Schießen habe ich gehadert: Oh, Mann, jetzt geht das wieder nach hinten. Aber ich konnte es im Stehen noch gut retten.“
Nawrath ist ein Schützling von Biathlon-Olympiasieger Michael Greis
Nawrath galt vor diesem Winter als gesetzt im Top-Team des DSV. Doch nach schwachen Resultaten in den beiden ersten Weltcups in Kontiolahti und Hochfilzen mit Rang 18 als bester Platzierung hatte der Schützling von Olympiasieger Micheal Greis seinen Platz in der Weltcup-Mannschaft verloren. Der überdurchschnittliche Langläufer verfehlte zu oft am Schießstand die Scheiben. „Ich habe extrem viel am Schießstand gearbeitet.“ Über den zweitklassigen IBU-Cup hatte sich Nawrath erst für die Weltmeisterschaft empfehlen müssen.
Justus Strelow, der für den angeschlagenen Johannes Kühn aufgestellt wurde, lief auf Rang 13. Roman Rees wurde 21. und David Zobel 73. Nawrath hofft jetzt auf mehr: „Mal schauen, wie weit es reicht und welche Rennen vielleicht noch auf mich warten.“